Aus der Wunderwelt der gut-doofen Filme: Barbarella

Dieser Artikel folgt der inneren Logik dieses Blogs: im Sommer schriebt ich eine kleine Reihe über den "Summer of Love" 1967 und im Herbst gibt es einen (ungeplanten) Raumfahrt-Schwerpunkt. Außerdem war wieder mal eine Expedition in die Wunderwelt der gut-doofen Filme fällig - warum nicht Barbarella?
Außerdem fügt sich Barbarella irgendwie gut an die bereits besprochenen gut-doofen Filme
Die Blaue Lagune und "300" an: drei irgendwie erotische Filme, die nicht im Entferntesten irgendwie realistisch genannt werden können. Jedenfalls irgendwie.

"Barbarella" war, anders als manche Kommentatoren anlässlich des Geburtstag Jane Fondas am 21. Dezember, meinten, nicht der Karriere-Durchbruch der vielseitigen, sehr politisch engagierten, sehr widersprüchlichen, und in ihrem Engagement mitunter widersprüchlichen Schauspielerin. Jane Fonda erreichte ihren Durchbruch mit der Western-Kommödie "Cat Ballou" (1965), ihren ersten Golden Globe erhielt sie sogar schon 1962 für ihre Rolle in "A Walk on the Wild Side". Tatsächlich erwies sich "Barbarella" (1968) eher als Karriere-Gift, denn der spätere Kultfilm fiel sowohl bei den Kritikern wie an den Kinokassen durch, und legte die damals 30-jährige Fonda auf das problematische Image des "Sexsymbols" fest.

Barbarella-Filmplakat
Werbeplakat für den Film "Barbarella"

Wieso der Film damals durchfiel, obwohl er wie kaum ein andere dem "Zeitgeist" der Pop-Art und Psychedelic-Ära und der anbrechenden "Sexwelle" entsprach, ist immer noch ein Rätsel. Vielleicht entsprach zu sehr der "vordersten Front" des Spätsechziger-Zeitgeist, so dass er für die breite Masse des Publikums einfach einige Jahre "zu früh" kam. (Für die damals eher konservative Filmkritik sowieso.)

Die Frage, wieso der Streifen heute Kultstatus geniest, lässt sich leicht beantworten. "Kult" ist schon die Anfangsszene, in der Barbarella, dargestellt von Jane Fonda, sich in Schwerelosigkeit ihres Raumanzugs entledigt - bis auf die Haut. Taktisch geschickt platzierte Buchstaben des Titelvorspannes sorgten dafür, dass der "Space Strip" dennoch innerhalb "jugendfreier" Normen blieb.
Die große Stärke des Films ist, dass er sich keine Sekunde lang selbst ernst nimmt - wobei die Ironie erstaunlicherweise vielen Kritikern entging. Sie begriffen (noch) nicht, dass "Trash" (oder "Camp") auch Absicht sein kann. Berühmt wurde der Film durch die zahlreichen angedeuteten Sex-Szenen, die, obwohl nur angedeutet, dennoch (ironisch) dick aufgetragen wirken.
Für heutige Ansprüche wirken die meisten Spezial-Effekte des Films billig und wenig überzeugend, für damalige Verhältnisse waren sie jedoch gut gemacht. Noch heute überzeugend wirken die knallbunt-exotischen, oft surreal wirkenden Sets des komplett im Studio gedrehte Film. Wie die sexy Kostüme vor allem der Hauptfigur auf das damalige Publikum gewirkt haben müssen, kann man ermessen, wenn man weiß, dass die Kostüme der originalen "Star Trek"-Serie (dt. "Raumschiff Enterprise") schon als sehr gewagt galten.

Titelbild Barbarella
Titelbild des Barbarella-Comicbuchs "Le Miroir aux Tempêtes"

Als Vorlage diente der erste von vier Comicbüchern mit der Titelheldin Barbarella des französischen Comic-Künstlers Jean-Claude Forest. Die Vorlage "Barbarella" erschien ab 1962 zuerst in Fortsetzungen im V-Magazine, das sich auf das damals noch wenig entwickelte Genre des Erwachsenencomics spezialisiert hatte. Die Buchfassung erschien 1964. Die Raum-Agentin Barbarella durchlebt dabei zahlreiche Abenteuer auf dem Planeten Lythion beim Versuch, den Wissenschaftler Durand Durand aus den Klauen der bösen Schwarzen Königin zu befreien. Weder inhaltlich noch zeichnerisch hebt sich "Barbarella" aus der Masse der Comics der franco-belgischen Schule heraus. Aufsehen erregend war das, was ein Sammler und Kenner von Science Fiction-Comics einmal "Barbarellas selbstbestimmte sexuelle Gefräßigkeit" genannt hatte. Forest griff das von "James Bond" geprägte Klischee des Geheimagenten, der unzählige sexuellen Affären mit zahlreichen ebenso attraktiven wie willigen Frauen hat, auf und drehte einfach die Geschlechter der Protagonisten um.

