Woran erkennt man zuverlässig einen Ideologen?

Ganz einfach: an seiner Behauptung, es gäbe "keine Alternative".

Schon das Denken in Alternativen - in Begriffen von "entweder / oder" - wird der Wirklichkeit nur äußerst selten gerecht. Im Falle einer wirtschaftspolitischen Agenda (ich denke da an z. B. die "Agenda 2010") ist diese Argumentation besonders absurd, denn eine Agenda ist eine "Tagesordnung" oder eine "Zielsetzung". Eine grobe Vorgabe, wo es lang gehen soll. Zu behaupten, es gäbe ein nur ein allgemeingültiges Ziel (etwa: "Europa muss zur wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Region der Welt werden" - Lissabon-Agenda) - und ferner nur einen Weg dorthin (etwa: "ohne Senkung der betrieblichen Lohnnebenkosten geht es nicht") - ist ideologisches Denken pur.
Peter Paul (Gast) - 14. Mär, 22:30

Und wenn es wirklich keine Alternative gibt?

Ich teile Dein Misstrauen gegenüber absoluten Aussagen. Ganz selten ist die Wahrheit einfach, ganz selten gibt es wirklich keine Alternativen. Wenn aber jetzt z.B. Frank-Walter Steinmeier rückblickend die Agenda 2010 als "alternativlos" vezeichnet hat, dann schliesst das nur bei sehr kleinlicher Auslegungen andere Nuancen (!) des Handelns aus. Was es ausschließt, ist ein kategorisch anderes handeln ("Weiter so!" oder gar "Noch mehr Sozialstaat"). Allerdings: Wer solches behauptet, muss es sehr gut begründen - und genau das hat die Regierung Schröder versäumt.

MMarheinecke - 15. Mär, 11:48

Nein, ich meine nicht nur den Steinmeier

Mal ein Beispiel aus einem anderen politischen Lager: wenn z. B. ein "Linker" Politiker sagen würde, zu einer sozialistischen Umgestaltung der Wirtschaft und zur Vergesellschaftung des Kapitals gäbe es auf lange Sicht keine Alternative, dann ist das eine ideologische Aussage - obwohl sich über den "richtigen Weg" dahin linke Politiker aller Erfahrung nach nicht nur in Nuancen streiten dürften.

Wenn Steinmeier "nur" kategorisch anderes Handeln als wenig sinnvoll hätte ausschließen wollen, dann dürfte er nicht behaupten, es gäbe "keine Alternative". Der Trick war ja gerade, die Agenda 2010 als einzige Möglichkeit wirtschaftspolitischen Handels, als "Sachzwang", darzustellen, um sich um genau jene gute Begründung, die Du einforderst, zu drücken. (Eben der schrödersche "Basta"-Stil des Regierens, der inhaltliche Diskussionen nach Möglichkeit von vorherein abwürgte.)
Um die "gute Begründung" hat sich die Regierung Schröder seinerzeit gedrückt, weil Schröder als geschickter Taktiker und Kenner seiner Partei genau wusste, dass diese Begründung von einem sehr großen Teil der Parteibasis und der SPD-Wähler nicht akzeptiert worden wäre.
Gregor Keuschnig - 15. Mär, 20:54

Gibt es denn...

zur "Demokratie" eine Alternative?

(Die Aussage, dass 'Es gibt keine Alternative' eine ideologische sein soll, ist wieder ideologisch.)

MMarheinecke - 15. Mär, 21:30

Ja, damit hat Du von der Logik her recht: meine Aussage ist ideologisch

Aber von der Sache her: Es gibt jede Mengen Staatsformen, die nicht demokratisch sind, also gibt es zur Demokratie nicht "nur" die Alternative "Diktatur". Ich würde noch nicht einmal behaupten, die Demokratie sei die ideale Staatsform. Es ist nur die am wenigsten unzulängliche.
Gregor Keuschnig - 16. Mär, 12:30

Einverstanden,

was meine zugegebenermassen platte Frage angeht. (Aber das wär ein anderes Thema.)

Und gut, dass meine Logik noch einigermassen funktioniert.
LOndo (Gast) - 16. Mär, 23:28

Ein gutes Beispiel..

für eine Ideologin ist Margaret Thatcher. Sie hat in ihrer Regierungszeit die Formulierung, es gebe keine Alternative, sehr oft gebraucht - so oft, dass sie sogar den Spitznamen "Tina" (von "There Is No Alternative") erhielt.

MMarheinecke - 17. Mär, 09:09

An die Thacher habe ich dabei tatsächlich gedacht.

Allerdings nicht allein an sie.

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