Die V-Theorien-Saison ist voll im Gange
Sie beginnt seit einigen Jahren gegen Ende August. In der Regel fängt es harmlos an: mit spektakulären Spekulationen in der Regenbogenpresse, deren Leser ein simpler Unfalltod, wie ihn leider Tausende jedes Jahr erleiden (ein alkoholisierter Fahrer verliert bei überhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle über das Fahrzeug - und das Unfallopfer war nicht angeschnallt) für die zur schier übermenschlichen Figur stilisierte Prinzessin Diana zu simpel erscheint.
Dann wird es Ernst: der Jahrestag des "11. September 2001° naht. Damit nahen denn die seit Jahren gleichen "neuen Theorien", die sich an den seit Jahren bekannten selben "Ungereimtheiten" (tatsächlichen wie vermeintlichen) aufhängen. Zettel meckert in seinem Raum über eine neue ZDF-Doku weitgehend alten Inhalts: "Es gibt eine Verschwörung der amerikanischen Regierung". Über eine angekündigte ZDF-Sendung. Ich bin nicht immer der selben Ansicht wie Zettel, aber in diesem Falle gebe ich ihm recht.
Wobei ich wahrscheinlich in einem anderen Punkt andere Meinung bin: ich halte nämlich eine durchaus offizielle Darstellung - die Theorie vom stramm durchorganisierten Terrornetzwerk Al Qaida, geleitet vom finsteren Bin Ladin aus seinem Geheimversteck, das für sämtliche Untaten islamistischer Terroristen verantwortlich ist, ebenfalls in ihrer Unterkomplexität für eine Art Verschwörungstheorie. Es dürfte völlig unterschiedliche motivierte und völlig unterschiedlich organisierte Gruppen sein, die das Mittel des Terrors für sich entdeckt haben. Das Spektrum reicht von den "hochprofessionellen" Todespiloten des 11. September über "Selbstmordkrieger" im Irak oder Palästina bis hin zu vergleichsweise diletantisch vorgehenden "Freizeitterroristen", wie bei den (verhinderten) Brandbombenanschlägen auf die deutsche Bahn letztes Jahr. Die Gemeinsamkeit: die Täter sind fanatische, zu Mord und Selbstmord entschlossene Moslems. Anzunehmen, dass diese ideologisch unterschiedlichen und unterschiedlich "professionellen" Gruppen alle Angehörige eines "Terrornetzwerkes" seien, gleicht in meinen Augen einer "Feindbildvereinheitlichung", wobei es in der Praxis ziemlich egal ist, ob sie eiskalt-berechnend oder aus Inkompetenz, Angstabwehr und Wunschdenken heraus entstand. Wobei ich Geheimdiensten, frei nach John le Carré, hohe Professionalität im Detail und grenzenlosen Dilitantismus im Gesamtbild zutraue. Und, ebenfalls mit dem britischen Spionageschriftssteller mit Geheimdiensterfahrung, mittelschwere paranoide Zwangsvorstellungen für eine übliche Berufskrankheit altgedienter Geheimdienstler halte.
Zu den Verschwörungstheorien um die Ermordung John F. Kennedys schrieb ich einmal, dass das FBI tatsächlich etwas vertuschte: nämlich die haarsträubenden Ermittlungsfehler unmittelbar nach dem Attentat. Bei den Anschlägen am 9. September 2001 war es ähnlich.
Der Grund, weshalb es noch immer so viele Verschwörungstheoretiker auf diesem Feld gibt, liegt im Nimbus der Geheimdienste. Denen man im doppelten Sinne alles zutraut.
Wer sich einmal näher mit einem realen Geheimdienst befasst hat, der erkennt schnell, dass es dort neben tatsächlich fachlich sehr fähigen - und skrupellosen, also zu "allem fähigen" - Einsatzagenten, Agentenführern und Experten sehr viel Schlamperei, interne Machtkämpfe, Eigenmächtigkeiten und Kompetenzüberschreitungen gibt. Die Geheimhaltung - auch nach innen - verhindert regelmäßig, dass solche Misstände aufgedeckt werden. Das MfS der DDR, theoretisch einer der beste Geheimdienste, die es je gab, scheiterte letztenendes an den fixen Ideen seiner teils paranoiden, teils wunschdenkenden politischen Leitung, verbunden mit einem überorganisierten und durch mangelndes Vertrauen nach innen gekennzeichneten Apparat. Bei der "Stasi" wusste nicht nur die eine Hand nicht, was die andere tat, sondern auch der Daumen wusste oft nichts über den Zeigefinger.