1955 illustrierte Forrest die Science Fiction-Erzählung "Shambleau", die die "Grand Old Lady" der amerikanischen Science Fiction und Fantasy, Catherine L. Moore 1933 geschrieben hatte. In "Shambleau" rettet der Protagonist, N. W. Smith (der ohne jeden Zweifel das Vorbild für Han Solo in "Star Wars" war) die ebenso schöne wie geheimnisvolle außerirdische Frau Shambleau vor einem wütenden Lynchmob. Shambleau ist allerdings nicht das, was sie zu sein scheint - in letzter Sekunde muss Smith von seinem Kumpel Yarol gerettet werden, der Shambleau - eine ins Raumzeitalter versetzte Gorgo Medusa - mit einer Variante von Perseus Spiegeltrick erschießt. Wegen ihrer abgerundeten Charaktere, ihrer subtilen Anspielungen auf sexuelle "Abgründe" der Psyche und des gekonnten Spiels mit Archetypen (im Sinne der Tiefenpsychologie) gilt die "Abenteuerstory" Shambleau als Klassiker der SF-Literatur. Forrests illustrierte Fassung war das Vorbild für "Barbarella". Forrests Illustrationen können kaum congenial zu C. L. Moores Erzählung genannt werden - sie sind effektvoll, bleiben aber z. B. hinter den Zeichnungen des gleichfalls unter "Heftchen"-Bedingungen arbeitenden deutschen SF-Illustrators Johnny Bruck zurück, von den "großen" Illustrationskünstlern gar nicht zu reden.
Immerhin: "Barbarella" ist flott gezeichnetes gelungenes Lesefutter.

Promo-Foto zu Barbarella
Promotion-Foto zum Film "Barbarella"

"Barbarella" ist meines Erachtens kein wirklich guter, sondern nur ein gut-doofer Film. Warum?
Der nach Motiven des ersten Barbarella-Bandes gedrehte Film profitierte zwar von der routinierten Regie des Journalisten, Schriftstellers, Regisseurs und gelegentlichen Filmproduzenten Roger Vadim, leidet aber unter einem flachen Drehbuch mit streckenweise hanebüchenen Dialogen. Bei aller Routine (oder gerade deshalb?) unterlief Vadim um ein Haar ein Verstoß gegen die goldene Regel des Trashfilms: "Trash darf alles - nur nicht langweilen".
Jane Fonda als Barbarella wirkt, obwohl sie als wissenschaftlich vorgebildete Spezial-Agentin (und "Astro-Navigatrix") eingeführt wird, über weite Strecken ausgesprochen dümmlich. Von der "selbstbestimmten sexuellen Gefräßigkeit" ist wenig zu spüren, Barbarella wirkt eher so, als würde sie mit jedem Mann in die Kiste steigen.
Dass Barbarella auch Frauen sexuell nicht eben abgeneigt ist, geht im Film fast unter - immerhin weist sie lesbischen Avancen der Schwarze Königin zwar ab, aber nicht "keusch" ab. Im Comic ist sie es, die die Schwarze Königin verführt. Vermisst habe ich den Roboter Dictor, dessen mechanische Sexualtechniken Barbarella schätzen lernt. ("Dictor, Sie haben Stil!"). Irgendwie wirkt der Film so, als hätte die Produzenten der Mut und die Frechheit auf halben Wege verlassen - denn Gerüchte über eine "unzensierte", wagemutigere Fassung sind nur Gerüchte.
Der Vorwurf feministischer Kritikerinnen (zu denen später auch Jane Fonda selbst gehörte) "Barbarella" sei sexistisch und enthalte erniedrigende Männerfantasien ist nicht ganz vom Tisch zu wischen. Auch die schauspielerischen Leistung waren - vorsichtig formuliert - nicht gerade oscar-reif.

Das Pech für "Barbarella" war, dass der Film, der augenscheinlich so gut ins Jahr 1968 passt, etwa 10 Jahre zu früh produziert wurde - 1978 wären nicht nur adäquate Filmtricks verfügbar gewesen, das Publikum wäre auch für eine SciFi-Sexkomödie und die Kritik für das Konzept des absichtlichen Trash "reifer" gewesen.

Aber selbst wenn "Barbarella" perfekt umgesetzt worden wäre, wäre es immer ein Trash-Film geblieben. Bei diesem Stoff geht es nicht anders!

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