"Verteidiger des Glaubens" gegen Pappdrachen
Ein Pappdrache ist ein Geschöpf, das die Eigenschaften eines
Papiertigers und eines Strohmannes in sich vereint.
Oder anders ausgedrückt: eine selbst erfundene, dem Gegner zugeschriebene, Bedrohung, der man "mutig" entgegentritt.
Ein Pappdrache gegen den hochrangige Kirchenvertreter wie der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper anrennen wie der heilige Georg gegen den Drachen, wird "agressiver missionarischer Atheismus" genannt.
Was diese Kirchenvertreter im heiligen Zorn erbeben lässt, ist „Die Provokation der neuen Atheisten“, wie sie Philosoph Prof. Dr. Holger Zaborowski bei einem Vortrag an der Katholische Akademie des Bistums Trier nannte. (Das Bistum Trier trägt zufälliger- und passenderweise das Georgskreuz im Wappen.). Gemeint ist die Wiederkehr der Religionskritik, beziehungsweise die für eine bestimmte Sorte Christen offensichtlich als bedrohlich wahrgenommen religionskritischen Bestseller von Richard Dawkins, Edward O. Wilson oder Christopher Hitchens. Zaborowski meint, dass das Niveau der "neuen Atheisten" (zu denen er auch den Deutschen Michael Schmidt-Salomon zählt) oft wesentlich niedriger als bei den Klassikern wie Marx oder Feuerbach sei. Es gäbe eigentlich keine neuen Argumente, und das Weltbild des neuen Atheismus sei sehr einfach.
In dieser Einschätzung kann ich Professor Zabrowski nur zustimmen. Der Hauptgegner der ach so bösen "neuen Atheisten" ist der christliche Fundamentalismus, eine Glaubensauffassung, die in Deutschland eher wenige Anhänger hat. Im übrigen ist die Kritik etwa des "neuen Atheisten" Dawkins trotz einiger polemischer Spitzen vergleichsweise zahm. Wenn ich Dawkins "Gotteskomplex" und Karlheinz Deschners "Kriminalgeschichte des Christentums" vergleiche, dann habe ich den Eindruck, dass schon schon ein Kapitel im "Deschner" mehr scharfe und treffende Kritik am "christlichen Weltbildes" enthält als der ganze "Dawkins".
Ich schließe daraus: eine reale Bedrohung für die großen Kirchen und ihr Weltbild geht von den "neuen Atheisten" eher nicht aus.
Trotzdem blasen Kirchenfürsten wie Bischof Gerhard Ludwig zur Attacke gegen den atheistischen (Papp-)Drachen:
'Wo Gott geleugnet wird, fällt Menschenwürde', wobei er seine rhetorische Lanzenspitze nicht nur gegen Dawkins richtet, sondern auch gegen ein Bilderbuch für Kinder: "Wo bitte geht's zu Gott? fragte das kleine Ferkel" von Michael Schmidt-Salomon. Darin werde das Bild vermittelt, dass sich alle, die an einen Gott glauben, auf dem Niveau eines Schweines befänden. Wie der gute Bischof zu diesem Schluss kam, ist mir rätselhaft, denn das steht nicht im "Ferkelbuch" und zwar auch nicht "zwischen der Zeilen" oder als "versteckte Botschaft". Ich habe den unguten Eindruck, dass der Bischof Ludwig es bei seiner Philippika gegen die Atheisten nicht immer mit dem 8. Gebot (nach katholischer Zählweise) so genau nimmt.
Der christliche Glaube habe Zeiten überdauert, so Ludwig, in denen ein aggressiver Atheismus wie Nationalsozialismus und Kommunismus herrschte. Nun, die Nazis waren aggressiv, aber, von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, keine Atheisten. (Und die mit ganz wenigen löblichen Ausnahmen bestenfalls opportunistische, in schlechteren Fall eifrig mitmachende Haltung der katholischen Christen im Nationalsozialismus ist wahrlich kein Ruhmesblatt.) Nun gibt es bekanntlich neben der religiösen (oder antireligiösen) Rechtfertigung eines Herrschaftssystems noch eine Vielzahl weitere politische, ökonomische, kulturelle usw. usw. Faktoren, die ein Regime prägen. Zudem können fanatisierte Anhänger einer "materialistische" Pseudoreligion genau so verheerend wirken wie "echte" Glaubenskrieger und "Kreuzritter".
