Ich schätze Politiker, die Klartext reden

... die unmissverständlich sagen, was sie denken und was sie von Demokratie und Bürgerrechten wirklich halten.

Zum Beispiel Hans-Peter Uhl (CSU). Der sagt, was Sache ist und was er von Demokratie und Bürgerrechten wirklich hält:
"Mit diesem linken Gerülpse aus Sachsen lässt sich doch nichts anfangen."
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hans- Peter Uhl (CSU), in der "taz" zur Ablehnung des BKA-Gesetzes durch die sächsische SPD
tagesschau.de

Nachtrag: Ähnlich deftig-deutlich ist sein Parteifreund, der bayerische Innenminister Joachim Herrmann:
Es wäre eine Katastrophe für die Innere Sicherheit in Deutschland, wenn das BKA-Gesetz scheitern würde", sagte Herrmann der PNP. Alle, die das Gesetz jetzt blockierten, "müssen sich bewusst sein, dass sie im Fall eines Terroranschlages möglicherweise ein Stück Mitschuld auf sich laden."
pnp.de

Das aktuelle Gegenbeispiel ist Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU). Die behauptet gegenüber dem Hamburger Abendblatt:
Es gibt eine riesige Dunkelziffer. Es wird immer mehr über kommerzielle Websites verbreitet. Da werden Millionenbeträge verdient. Pornografische Videos, auf denen Kinder gequält und gefoltert werden, werden allein in Deutschland bis zu 50000-mal im Monat heruntergeladen.
Das wird schon seit Jahren behauptet. Aber es wird durch die Wiederholung nicht richtiger. Von hinten angefangen: die Zahl der Downloads von kinderpornographischen ist reine Mutmaßung, denn woher sollten die Ermittler das wissen? Die (kläglichen) Ergebnisse z. B. Operation Himmel - tausende Verdächtige, hunderte beschlagnahmte PC, praktisch keine Verdächtigen, bei denen es auch nur zur Anklage gereicht hätte, und es keine Verurteilungen - deuten in eine andere Richtung (hierzu bei Udos Lawblog: Aktion Himmel: Keine Verurteilungen, aber ein Erfolg).
Ebenso die erfreuliche Tatsache, dass Sexualdelikte gegenüber Kindern seit Jahren rückläufig sind und die Aufklärungsquote im Vergleich zu ähnlichen Straftaten sehr hoch ist (nachzulesen u. A. bei der Polizei NRW). "Kommerzielle Websites"? Kinderpornographie ist überall verboten. Daher kann ein Anbieter, der so dumm wäre, Kinderpornos auf einer Website anzubieten (was etwa mit einem Bankräuber vergleichbar wäre, der am Tatort seinen Personalausweis liegen ließe, denn eine Website kann nicht anonym sein), ohne weiteres belangt werden. Deshalb gibt es gar keine Kinderporno-Websites. Es geht bei "Kinderpornographie im Internet" um IRC oder um Filesharing.
Wir schließen die Datenautobahn der Kinderpornografie. Das BKA erstellt Listen der kinderpornografischen Websites.
Wenn es die gäbe, könnte jeder normale Besitzer eines Computers, der online gehen kann, zumindest den technisch Verantwortlichen binnen weniger Minuten ohne zusätzliche Software ausfindig machen. Womit man sich das Listen-Erstellen sparen und gleich den Staatsanwalt einschalten könnte. Aber weiter:
Jetzt sollen die Zugangsanbieter gesetzlich verpflichtet werden, die Listen zu beachten und solche Websites unverzüglich zu schließen. Der Kunde klickt an und läuft ins Leere – kein Anschluss unter dieser Nummer. Das ist technisch möglich, und es ist rechtlich möglich.
Im Klartext fordert sie also eine Art Zensur wie sie schon in Nordrhein-Westfalen in Hinblick auf Neonazi-Websites praktiziert wird: Die Regierung gibt den Providern vor, welche IP-Adressen zu sperren sind. Das Dumme ist nur, dass solche Sperren leicht zu umgehen sind. Die einzige Methode, die wirklich funktionieren würde, wäre eine Sperre mittels eines Zwangsproxys. Damit hätte wir aber ein "gleichgeschaltetes" Internet mit nahezu unbegrenzten Zensurmöglichkeiten.
Ich weiß nicht, ob die Ministerin sich dessen bewusst ist oder ob sie selbst manipuliert wird. Aus Bürgersicht ist das egal: gequälte Kinder werden instrumentalisiert, um Zensurmaßnahmen durchzudrücken.

In das selbe Horn stieß Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU): Glos will Gesetze gegen Internet-Kriminalität verschärfen. Er äußerte das auf dem "3. nationalen IT-Gipfel" in Darmstadt.

Aber auch dort gibt es Menschen, die Klartext reden. Wie der Präsident des Branchenverbandes BITKOM, August-Wilhelm Scheer:
Um die Branche zusätzlich zu beleben, forderte Scheer die beschleunigte Einführung eines elektronischen Personalausweises und einer elektronischen Gesundheitskarte. Dies biete der IT-Branche nicht nur ein Investitionsvolumen von rund acht Milliarden Euro, sondern sei bürgerfreundlicher und spare auch der öffentlichen Hand Kosten.

Nachtrag: Netzpolitik-Interview: Alvar Freude über Netzsperrungen.

Kindesmissbrauch: Zweifel an Leyens Internet-Sperren (Zeit-online)
Björn (Gast) - 21. Nov, 14:47


MMarheinecke - 21. Nov, 17:39

Wenn Du mich fragst: er ist es nicht. Schon lange nicht mehr.

Die Grünen forderten indirekt Schäubles Rücktritt: "Dieser Minister hat entweder die Demokratie nicht verstanden, oder er will sie abschaffen", sagte Fraktionschefin Renate Künast. "In beiden Fällen ist er als Innenminister untragbar."
(Und wenn Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus weiterhin Schäuble den Rücken stärkt, dürften die Tage der sowieso schon arg in allen Nähten krachenden Schwarz-Grünen-Koalition in Hamburg gezählt sein. Mir soll's recht sein.)
Björn (Gast) - 21. Nov, 19:04

Aber die Grünen sind im Bund eine Oppositionspartei, von denen wird das erwartet.

Dass aus der CDU keiner Schäuble kritisieren will, geschenkt, "Sicherheit um jeden Preis" ist da halt teil der Parteiidentität. Aber es muss doch den ein oder anderen SPDler im Bundestag geben (auch auf der A-Liste) der sich dem Murks mal in den Weg stellt und Widerspruch einlegt und die ideologische Qualifikation des Mannes für diesen Posten in Frage stellen. Stattdessen nehmen alle schön den Kopf runter und laufen blind der Position des anderen Chefideologen Wiefelspütz nach, der es sogar schaffen könnte Schäuble noch rechts zu überholen. Die Hauptkritik an Schäubles Irsinn scheint ja außerparlamentarisch vom ollen Baum auszugehen.

Und das muss sich ja fundamental ändern. Sonst wird Schäuble irgendwann gebauernopfert und einfach durch den nächstbesten Überzeugungstäter ersetzt.

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