Rauschmittel Kaffee?

Jedenfalls könnte man das angesichts der Überschrift dieser Meldung auf dem Wissenschaftsportal spektrum.de vermuten: Halluzinogener Kaffee.

Wie bei solchen Meldung nicht unüblich, entpuppt sich die vermeintlich heiße Neuigkeit beim näheren Hinsehen als ziemlich kalter Kaffee: Simon Jones von der Durham University und seine Kollegen befragten 200 Studenten zu ihrem täglichen Konsum von Kaffee, Tee, Schokolade oder Koffeintabletten. Anschließend sollten die Probanden Angaben über halluzinatorische Erlebnisse machen. Dabei zeigte sich eine klare Korrelation: Wer viel Koffein zu sich nahm, halluzinierte öfter.

Damit gibt es strenggenommen nicht den geringsten Hinweis darauf, dass das Koffein selbst halluzinogen wirken würde. Jones selbst vermutet einen indirekten Effekt, der durch die stimulierende Wirkung des Koffeins hervorgerufen wird, sein Kollege Charles Fernyhough ist hingegen der Ansicht, dass Studenten mit Neigung zur Halluzinationen einfach mehr Kaffee trinken würden.

Pseudo-Halluzinationen (d. h. Sinnestäuchungen, bei denen sich der Betroffen klar darüber ist, dass es Sinnestäuschungen sind) sind sehr viel weiter verbreitet, als allgemein angenommen wird. Sie könnten für kreatives Denken wichtig sein - viele bekannte Künstler, Philosophen, Wissenschaftler und Schriftsteller neigen zu Pseudo-Halluzinationen, oder anders ausgedrückt, Visionen.

Dennoch darf man gespannt sein, in welcher Form die "Sensation" durch die Medien laufen wird. Denn bei "Halluzinogen" denken die meisten Menschen sofort an so potente Drogen wie LSD, und bei LSD an ein ganz, ganz übles Rauschgift. Was man bekanntlich auch ganz
anders sehen kann.

Nachtrag: Man kann sich auch online an der Untersuchung beteiligen: caffeine questionnaire. Ich habe das getan, und doch erhebliche Lücken im Fragenkatalog festgestellt, z. B. gibt es keine Fragen nach sonstigem Drogengebrauch. Bei einigen Fragen habe ich den Eindruck, dass jemand, der oder die nur eine lebhafte Phantasie hat und gut visualisieren kann, als "tendenziell halluzinierend" eingeordnet wird. Andererseits sind die Fragen, mit denen offensichtlich eine paranoide Haltung aufgespürt werden soll, so offensichtlich, dass sie kein halbwegs intelligenter Paranoiker wahrheitsgemäß beantworten dürfte ;-)
Für eine Studie, die im Rahmen der psychologischen Fakultät einer renommierten Universität läuft, ist der Fragenkatalog meines Erachtens erschreckend schlecht durchdacht - selbst wenn es ein Studentenprojekt sein sollte (worauf es keine Hinweise gibt).
Gregor Keuschnig - 14. Jan, 12:04

Klarer Fall für Frau Bätzing, oder?

MMarheinecke - 15. Jan, 15:20

Was qualifiziert die Frau eigentlich zur Drogenbeauftragten der Bundesregierung?

Naiverweise nahm ich an, dazu bedürfe es besonderer Fachkenntnis (z. B. Psychologin oder Psychiaterin, jeweils mit Erfahrung in Drogentherapie - vielleicht auch Pharmakologin mit Spezialgebiet "Drogen" - oder auch Sozialpädagogin, die in der Drogenberatung gearbeitet hat) und bzw. oder besonderer Lebenserfahrung (z. B. selbst Junkie gewesen, nun clean - oder: Sozialarbeit in Problemstadteilen mit viel Kontakt zu Junkies / Alkies).

Die gute Frau Bätzing ist aber Diplomverwaltungswirtin. Sie war zwei Jahre lang Sachbearbeiterin im Sozialamt, wo sie eventuell mit der Problematik in Kontakt kam - sonst finde ich nirgendwo Hinweise auf besondere Fachkenntnisse oder Erfahrungen.

Mögliche Erklärung: das Thema "Drogen" ist für sie eine Art Hobby. Weil sie sich regelmäßig zum diesem Thema zu Wort meldete, hielt man sie schließlich für jemanden, der sich in der Sache sachkundig engagiert ...
Gregor Keuschnig - 15. Jan, 16:29

Politiker übernehmen häufig Aufgaben, für die sie nicht formal qualifiziert sind. Das Gros ihrer Aufgabe ist Verwaltungsarbeit. Beim Job des Drogenbeauftragten kommt noch eine gewisse Gesinnung dazu.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte ist ja auch erst seit einigen Jahren in diesem Metier tätig (immerhin). Der Verteidigungsminister ist Jurist (und Weinbauer), der Bundesumweltminister ist Lehrer, der Bundeswirtschaftsminister hat mal eine Firma geführt. Der Bundesfinanzminister ist immerhin Dipl.-Volkswirt.