Atheismus sei aber auch heute noch präsent, meint de Bischof, teils werde er – wie im Falle des Buches "Gotteswahn" von Richard Dawkins - wissenschaftlich getarnt. Womit Ludwig den Bogen von Stalin, Mao oder Hitler zum pazifistisch gesonnenen Biologen Dawkins geschlagen hätte. Dawkings "tarnt" seinen Atheismus auch nicht als Wissenschaft, sondern trennt deutlich die Forschungsergebnisse der Evolutionsbiologie von den in der Tat atheistischen Konsequenzen, die er daraus zieht.
Wie viele Apologeten setzt sich Bischof Ludwig mit Behauptungen auseinander, die niemand aufgestellt hat - jedenfalls nicht die "neuen Atheisten":
Sogar Kindstötungen stellten nach dieser völlig amoralischen Sichtweise (dem Atheismus) kein Verbrechen dar, weil der Mensch keinen freien Willen habe und nur von seinen Genen gesteuert handle. Der Mensch dürfe niemals Mittel zum Zweck werden, meint der Bischof, Menschen dürfen niemals als bloßes Biomaterial missbraucht werden nach dem Motto: Das Recht ist immer auf der Seite des Stärkeren. So, als ob irgend eine prominenter neuer Atheist wirklich solche Ansichten vertreten würde. Und weiter: Die Einsicht, dass jeder einzelne Mensch eine unveräußerliche Menschenwürde besitze, rühre vom christlichen Menschenbild. Interessant, denn immerhin gründet sich der "neue Atheismus" auf das säkulare Vernunftdenken der Aufklärung, das sich wiederum auf die vom Gottesglauben freie ethische Traditionen der antiken Philosophie beruft. Sie entstanden lange, bevor Paulus das Christentum auch unter Rückgriff auf die Ethik der griechischen Stoiker schuf. Auch dürfte dem Geistlichen nicht unbekannt sein, dass die Vorstellung der Gleichheit aller Menschen vor Gott und der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz im Judentum schon spätestens seit dem Ende des "babylonischen Exils" im 6. Jahrhundert vor Christus tief verankert war.
Die Argumentation gegen den Atheismus läuft bei Ludwig wie den meisten "neuen Apologeten" darauf hinaus, dass ohne den Glauben an einen allmächtigen, allwissenden und strafenden Gott - der Mensch zu moralisch angemessenem Verhalten unfähig sei. (Siehe z. B. Die Lehre von der Hölle ist letzte Warnung auf dem konservativ-katholischen KATH.NET.) Die scheinbar gemäßigtere und intellektuell anspruchsvolleren Variante diese "Argumentes" ist, dass ohne transzendente Letztbegründung (die für die christliche Apologeten selbstverständlich mit der "göttlichen Offenbarung" identisch ist) kein moralischen Handeln möglich wäre.
Diese Sichtweise ignoriert wesentliche Traditionen der Geistesgeschichte, sondern denunziert zugleich auch alle Menschen, darunter auch durchaus religiöse und hochgradig spirituell gesonnene, deren Ethik und Moral nicht von "Gottesfurcht" bestimmt wird. Damit wird auch - mindestens - einem Drittel der Deutschen de facto moralisches Denken und Handeln abgesprochen.
Papiertigers und eines Strohmannes in sich vereint.
Oder anders ausgedrückt: eine selbst erfundene, dem Gegner zugeschriebene, Bedrohung, der man "mutig" entgegentritt.
