"Operation Himmel" - oder: ein schwerer Schlag ins Wasser

Vor gut einem Monat machte sie Schlagzeilen - die "Operation Himmel" . Stellvertretend für andere Medienberichte hier ein Artikel von SpOn:
Das Netz der Kinderporno-Mafia.
Darin heißt es:
(...) Am Wochenende wurde enthüllt, welche Dimensionen ihr Geschäft in Deutschland angenommen hat: 12.000 Verdächtige hat die Polizei in umfangreichen Ermittlungen in den vergangenen Monaten ausgemacht. Sie sollen sich Bilder und Filme von Sex mit Minderjährigen heruntergeladen haben - Codename der Ermittlungen: Operation "Himmel". (...)
Das wichtigste Wort in dem zitierten Absatz ist Verdächtige. 12.000 Menschen sind durch die Aktion in Verdacht geraten, sich Kinderpornographie heruntergeladen zu haben. Einziges Verdachtsmoment: ihre IP-Adressen waren im Fahndungsnetz hängen geblieben. Schon bald wurde bekannt, dass Viele der gemeldeten Nutzer nur für Sekunden und demzufolge "möglicherweise aus Versehen" auf einschlägige Kinderpornografie-Seiten geraten seien. Wobei es gar in Wirklichkeit gar nicht einmal um "einschlägige Seiten" ging, sondern um eine Falle: law blog: Sandra-model2.mpeg.
Schon wenige Tage später wurde die "Operation Himmel" auf TP als das bezeichnet, was sie wahrscheinlich tatsächlich ist: Operation Heiße Luft.

Dass die mit vielen Vorschusslorbeeren versehene Aktion tatsächlich nichts als "heiße Luft" ist, zeigt dieser Artikel auf koeln.de. Allein in Köln gab es etwa 500 Verdächtige. Bei wie vielen war der Verdacht begründet? Bei keinem Einzigen! Kinderporno-Verdacht: Verfahren gegen 500 Kölner eingestellt.
(...) Seit September 2007 hatte die Kölner Staatsanwaltschaft an diesem Aufsehen erregenden Fall gearbeitet und diesen nun abgeschlossen. Oberstaatsanwalt Rainer Wolf sagte der "Kölnischen Rundschau": "Wir haben alle Verfahren eingestellt." Nach Beendigung der Ermittlungen konnte den "Usern" keine strafrechtlichen Handlungen nachgeweisen werden. "Es waren zum größten Teil Fotos von nackten Kindern am Strand oder an anderen Orten zu sehen", so Wolf. Anstößige Handlungen waren nicht erkennbar.

Ob die Verdächtigen die Bilder mit Absicht runtergelanden haben oder zufällig im Internet die Seite angeklickt hatten, sei unklar. Der Ankläger sprach von einer "allenfalls moralischen Schuld".(...)
Ich erwarte, dass das Ergebnis auch in anderen Städten ähnlich aussieht.
Wie nicht anders zu erwarten, macht das groteske Missverhältnis zwischen (bürgerrechtsfeindlichem!) Aufwand und Ergebnis der "Operation Himmel" keine Schlagzeilen.
Auch ein vermeintlicher Erfolg, der spektakuläre Fall eines Sozialsgerichtspräsidenten in Hamburg (abendblatt.de: Gerichtspräsident des Amtes enthoben) zeigt beim näheren Hinsehen, wie problematisch "Himmel" ist - denn außer den 41 verdächtigen Dateien auf dem sichergestellten PC der Lebensgefährtin gibt es keine Verdachtsmomente - wobei der Öffentlichkeit nach wie vor unbekannt ist, was in diesen Dateien wirklich steckt (siehe die 500 eingestellten Verfahren in Köln). So absurd (und vorverurteilend!), wie es das "Abendblatt" nahelegt, ist die von Herrn R. erhobene Verleumdungsklage nicht:
(...) Doch: Da die Dateien offenbar nach einem Hinweis eines großen Internet-Providers entdeckt wurden, erscheint diese Version eher als unglaubwürdig. (...)
Zur Erinnerung: "Himmel" beruht nicht etwa darauf, dass der Provider die Verdächtigen "auf frischer Tat ertappt" hätte, sondern auf einer (fragwürdigen) Falle.

Selbst wenn "Himmel" einige echte Fahndungserfolge gebracht haben sollte - wohlgemerkt: gegen Konsumenten, nicht gegen Produzenten von Kinderpornos - ist das Verhältnis zwischen dem Aufwand an staatlicher Schnüffelei und dem "Kollateralschaden" an Ruf und Ehre der Verdächtigten noch schlechter als bei der automatischen Erfassung von KFZ-Kennzeichen.

Statt dessen raisoniert die Presse, wie z. B. die "Welt", darüber Warum viele Täter unbehelligt bleiben (und betreibt dabei, vielleicht unbeabsichtigt, Schleichwerbung für die Vorratsdatenspeicherung). Bemerkenswert erscheint mir, wie die Fakten durcheinandergeworfen werden:
(...)An Bilder von Kindern, deren Geschlechtsteile zu sehen sind, sei im Internet sehr leicht heranzukommen.
Das können -siehe Köln - durchaus harmlose Strandfotos sein. Oder Illustrationen einer Sexualkundeseite. Wenn nur eines von tausend dieser Bilder KiPo wäre, wäre das meines Erachtens extrem viel. Aber weiter:
Verdeckter werde gearbeitet, wenn es sich um den Missbrauch von Kindern handele, sagt Maeser.
Und erst dann geht es tatsächlich um "kinderpornographische Schriften". Wobei "Missbrauch" von den Gerichten regelmäßig enger gefasst wird, als das in den Umgangssprache üblich ist ("Missbrauch" fängt nicht etwa erst bei Kindesmisshandlung oder gar "Kinderstechen" an).
Bei den Darstellungen gebe es kaum noch Tabus. Die missbrauchten Kinder seien immer jünger, sogar Fotos von geschändeten Babys kursierten im Internet. Auch die Brutalität beim Missbrauch nehme zu.(...)
All das sind unbewiesene - und leider unhinterfragte - Behauptungen. Vielleicht ist es auch nur die selektive Wahrnehmung eines Kriminalpolizisten: was nicht "Fall" ist, nimmt der Internet-Fahnder erst gar nicht wahr - z. B. die Strandfotos. Bei den wirklichen "Funden" bleiben dann vor allem die ganz harten im Gedächtnis - und es gibt wirklich Fotos, bei deren Anblick sich selbst ganz hartgesottenen Kriminalern der Magen umdreht. Die einen noch monatelang in den Alpträumen vorfolgen. Und die manchen Übereifer auf Seiten der Polizei und Staatsanwaltschaft erklären.

Aber den Übereifer der Presse und des Gesetzgebers entschuldigen diese schlimmen Einzelfälle nicht.

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