Hypermoral
Hin und wieder benutze ich den Ausdruck "Hypermoral", für eine Haltung, ein "Ethos", das ich für sehr problematisch halte.
Jemand, der hypermoralisch ist, ist nicht etwa, wie man vielleicht von Wortsinn her meinen könnten, jemand, der oder die besonders viel Wert auf moralisch einwandfreies Verhalten legt. Es gibt hypermoralische "Moralapostel", aber nicht jeder eifernder Moralprediger ist hypermoralisch.
Die meisten hypermoralischen Menschen haben ein manichäistisches, "schwarz/weiß", "ja/nein", "gut/böse" Weltbild. Aber auch davon gibt es Ausnahmen.
Hypermoral ist eine übersteigerte Form gesinnungsethischer Grundsätze, bei denen der Realitätsbezug und die praktische Anwendbarkeit nebensächlich ist. Für einen Hypermoralisten sind menschlichen Handlungen im wesentlichen durch gute oder böse Absichten bzw. "das Gute" und "das Böse" an den Absichten motiviert. Eine pragmatisch-moralische Auffassung, wie sie Goethes Mephisto in die Worte "Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft" fasst, ist für Hypermoralisten nicht akzeptabel - aus einer böse Absicht kann für sie nichts Gutes erwachsen!
Ein entsetzliches Beispiel für Hypermoral sind jene Abtreibungsgegner, die so weit gehen, das ungeborene Leben auch auf Kosten des Lebens der Schwangeren zu schützen.
In der Politik ist "Moralhypertrophie" eine Einstellung, die alle Probleme in Staat und Gesellschaft als moralische Probleme auffasst.
Geprägt wurde der Begriff der "Hypermoral" 1968 im Essay Moral und Hypermoral des konservativen bis reaktionären Philosophen Arnold Gehlen. Diese Schrift ist durchaus danach, die philosophisch-anthropologischen Überlegungen Gehlens treten gegenüber der polemischen Zeitkritik deutlich ins Hintertreffen. Mit seinem Rundumschlag gegen so ziemlich alles, was ihm politisch und gesellschaftlich in der Bundesrepublik der 1960er-Jahre nicht gefiel (und ihm gefiel vieles nicht), ist Gehlen sozusagen der Prototyp aller "68er-Basher".
Obwohl ich völlig anderen Ansicht bin, halte ich die von Gehlen geprägten Begriffe "Humanitarismus" und "Hypermoral" für brauchbar.
Unter "Humanitarismus" versteht Gehlen die "zur ethischen Pflicht gemachte unterschiedslose Menschenliebe", eine Erweiterung des Familienethos auf die ganze Menschheit. "Fremde" Menschen, die nicht Familienangehörige, Freunde, Kollegen usw. sind, sollten genau so geliebt werden wie Menschen aus diesen "Nahgruppen". Also anstatt des alttestamentarischen "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" die Forderung: "Liebe deinen Fernsten wie deinen Nächsten". (Wobei Selbstliebe gerade nicht als "Tugend" gesehen wird, sondern als Laster - was die bei Hypermoralikern nicht seltene Haltung "Verachte deinen Nächsten wie dich selbst" folgerichtig nach sich zieht.)
Im Sinne des Humanismus muss die Menschenwürde eines Straftäters auch dann gewährt bleiben, wenn seine Tat aufs Tiefste missbilligt wird. Das wäre für Gehlen - aber nicht für mich! - schon hypermoralisch.
Humanitarismus sei ein Mittel ideologisch zweckmäßiger Fremdtäuschung zum Vorteil bestimmter (Herrschafts-)Gruppen mit gleichzeitiger öffentlicher Geltungssteigerung der Intellektuellen. Humanitarismus im Sinne Gehlens ist eine Form des übersteigerten Humanismus, die kein überzeugter Humanist ernsthaft vertreten würde.
Trotzdem ist der Begriff kein "Strohmann", denn entsprechende moralische Forderungen gibt es ja wirklich. Wenn auch eher selten seitens der von Gehlen gescholtenen Intellektuellen, als eher aus dem Lager religiöser oder ideologischer Fanatiker.
Jemand, der hypermoralisch ist, ist nicht etwa, wie man vielleicht von Wortsinn her meinen könnten, jemand, der oder die besonders viel Wert auf moralisch einwandfreies Verhalten legt. Es gibt hypermoralische "Moralapostel", aber nicht jeder eifernder Moralprediger ist hypermoralisch.
