Eine - für viele - unbequeme Wahrheit

»Der Westen ist für zwei fundamentale Fehler verantwortlich. Der eine ist Monotheismus – es gibt nur einen Gott –, und der andere ist das aristotelische Prinzip des Widerspruchs – etwas ist entweder A oder Nicht-A. Jeder intelligente Mensch in Asien weiß, dass es viele Götter gibt und dass Dinge sowohl A als auch Nicht-A sein können.«
Nakamura, japanischer Philosoph

Gefunden im sehr lesenswerten "Zeit"-Artikel Gott ist gefährlich - So human Religion auch scheinen mag: Sie birgt stets einen totalitären Kern. Fünf Thesen des Soziologen und Buchautors Ulrich Beck.

Ich bin der Ansicht, dass Beck mit allen fünf Thesen richtig liegt. Applaudieren könnte ich zu dieser Formulierung:
Zweite These: Allein die Frage: »Was ist Religion?« weist eine eurozentristische Schlagseite auf. Denn Religion wird als Substantiv gefasst, wodurch ein klar abgrenzbarer sozialer Satz von Symbolen und Praktiken unterstellt wird, die ein Entweder-oder konstituieren, man kann sie nur entweder glauben oder nicht glauben, und man kann, wenn man Mitglied einer Glaubensgemeinschaft ist, nicht zugleich einer anderen zugehören.
(Siehe auch, vor einigen Tagen: Die "alten Germanen" hatten keine Religion.)

Klasse auch das:
Gegen die »Diktatur des Relativismus« kämpfend, verteidigt Papst Benedikt XVI. die katholische Hierarchie der Wahrheit, die einer Skatlogik folgt: Glaube sticht Verstand. Christlicher Glaube sticht alle anderen Glaubensarten (insbesondere den Islam). Römisch-katholischer Glaube ist der Kreuzbube, der alle anderen christlichen Skatbrüder des Glaubens sticht. Und der Papst ist der allerhöchste Trumpf im Wahrheitsskatblatt der katholischen Rechtgläubigkeit.
Der besseren Verständlichkeit halber ergänze ich meinen Beitrag:
Ulrich Beck zieht gegen das "Entweder-Oder" zu Felde, die binäre Logik (die zwar auf Aristoteles zurückging, der aber außer dieser "klassischen" Logik eine mehrwertige Logik kannte), die Tatsache also, dass die monotheistischen Religionen die Menschheit in Gläubige und Ungläubige aufspalten und damit ein fatales Freund-Feind-Schema etablieren. Also in etwas das, was der Ägyptologen Jan Assman die "mosaische Unterscheidung" nennt. (Wobei Assman nicht einfach toleranten Polytheismus gegen intoleranten Monotheismus setzt, was leider viele Neuheiden tuen.)
Letzten Endes geht diese Religionskritik auf Nietzsches zurück, auch wenn er dazu neigte, die christlich-jüdische Moral (die meiner Ansicht nach durchaus ihre Verdienste hat - wenn sie nicht absolut gesetzt wird) für so ziemlich jede zivilsatorische Fehlentwicklung verantwortlich zu machen.
Gregor Keuschnig - 8. Jan, 12:31

Wäre sie..

doch "unbequem", die Wahrheit. Die Wahrheit von Beck ist aber reichlich platt. Beim Tempo der "Zeit" dauert es nur noch vier Wochen, bis die Erwiderung von Tine Stein online gestellt wird.

MMarheinecke - 8. Jan, 13:04

Platt? - Allenfalls mangelhaft "philosophisch unterfüttert".

Denn es stimmt: Religion ist gefährlich.
MMarheinecke - 8. Jan, 13:01

Ich kopiere hier mal einen Kommentar 'rein, den ich zu Ist Gott gefährlich? bei Gregor Keuschnig schrieb. Vielleicht ist er ganz hilfreich, um zu verstehen, wieso ich diese etwas unzusammenhängenden Zitate gebracht habe.

Ich sehe das etwas anders
Endlich habe ich mir die Zeit genommen, Ullrich Becks "Zeit"-Artikel selbst zu lesen - und bin begeistert. Ich gebe durchaus zu, dass meine Begeisterung auch daher rührt, dass Beck in ähnlichen Bahnen zu denken scheint, wie ich, und dass ich seine Thesen einfach erfrischend finde, selbst wenn "intellektuell solide" Religionskritik anders aussieht. Es ist eher "Religionkritik aus dem Bauch raus", die aber auch ihre Berechtigung hat. Ich leite aus Becks Thesen auch keinen "politischen Handlungsbedarf" im Sinne gesetzlicher Maßnahmen ab, und sehe in ihren auch keine atheistische Position - sind die "poly-religiösen" Japaner etwa Atheisten?

Beck ist, soviel ich weiß, Agnostiker,ich bin Polytheist - von daher dürften sich die Konsequenzen, die ich aus den Thesen ziehe, anders aussehen, als die Becks (die er nur andeutet). Aber gegen eine Welt ohne Religionen (die keine nicht-religiöse oder gar a-spirituelle Welt wäre) hätte ich rein vom Gefühl her wenig einzuwenden.

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