In der Kürze ...

"Es ist nicht schwer, zu komponieren, aber es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen."
Johannes Brahms spricht mir aus der Seele. Als Schreiber kommt mir der Vorgang sehr bekannt vor: ich verbringe regelmäßig mehr Zeit damit, meine Texte zu kürzen, als darauf, sie zu schreiben.

So schwierig das Kürzen auch ist - es ist relativ einfach, unnötig lange Worte zu vermeiden. Überflüssige Silben machen Texte schwerfällig und halten den Lesefluss auf. Das gilt vor allem für das umständliche Bürokratendeutsch, das leider sogar auf journalistische Texte abfärbt.
Warum oft z. B. vom "Gefahrenpotenzial" statt von "Gefahr" die Rede ist, kann ich noch nachvollziehen: Es klingt einfach "gehobener". Schwulst, Angebersprache, wenn man so will.
Aber warum "eine Überweisung tätigen", wo man einfach "überweisen" kann? Warum "Stillschweigen bewahren" - wo man einfach schweigen kann? "Ich bejahe diese Fragen ganz entschieden mit Ja".

Nicht nur überflüssig, sondern falsch sind "Rückantwort" statt "Antwort" oder "Unkosten" statt "Kosten". Von der üblichen Bedeutung der Vorsilbe "un-" her müssten "Unkosten" das Gegenteil von "Kosten" sein.

Aber vielleicht würde bei einer klaren, knappen und einfachen Sprache auffallen, wie wenig viele Journalisten, "Experten" und vor allem Politiker wirklich zu sagen haben.
Klaus Jarchow (Gast) - 25. Nov, 09:00

Sprachliche 'Dickschiffe' sind bei Schreibern so etwas wie hohe Hacken unter Cowboy-Stiefeln. Sage ich Gebe ich jetzt hier einfach mal zu bedenken ...

Köppnick - 25. Nov, 19:45

So an seinen Texten zu arbeiten, ist unsagbar schwierig. Wenn man es nicht gelernt hat, bemerkt man es häufig nicht mal. Man "fühlt" nur, dass manche Texte besser klingen als andere. Lehrmaterial gibt es jede Menge, aber man müsste sich unablässig damit befassen...

Talakallea Thymon - 28. Nov, 13:03

Das Präfix un- hat nicht nur negierende, sondern auch steigernde Funktion, wie beispielsweise aus Unwetter und Unmenge erhellt.

Ein anderes schönes Bonmot über die Schwierigkeit, gute Texte zu verfassen, wird Thomas Mann zugesprochen:
"Ein Schriftsteller ist jemand, dem das Schreiben schwerfällt."

MMarheinecke - 28. Nov, 16:07

Das mannsche Bonmot trifft es genau.

Die steigernden Wirkung von "un-", wie "Unmenge" ist eher umgangssprachlich. "Un-" wie in "Unwetter", "Unmensch", "Untier" waren, soviel ich weiß, ursprünglich keine Steigerungen, sondern Vorsilben, die dem Stammwort eine negative Bedeutung gaben: schlechtes Wetter, schlechte Menschen, schlechte Tiere.
Aber auch "Unkosten" haben weder den Sinn "sehr große Kosten" noch "schlechte Kosten". Das Wort könnte einfach der Buchhalter-Fachsprache entlehnt sein, ohne das die Entlehner den sachlichen Zusammenhang berücksichtigten: nur Aufwendungen, die mit dem Betriebszweck zu tun haben, sind buchhalterisch "Kosten", alles andere sind "sonstige Aufwendungen". Betriebswirtschaftlich gesehen gibt es keine Un-Kosten, es existieren ausschließlich Kosten.
Köppnick - 28. Nov, 18:49

Es gibt auch Wörter, die beide Bedeutungen haben und sich die Interpretation erst aus dem Kontext ergibt, Untiefe zum Beispiel. Seit in einem Kinderbuch mal ein Ungeheuer in der Untiefe auf die Seeleute lauerte, war es für mich dort dunkel, kalt und eben tief. Aber später setzte in einem anderen Buch ein Schiff an einer Untiefe mit seinem Rumpf auf.

"Un" als Steigerungsform ist eher umgangssprachlich, als Verneinung mehr hochsprachlich. In dieses Schema passen dann auch Unkosten, Untiere, Unmenschen und ~mengen. Unwetter ist sowohl in der einen als der anderen Interpretation eigentlich Nonsens, denn Wetter ist immer, kann weder verstärkt noch negiert werden.

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