Die meisten hypermoralischen Menschen haben ein manichäistisches, "schwarz/weiß", "ja/nein", "gut/böse" Weltbild. Aber auch davon gibt es Ausnahmen.
Hypermoral ist eine übersteigerte Form gesinnungsethischer Grundsätze, bei denen der Realitätsbezug und die praktische Anwendbarkeit nebensächlich ist. Für einen Hypermoralisten sind menschlichen Handlungen im wesentlichen durch gute oder böse Absichten bzw. "das Gute" und "das Böse" an den Absichten motiviert. Eine pragmatisch-moralische Auffassung, wie sie Goethes Mephisto in die Worte "Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft" fasst, ist für Hypermoralisten nicht akzeptabel - aus einer böse Absicht kann für sie nichts Gutes erwachsen!
Ein entsetzliches Beispiel für Hypermoral sind jene Abtreibungsgegner, die so weit gehen, das ungeborene Leben auch auf Kosten des Lebens der Schwangeren zu schützen.
In der Politik ist "Moralhypertrophie" eine Einstellung, die alle Probleme in Staat und Gesellschaft als moralische Probleme auffasst.
Geprägt wurde der Begriff der "Hypermoral" 1968 im Essay Moral und Hypermoral des konservativen bis reaktionären Philosophen Arnold Gehlen. Diese Schrift ist durchaus danach, die philosophisch-anthropologischen Überlegungen Gehlens treten gegenüber der polemischen Zeitkritik deutlich ins Hintertreffen. Mit seinem Rundumschlag gegen so ziemlich alles, was ihm politisch und gesellschaftlich in der Bundesrepublik der 1960er-Jahre nicht gefiel (und ihm gefiel vieles nicht), ist Gehlen sozusagen der Prototyp aller "68er-Basher".
Obwohl ich völlig anderen Ansicht bin, halte ich die von Gehlen geprägten Begriffe "Humanitarismus" und "Hypermoral" für brauchbar.
Unter "Humanitarismus" versteht Gehlen die "zur ethischen Pflicht gemachte unterschiedslose Menschenliebe", eine Erweiterung des Familienethos auf die ganze Menschheit. "Fremde" Menschen, die nicht Familienangehörige, Freunde, Kollegen usw. sind, sollten genau so geliebt werden wie Menschen aus diesen "Nahgruppen". Also anstatt des alttestamentarischen "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" die Forderung: "Liebe deinen Fernsten wie deinen Nächsten". (Wobei Selbstliebe gerade nicht als "Tugend" gesehen wird, sondern als Laster - was die bei Hypermoralikern nicht seltene Haltung "Verachte deinen Nächsten wie dich selbst" folgerichtig nach sich zieht.)
Im Sinne des Humanismus muss die Menschenwürde eines Straftäters auch dann gewährt bleiben, wenn seine Tat aufs Tiefste missbilligt wird. Das wäre für Gehlen - aber nicht für mich! - schon hypermoralisch.
Humanitarismus sei ein Mittel ideologisch zweckmäßiger Fremdtäuschung zum Vorteil bestimmter (Herrschafts-)Gruppen mit gleichzeitiger öffentlicher Geltungssteigerung der Intellektuellen. Humanitarismus im Sinne Gehlens ist eine Form des übersteigerten Humanismus, die kein überzeugter Humanist ernsthaft vertreten würde.
Trotzdem ist der Begriff kein "Strohmann", denn entsprechende moralische Forderungen gibt es ja wirklich. Wenn auch eher selten seitens der von Gehlen gescholtenen Intellektuellen, als eher aus dem Lager religiöser oder ideologischer Fanatiker.
MMarheinecke - Donnerstag, 8. Dezember 2011
1. Es zählt die gute Absicht, unabhängig von den Konsequenzen der dadurch intendierten Taten. (Gesinnungsethik)
2. Es zählt das Ergebnis, unabhängig von den verfolgten Absichten. (Handlungsethik)
Andere Begriffspärchen mit eigentlich derselben Bedeutung wären deontologische vs. konsequentialistische Ethik usw. usf.
Kant mit seiner Pflichtethik und dem Kategorischen Imperativ zählt zur ersten Gruppe, der Utilitarismus zur zweiten. Deine Hypermoral ebenfalls zur ersten.