Ein Pappdrache gegen den hochrangige Kirchenvertreter wie der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper anrennen wie der heilige Georg gegen den Drachen, wird "agressiver missionarischer Atheismus" genannt.
Was diese Kirchenvertreter im heiligen Zorn erbeben lässt, ist „Die Provokation der neuen Atheisten“, wie sie Philosoph Prof. Dr. Holger Zaborowski bei einem Vortrag an der Katholische Akademie des Bistums Trier nannte. (Das Bistum Trier trägt zufälliger- und passenderweise das Georgskreuz im Wappen.). Gemeint ist die Wiederkehr der Religionskritik, beziehungsweise die für eine bestimmte Sorte Christen offensichtlich als bedrohlich wahrgenommen religionskritischen Bestseller von Richard Dawkins, Edward O. Wilson oder Christopher Hitchens. Zaborowski meint, dass das Niveau der "neuen Atheisten" (zu denen er auch den Deutschen Michael Schmidt-Salomon zählt) oft wesentlich niedriger als bei den Klassikern wie Marx oder Feuerbach sei. Es gäbe eigentlich keine neuen Argumente, und das Weltbild des neuen Atheismus sei sehr einfach.
In dieser Einschätzung kann ich Professor Zabrowski nur zustimmen. Der Hauptgegner der ach so bösen "neuen Atheisten" ist der christliche Fundamentalismus, eine Glaubensauffassung, die in Deutschland eher wenige Anhänger hat. Im übrigen ist die Kritik etwa des "neuen Atheisten" Dawkins trotz einiger polemischer Spitzen vergleichsweise zahm. Wenn ich Dawkins "Gotteskomplex" und Karlheinz Deschners "Kriminalgeschichte des Christentums" vergleiche, dann habe ich den Eindruck, dass schon schon ein Kapitel im "Deschner" mehr scharfe und treffende Kritik am "christlichen Weltbildes" enthält als der ganze "Dawkins".
Ich schließe daraus: eine reale Bedrohung für die großen Kirchen und ihr Weltbild geht von den "neuen Atheisten" eher nicht aus.
Trotzdem blasen Kirchenfürsten wie Bischof Gerhard Ludwig zur Attacke gegen den atheistischen (Papp-)Drachen:
'Wo Gott geleugnet wird, fällt Menschenwürde', wobei er seine rhetorische Lanzenspitze nicht nur gegen Dawkins richtet, sondern auch gegen ein Bilderbuch für Kinder: "Wo bitte geht's zu Gott? fragte das kleine Ferkel" von Michael Schmidt-Salomon. Darin werde das Bild vermittelt, dass sich alle, die an einen Gott glauben, auf dem Niveau eines Schweines befänden. Wie der gute Bischof zu diesem Schluss kam, ist mir rätselhaft, denn das steht nicht im "Ferkelbuch" und zwar auch nicht "zwischen der Zeilen" oder als "versteckte Botschaft". Ich habe den unguten Eindruck, dass der Bischof Ludwig es bei seiner Philippika gegen die Atheisten nicht immer mit dem 8. Gebot (nach katholischer Zählweise) so genau nimmt.
Der christliche Glaube habe Zeiten überdauert, so Ludwig, in denen ein aggressiver Atheismus wie Nationalsozialismus und Kommunismus herrschte. Nun, die Nazis waren aggressiv, aber, von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, keine Atheisten. (Und die mit ganz wenigen löblichen Ausnahmen bestenfalls opportunistische, in schlechteren Fall eifrig mitmachende Haltung der katholischen Christen im Nationalsozialismus ist wahrlich kein Ruhmesblatt.) Nun gibt es bekanntlich neben der religiösen (oder antireligiösen) Rechtfertigung eines Herrschaftssystems noch eine Vielzahl weitere politische, ökonomische, kulturelle usw. usw. Faktoren, die ein Regime prägen. Zudem können fanatisierte Anhänger einer "materialistische" Pseudoreligion genau so verheerend wirken wie "echte" Glaubenskrieger und "Kreuzritter".
