Albanische Horrorshow

Zugegeben, die - zeitweilig von deutschen Politikern als "Befreiungsbewegung" hofierte - UÇK war mir nie sonderlich sympathisch. Allzu sehr verschwimmt bei ihr die Grenze zwischen politischer und krimineller Sphäre - dass die Hälfte der UÇK-Gelder aus Drogenhandel stammen könnte, halte ich für zumindest nicht ausgeschlossen.

Da passt dieser Artikel auf "telepolis" gut ins unvorteilhafte Image: Es steht ein Haus in Albanien.
Human Rights Watch fordert die Untersuchung von Entführungsfällen. Die Menschenrechtsorganisation sieht den Verdacht erhärtet, dass die UCK Handel mit Organen von Verschleppten betrieb.
Die Geschichte, dass nach dem Einmarsch der NATO 100 bis 300 Menschen aus dem Kosovo nach Albanien verschleppt wurden, halte ich für einigermaßen plausibel. Ihren besonderen "Thrill" bekommt die Story allerdings durch die Behauptung:
Die jüngeren und gesünderen Opfer seien aussortiert und in die Nähe der albanischen Kleinstadt Burrel gebracht worden. Dort seien ihnen Organe entnommen worden, die anschließend ins Ausland geflogen wurden. Laut Del Ponte wurden die Ermittler in einem "gelben Haus" fündig: Mittels eines chemischen Sprays konnten an den Wänden und am Boden gewaltige Blutflecke als Beweismittel sichergestellt werden. Zusätzlich habe man in der Nähe des Hauses Gerätschaften und Utensilien gefunden, die für Operationen gebraucht werden, u.a. Spritzen, Verbandsmull, Infusionsbeutel und Ampullen für Muskelentspannungsmittel.
Ein ungeheuerlicher Verdacht. Allerdings macht mich die Aussage, mittels eines "chemischen Sprays" konnten "gewaltige Blutflecken" als Beweismittel gesichert werden, stutzig.
Sicherlich gibt es einen Schwarzmarkt für Transplantationsorgane. Die meisten in Indien verpflanzten Nieren stammen von Lebenden, die nicht selten aus Armut zu "Spendern" wurden. Da liegt der gedankliche Sprung von "ethisch fragwürdigen" zu "verbrecherischen" Methoden nahe - wenn nur die Profite hoch genug sind.
Allerdings ist die fachgerechte Extraktion eines inneren Organs eine komplizierte Sache, auch wenn der "Spender" nicht überleben braucht. Das Organ muss fachgerecht entnommen werden, sonst ist es für Transplantationszwecke unbrauchbar. Zum Beispiel muss unter völlig sterilen Bedingungen gearbeitet werden.
Da passen "größere Blutflecke" ("gewaltig" steht nicht im Bericht auf der HPW-Website) einfach nicht ins Bild. Es passt auch nicht ins Bild, wenn ein einfacher Schnelltest mit einem "chemischen Spray" (Luminol) als "Beweis" herhalten soll. Dass die Dinge bei Blutflecken nicht so einfach sind, dürfte dank Krimiserien wie C.S.I. selbst blutigen Laien klar sein. So ist es ohne serologische Untersuchung praktisch unmöglich, zwischen menschlichem Blut und dem z. B. eines schwarz geschlachteten Schweines zu unterscheiden. Selbst wenn das Blut von Menschen stammen sollte, ist ein "simpler" Mord weitaus wahrscheinlicher als eine noch so hastig ausgeführte operative Organentnahme.
Was die "Operationsutensilien" angeht - Spritzen, Verbandsmull, Infusionsbeutel und Ampullen für Muskelentspannungsmittel finden sich in jedem Rettungswagen, in jeder Apotheke und in den meisten Arztpraxen. Da die UÇK-Kämpfer damals noch jederzeit mit bewaffneten Auseinandersetzungen rechnen mussten, ist es mehr als nur plausibel, wenn sie ordentliches Sanitätsmaterial in Bereitschaft hatten. Nebenbei würden große Blutflecken an den Wänden und am Boden, wenn man schon einmal davon ausgeht, dass das Material auch benutzt wurde, besser zur Notversorgung schwer verletzter Kämpfer als zu einer Organentnahme passen. Außerdem mag die Frage erlaubt sein, wozu ein "ausgeschlachteter" Leichnam noch Verbandsmull braucht.

Ich traue der UÇK Einiges zu, und zwar wenig Gutes. Allerdings halte ich die "Organräuber-Story", wenn nicht erheblich bessere Indizien auftauchen, bis auf Weiteres für eine Horrorgeschichte aus den Balkankriegen.

Trackback URL:
https://martinm.twoday.net/stories/4916117/modTrackback

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Geheimauftrag MARIA STUART...
Krisenfall Meuterei Der dritte Roman der Reihe "Geheimauftrag...
MMarheinecke - 9. Apr, 19:42
Urlaubs-... Bräune
Das "Coppertone Girl", Symbol der Sonnenkosmetik-Marke...
MMarheinecke - 1. Aug, 08:34
Geheimauftrag MARIA STUART...
Ahoi, gerade frisch mit dem Postschiff eingetoffen. Der...
MMarheinecke - 26. Mär, 06:48
Kleine Korrektur. Man...
Kleine Korrektur. Man kann/sollte versuchen die Brille...
creezy - 11. Nov, 11:29
strukturell antisemitisch
Inhaltlich stimme ich Deinem Text zwar zu, aber den...
dummerle - 5. Jun, 11:12

Suche

 

Status

Online seit 7043 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Credits


doof-aber-gut
Gedankenfutter
Geschichte
Geschichte der Technik
Hartz IV
Kulturelles
Medien, Lobby & PR
Medizin
Persönliches
Politisches
Religion, Magie, Mythen
Überwachungsgesellschaft
Umwelt
Wirtschaft
Wissenschaft & Technik
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren