Giordano-Bruno-Denkmal

Mit mehr Angst verkündet Ihr das Urteil, als ich es entgegennehme.
Giordano Bruno

Am Sonntag, dem 2. März 2008, wurde in Berlin, am Potsdamer Platz, ein Denkmal des am 17. Februar 1600 auf dem Campo de’ Fiori in Rom wegen "Ketzerei und Magie" bei lebendigem Leib verbrannten Philosophen und Dichters Giordano Bruno enthüllt. (Bericht des humanistischen Pressedienstes: Giordano-Bruno-Denkmal enthüllt.)
Die Skulptur des Berliner Bildhauers Alexander Polzin ist absichtlich nicht "schön", im Sinne einer gefälligen Ästhetik, sie soll verstören:
Die sechs Meter große, kopfunter hängende Menschenfigur wurde aus einem einzigen Fichtenstamm herausgeschnitten und dann in Bronze gegossen. Die angedeutete Schraubbewegung zielt auf das Inbild des nackten, geschundenen Menschen mit überstreckten Füßen, Armen und Händen.
Die sechs Finger an einer der beiden Hände bringt den visionären Abweichler, den Theoretiker des Übermenschlichen in’s Spiel. Der Brustansatz verweist auf die undogmatische, arkane, gleichsam feminine Seite Brunos Naturphilosophie.
Das Holz, das dem Entwurf zu Grunde liegt, ein Kohlenstoffmaterial, verwandelt sich mit all seiner Maserung in eine Kupfer-Zinn-Legierung. „Damit haben, was wir brauchen: eine Rhetorik des Feuers, die diesem Mann gerecht wird, eine Ahnung von der Sprache der Alchemie und der Metamorphosen, die ihn als Pantheisten beflügelte. Bruno war gewiß der furchloseste und aufrichtigste aller neuzeitlichen Kosmologen.“
Ein wichtiger Ansatz. Allzu leicht wird Bruno auf die Rolle des "Märtyrers der Wissenschaft", des überzeugten Kopernikaners, reduziert, der von der reaktionären "Heiligen Inqusition" zum Feuertod verurteilt wurde.
Allerdings wurde Bruno nicht deswegen verurteilt, weil er die kopernikanische Lehre vertrat. Laut "wikipedia" postulierte Bruno die Unendlichkeit des Weltraums und die ewige Dauer des Universums. Damit stellte er sich der herrschenden Meinung einer in Sphären untergliederten geozentrischen Welt entgegen. Viel schwerer wog damals, dass seine pantheistischen Thesen von einer unendlichen materiellen Welt keinen Raum für ein Jenseits ließen, die zeitliche Anfangslosigkeit des Universums eine Schöpfung und dessen ewiger Bestand ein Jüngstes Gericht ausschlossen. Entgegen der Darstellung der "Wikipedia" ist dieser Schluss aus einem pantheistischen Weltbild keineswegs zwingend, und mir ist nicht bekannt, dass Giordano so gedacht hätte. Wer aber so dachte - und oft bis heute so denkt - sind christliche Theologen. Bruno meinte zudem, dass Jesus nicht der Sohn Gottes sei. Das ist in der Tat ein Grund, Bruno als "Ketzer" zu sehen. Ob es - ohne weitere Vorwürfe - als Begründung des Todesurteils ausgereicht hätte, darf bezweifelt werden.

Ich begrüße es, dass die Skulptur auf einen gern übersehenen Aspekt der Persönlichkeit Brunos hinweißt: er war auch Alchimist und Magier. Magier nicht nur im Sinne seine abergläubischen Zeitgenossen, die etwa seine Gedächtniskunst für "Zauberei" hielten, sondern im Sinne der "natürlichen Magie" der frühen Neuzeit. Seine Hinrichtung muss vor dem Hintergrund der Hexenverfolgung der frühen Neuzeit gesehen werden, die Ende des 16. Jahrhunderts einen traurigen Höhepunkt erreichte. Wenn man so will, war Giordano Bruno eine "männliche Hexe" - jedenfalls für seine Richter.

Dass Giordano Bruno nicht nur ein "Vordenker der modernen Wissenschaft" war, der "leider noch nicht den Schritt zur mathematisierten Physik gemacht hatte", wird oft verdrängt. So, wie verdrängt wird, dass Galileo Galilei bei seinem mathematischen Ansatz an die Zahlenmystik der Pythagoräer anknüpfte, Johannis Kepler ebenfalls Zahlenmystiker" und (trotz Bedenken) erfolgreicher Astrologe war, oder Isaac Newton sich sein Leben lang intensiv mit Alchimie beschäftigte. Tatsächlich könnte es sein, dass Newton, hätte er nicht "magisch" sondern im Sinne Descartes "rational" gedacht, seine mit Fernwirkungen arbeitende Gravitationstheorie nie hätte entwickelt können.

Website zum Denkmal: Giordano-Bruno-Denkmal

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