Atheismus sei aber auch heute noch präsent, meint de Bischof, teils werde er – wie im Falle des Buches "Gotteswahn" von Richard Dawkins - wissenschaftlich getarnt. Womit Ludwig den Bogen von Stalin, Mao oder Hitler zum pazifistisch gesonnenen Biologen Dawkins geschlagen hätte. Dawkings "tarnt" seinen Atheismus auch nicht als Wissenschaft, sondern trennt deutlich die Forschungsergebnisse der Evolutionsbiologie von den in der Tat atheistischen Konsequenzen, die er daraus zieht.
Wie viele Apologeten setzt sich Bischof Ludwig mit Behauptungen auseinander, die niemand aufgestellt hat - jedenfalls nicht die "neuen Atheisten":
Sogar Kindstötungen stellten nach dieser völlig amoralischen Sichtweise (dem Atheismus) kein Verbrechen dar, weil der Mensch keinen freien Willen habe und nur von seinen Genen gesteuert handle. Der Mensch dürfe niemals Mittel zum Zweck werden, meint der Bischof, Menschen dürfen niemals als bloßes Biomaterial missbraucht werden nach dem Motto: Das Recht ist immer auf der Seite des Stärkeren. So, als ob irgend eine prominenter neuer Atheist wirklich solche Ansichten vertreten würde. Und weiter: Die Einsicht, dass jeder einzelne Mensch eine unveräußerliche Menschenwürde besitze, rühre vom christlichen Menschenbild. Interessant, denn immerhin gründet sich der "neue Atheismus" auf das säkulare Vernunftdenken der Aufklärung, das sich wiederum auf die vom Gottesglauben freie ethische Traditionen der antiken Philosophie beruft. Sie entstanden lange, bevor Paulus das Christentum auch unter Rückgriff auf die Ethik der griechischen Stoiker schuf. Auch dürfte dem Geistlichen nicht unbekannt sein, dass die Vorstellung der Gleichheit aller Menschen vor Gott und der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz im Judentum schon spätestens seit dem Ende des "babylonischen Exils" im 6. Jahrhundert vor Christus tief verankert war.
Die Argumentation gegen den Atheismus läuft bei Ludwig wie den meisten "neuen Apologeten" darauf hinaus, dass ohne den Glauben an einen allmächtigen, allwissenden und strafenden Gott - der Mensch zu moralisch angemessenem Verhalten unfähig sei. (Siehe z. B. Die Lehre von der Hölle ist letzte Warnung auf dem konservativ-katholischen KATH.NET.) Die scheinbar gemäßigtere und intellektuell anspruchsvolleren Variante diese "Argumentes" ist, dass ohne transzendente Letztbegründung (die für die christliche Apologeten selbstverständlich mit der "göttlichen Offenbarung" identisch ist) kein moralischen Handeln möglich wäre.
Diese Sichtweise ignoriert wesentliche Traditionen der Geistesgeschichte, sondern denunziert zugleich auch alle Menschen, darunter auch durchaus religiöse und hochgradig spirituell gesonnene, deren Ethik und Moral nicht von "Gottesfurcht" bestimmt wird. Damit wird auch - mindestens - einem Drittel der Deutschen de facto moralisches Denken und Handeln abgesprochen.
MMarheinecke - Samstag, 31. Mai 2008
ohne viel lesen....
als gäbe es keine kluge, nachdenkliche spiritualität. und das wäre mir, so dawkins das so beschreibt, zu einseitig. wie gesagt, ich kenne nicht das buch, sondern nur den wikipedia-artikel.
andereseits verstehe ich ihn auch. dawkins geht in bester humanistischer manier davon aus, das es kein (hypothetisches) höheres wesen als den menschen gibt - was, in letzter konsequenz, dazu führen sollte, das menschen einander wertschätzen. ich meine, ist doch klar, das man die höchste lebensform "an sich" schon wertschätzt, und da es nichts höherwertiges gibt, man sie deshalb auch nicht einem "höheren ziel" opfern darf/kann.