Mit der Bedeutung der Aufgaben schwinden offensichtlich die Kriterien für die Formalqualifikationen. Das konnte man in den 50er/60er Jahren noch demografisch begründen - heute zieht das nicht mehr. Inzwischen scheint eine praktische Erfahrung eher hinderlich zu sein. Die Posten werden wie Erbhöfe innerhalb der Parteien verteilt.

(Frau Bätzing hat, wenn sie keinen großen Fehler macht, hervorragende Karrieraussichten. Hinderlich ist nur, daß sie in der SPD ist, die nach der verlroenen Wahl im Herbst in einer Umstrukturierung stecken wird. Ihre paternalistische Ader passt aber wunderbar zu der "neuen" Wowereit-SPD. Oder sie geht als Lobbyistin in die Wirtschaft.)
MMarheinecke - 15. Jan, 16:49

Bei Ministern kann ich das noch irgendwo nachvollziehen

dass sie nicht unbedingt fachlich fit sein müssen - dafür haben sie ja "ihre Leute". Die Zeit eines Politikers sollte zu kostbar für Details sein - aber auch zu kostbar für reinen Verwaltungskram.
Eine Drogenbeauftragte gehört aber eindeutig zu den "Zuarbeitern", den "Leuten" der Bundesgesundheitsministerin - die müssen zwar auch nicht "vom Fach" sein, aber wenigstens wissen, was sie da empfehlen / propagieren. Genau diesen Eindruck habe ich bei Frau Bätzing nicht. Das Einzige, was sie wirklich qualifiziert, ist ihr beinahe missionarischer Eifer - oder wie Du sagst, die Gesinnung.

Sicher hat die Frau Zukunft. Sie hat ein Direktmandat (also eine gewisse Basis), sie hat (manchmal) Charme, sieht gut auf Wahlplakaten aus, ist noch ziemlich jung, spielt aber schon jetzt das Spiel mit dem Beschwören von Gefahren (bei real besser werdenden Verhältnissen) fast so gut wie "alte Hasen" wie Schäuble.
Gregor Keuschnig - 15. Jan, 18:42

Qualifikation von Frau B.:

Mitglied AWO, ver.di, Kinderschutzbund Altenkirchen e.V., Trotzdem e. V. Neuwied, Tierschutzverein Altenkirchen e.V., Müllkinder von Kairo e.V., Neuwied

Soweit zum missionarischen Eifer.

Wichtig für die Karriere ist auch:
ZDF, Mainz, Mitglied des Fernsehrates

---

Mir fällt da noch der Wehrbeauftragte des Bundestages, Herr Robbe ein. Der absolvierte Mitte der 70er Jahre seinen Zivildienst. Eine ehrenwerte Sache, zweifellos. Wer die Zeit kennt weiß, dass das nicht einfach war (Prüfung).
ryuu - 14. Jan, 15:57

mir fällt da eine profane Erklärung ein

sofern diese Studie das nicht untersucht:
Warum konsumiert man Koffein- bzw. Teeinhaltiges und Schokolade? Schlafmangel zu kompensieren, ist neben dem Geschmack sicher ein weitverbreitetes Motiv, gerade unter Studenten. Ich habe unausgeschlafen immer eher eine Neigung zu verschrobenen Sinneswahrnehmungen als ausgeschlafen (und das egal, ob ich die Müdigkeit nun mit mehr oder weniger Kaffee kompensiere; allerdings bin ich auch eine Kaffeetante, d.h. ich trinke sehr gern Kaffee, ob ich nun wenig oder ausreichend geschlafen habe). Mich würde da mal interessieren, ob diese Korrelation Koffeineinnahme zu Sinnestäuschungen irgendwelche Verschiebungen zeigt, was Schlafmangel bzw. Ausgeschlafensein betrifft.

MMarheinecke - 15. Jan, 07:10

Gut beobachtet!

Das ist Teil der Argumentation von Charles Fernyhough, einem Kritiker der Studie.
Ob bei der Korrelation Koffeineinnahme zu Sinnestäuschungen auch der Schlafmangel / Ausgeschlafensein untersucht wurden, geht aus den Angaben auf der Website der Durham University nicht hervor.

Nachtrag: nachdem ich das "caffeine questionnaire" durchgearbeitet habe - es gibt Fragen nach Müdigkeit, aber keine nach Schlafmangel.
Bodecea - 14. Jan, 16:02

Ist doch ganz klar - die ganzen dauerbekifften Studis brauchen morgens erst mal drei Liter Kaffee, um in den Hörsaal schlurfen zu können, während die braven asketischen Studis höchstens einen coffeinfreien Yogi-Tee schlürfen. ;-).

Ja, sollte man mal Frau Bätzing sagen, der unglaublich souverän und fachlich fundiert wirkenden Drogenexpertin der Regierung, die verbietet Kaffee sofort... (wah, die Frau hab ich ja so gefressen).

Bodecea

MMarheinecke - 15. Jan, 07:17

Hoffentlich macht mal jemand eine Studie über das psychotrope Potenzial des Bienenhonigs

Dann tritt die Bätzing, die sich nach eigenen Angeben gern mit Honigmilch entspannt, sicher sofort zurück Zunge raus

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