da aber alles mögliche ein sogenanntes "höheres ziel" sein kann, ist es unerheblich, wer diese hypothese benutzt - ob religion oder wissenschaft. im namen des "höheren zieles" der wissenschaft ist auch schon gemordet worden. ich erinnere nur an die nazis, die aus evolutionstheoretischen erwägungen verschieden "hochwertige" menschen postuliert haben. als wäre ein behinderter weniger "wert" als eine blonde kampfmaschiene, oder ein jüdischer wissenschaftler weniger als ein "arischer" gemüsebauer.
und eben deswegen, denke ich, muss gegenseitiger respekt und eine gesunde balance zwischen den verschiedenen utopien, was denn ein "höheres ziel" sein soll, herrschen. sozusagen ein "konflikt der ideale".
irgendwie schade, das beide seiten sich da nicht unterhalten können, ohne gleich in vorwurfsvolles geschrei zu verfallen. andererseits ists immer wieder nett, aus der sicht des unbeteiligten agnostikers das geschrei mit zu verfolgen.
Dawkins Aussagen zur Religion und Spiritualität tuen weh ...
Dawkins Grundhaltung ist philosophisch gesehen sehr elegant, denn er lehnt die Metaphysik - anders als die "Klotzmaterialisten" - keineswegs ab, aber beschränkt sich, ganz im Sinne der "Hypothesensparsamkeit" auf ein metaphysisches Konstrukt - die menschliche Vernunft. In gewisser Hinsicht steht er in Tradition Kants und ist unverkennbar vom "kritischen Rationalismus" Poppers geprägt.
Leider ist der Stil seiner Auseinandersetzung weniger elegant - er antwortet religiösen Fanatikern "in ihrer Sprache", was gegenüber allen nicht-fanatischen Religösen unfair ist, und sein sehr didaktischer Stil, der seine biologischen Sachbücher zurecht erfolgreich machte, lässt seine Religionskritik unnötig besserwisserisch wirken. Meine persönlicher Eindruck: manchmal ist der so charmante Dawkins ein arrogantes Arschloch.
Du erkennst da etwas, was sowohl einige "neue Atheisten" (Dawkins allerdings weniger) wie viele "Verteidiger des Glaubens" nicht wahr haben wollen: Dass es sozusagen "nicht-theistische Religionen" gibt, bei denen der Glaube an ein "höheres Ziel", an einen "Zweck, der alle Mittel heiligt", anstelle der "göttlichen Offenbarung" treten kann. Dabei ist es für die Opfer egal, ob das unanzweifelbare Glaubensobjekt und der Zweck, der die Mittel heiligt, die Wissenschaft, der Kommunismus, die deutsche Nation, die westliche Werte, die Würde der chinesischen Tradition oder was auch immer ist.
Die Kritiker, die den "neuen Atheisten" Wissenschaftsgläubigkeit vorwerfen, haben allerdings Unrecht - die "neuen Atheisten" sind sich des provisorischen Charakters jeder wissenschaftlichen Erkenntnis voll bewusst und vermeiden (soweit ich es überblicken kann) meistens sogar den berüchtigten "naturalistischen Fehlschluss", etwa dass "gut" mit "natürlich" gleichzusetzen sei. (Der "Sozialdarwinismus", aber auch die Rassenlehre der Nazis beruht auf einer besonders krassen Form des naturalistischen Fehlschlusses, man findet ihn allerdings auch z. B. bei Umweltschützern ("Ökologismus") und Tierrechtlern.)
Auf der Seite der "Glaubensverteidiger" kommt dazu die Unfähigkeit (oder der Unwillen) sich eine Religion, die keine Offenbarungsreligion ist, überhaupt vorzustellen - geschweige denn, nicht-religöse Spritualität für "voll" zu nehmen.
Das Problem dass ist prinzipieller Natur - und entspricht dem Problem beim "Dialog" zwischen verschiedenen Offenbarungsreligionen. Der Gläubige einer Offenbarungsreligion kann den übernatürlichen Bezug und die Offenbarung einer anderen Religion nie als wirklich gleichberechtigt anerkennen, da genau das den metaphysischen Kern seines eigenen Glaubens und übernatürlichen Bezuges relativieren und im Grunde beliebig austauschbar machen würde. (Das ist auch der Grund, weshalb der Vatikan den "Relativismus" als Hauptfeind des Katholizismus ansieht.) Die prinzipielle "Austauschbarkeit" religiöser Offenbarung, die wahre gegenseitige Anerkennung (und nicht etwa die bloße gegenseitige Toleranz) und die "übernatürliche Heiligkeit" einer Offenbarung schließen einander grundsätzlich aus.
Fatal ist dabei, dass der religiöse Glaube (im Sinne einer Offenbarungsreligion verstanden) völlig unabhängig von der weltlichen Vernunft existiert, dass also jede Kritik, die an die menschliche Vernunft appelliert, von einem Gläubigen so abperlt, wie etwa moslemische Kritik an der Dreifaltigkeitslehre an einem gläubigen Christen abperlt.
Es gibt also über eine oberflächliche Toleranz hinaus keinerlei "tiefe" Verständigung zwischen unterschiedlichen Offenbarungsreligionen (die durchaus "weltliche Religionen" sein können) und die Vernunft ist hier letztlich wirkungslos - selbst wenn es um das Schicksal der Menschheit selbst gehen sollte!
Deshalb hege ich große Sympatie für die humanistischen Ziele der "neuen Atheisten" - allerdings nur, solange der aufgeklärte Glaube an die Vernunft nicht (sozusagen dialektisch) in einen "Vernunftglauben" mit den Zügen einer Offenbarungsreligion umschlägt.
Dass die "neuen Atheisten" zumindest manchmal wie Anhänger einer Offenbarungsreligion agieren, könnte auch erklären, wieso gerade die "neuen Atheisten" zum "Pappdrachen" seitens eher konservativer Christen aufgebaut werden - denn diese neue atheistische "Bewegung" zeigt im Gegensatz zum üblichen, eher passiven und meistens relativistischen Atheismus, keinerlei Toleranz gegenüber der Religion. Damit geben sie ein "Feindbild" ab, das zur "Denke" eines Anhängers einer unfehlbaren göttlichen Offenbarung passt.
(Der scheinbare Widerspruch zu meiner Aussage, der Relativismus sei der erklärte Hauptfeind des Katholizismus, ist mir nicht entgangen. Es ist aber so, dass man gegen einen Relativisten nur schwer mit dogmatischen Argumenten ankommt - ein geschickter Relativist kann "gnadenlos alles niedertolerieren". Da ist jemand, der von vornherein intolerant ist, ein bequemerer Gegner.)
diskurs...
und genau da, denke ich, macht Dawkins eben den üblichen fehler - anstatt sich mit dem verhältnis wissenschaft <-> religion auf einem sinnvollen niveau auseinanderzusetzen, zerpflückt er (wie gesagt, meinem anschein nach) religiöse positionen eben genau so, wie es ein "wissenschaftsgläubiger" halt eben tut. womit er sich (und, mal wieder, die wissenschaft) in misskredit bringt.
deswegen mag ich bspw. ihn hier, auch wenn schon etwas älter (und von der katholischen kirche ebensowenig wie von der wissenschaft gemocht):
Teilhard
bzw, auf meinem blog:
http://wirrlicht.twoday.net/stories/4529026/
auch wenn ich nicht überall gott sehe. beziehungsweise, auf eine pantheistische art und weise, schon.
nundenn - ich mag auch die marx´sche religonskritik oder die desade´sch antireligiösität. oder einen nietzsche. wegen mir darf man auch mal böse oder zynisch sein. das gehört irgendwie dazu, das sich religionen untereinander und alle sich mit der wissenschaft kabbeln. ohne diskurs kein fortschritt :)