Sämtliche bekannt gewordenen Geheimdienst-Skandale - es sind nicht eben wenige - zeigen in Umrissen ein ähnliches Bild bei allen betroffenen Geheimdiensten. Nur ist die "Stasi" der Ausnahmefall eines Geheimdienstes, der aufgelöst und zur eingehenden Untersuchung frei gegeben wurde. Das "Stasi-Syndrom" - Wunschdenken, Angstvorstellungen, Machtmissbrauch und Allmachtsphantasien "oben", undurchsichtiges Chaos "unten" - scheint universell zu sein. (Es zeigt sich, obwohl das BKA (noch) kein Geheimdienst und das Innenministerium noch lange kein Ministerium für Staatssicherheit ist, besonders "schön" bei der derzeitigen Diskussion über die Online-Durchsuchung. Nach dem vom CCC veröffentlichten Gesetzentwurf läuft es auf de facto Gründung einer Geheimpolizei hinaus - was leider keine Verschwörungstheorie sein dürfte: CCC veröffentlicht umkämpften Gesetz-Entwurf zu Online-Durchsuchungen.)
Ich fürchte, die Toten des "11. September" sind letztlich Opfer von Inkompentenz und Chaos. So, wie die zahllosen Opfer des "War on Terror" sich auch bei politischer Inkompetenz und organisatorischem Chaos "bedanken" können. Die größte Gefahr für die offene, demokratische Gesellschaft sehe ich nicht in irgendwelchen "Machenschaften hinter der Gardine". (Obwohl es auch reale politische Verschwörungen gibt, die sich aber typischerweise auf wenige Mitwisser beschränken - während es bei dem Großverschwörungen der V-Theorien hunderte von Menschen geben müsste, die "zuviel wissen" und unmöglich alle "perfekt dichthalten" können.)
Die Gefahr sehe ich in politischer Inkompetenz und chaotischer Gesetzgebung. Und in der Angst der "Entscheider". Man ahnt bei vielen, die da mit heißer Nadel Gesetzentwürfe stricken, den Angstschweiß unterm Hemd - vor beinahe jedem.
Dann wird es Ernst: der Jahrestag des "11. September 2001° naht. Damit nahen denn die seit Jahren gleichen "neuen Theorien", die sich an den seit Jahren bekannten selben "Ungereimtheiten" (tatsächlichen wie vermeintlichen) aufhängen. Zettel meckert in seinem Raum über eine neue ZDF-Doku weitgehend alten Inhalts: "Es gibt eine Verschwörung der amerikanischen Regierung". Über eine angekündigte ZDF-Sendung. Ich bin nicht immer der selben Ansicht wie Zettel, aber in diesem Falle gebe ich ihm recht.
Wobei ich wahrscheinlich in einem anderen Punkt andere Meinung bin: ich halte nämlich eine durchaus offizielle Darstellung - die Theorie vom stramm durchorganisierten Terrornetzwerk Al Qaida, geleitet vom finsteren Bin Ladin aus seinem Geheimversteck, das für sämtliche Untaten islamistischer Terroristen verantwortlich ist, ebenfalls in ihrer Unterkomplexität für eine Art Verschwörungstheorie. Es dürfte völlig unterschiedliche motivierte und völlig unterschiedlich organisierte Gruppen sein, die das Mittel des Terrors für sich entdeckt haben. Das Spektrum reicht von den "hochprofessionellen" Todespiloten des 11. September über "Selbstmordkrieger" im Irak oder Palästina bis hin zu vergleichsweise diletantisch vorgehenden "Freizeitterroristen", wie bei den (verhinderten) Brandbombenanschlägen auf die deutsche Bahn letztes Jahr. Die Gemeinsamkeit: die Täter sind fanatische, zu Mord und Selbstmord entschlossene Moslems. Anzunehmen, dass diese ideologisch unterschiedlichen und unterschiedlich "professionellen" Gruppen alle Angehörige eines "Terrornetzwerkes" seien, gleicht in meinen Augen einer "Feindbildvereinheitlichung", wobei es in der Praxis ziemlich egal ist, ob sie eiskalt-berechnend oder aus Inkompetenz, Angstabwehr und Wunschdenken heraus entstand. Wobei ich Geheimdiensten, frei nach John le Carré, hohe Professionalität im Detail und grenzenlosen Dilitantismus im Gesamtbild zutraue. Und, ebenfalls mit dem britischen Spionageschriftssteller mit Geheimdiensterfahrung, mittelschwere paranoide Zwangsvorstellungen für eine übliche Berufskrankheit altgedienter Geheimdienstler halte.
Zu den Verschwörungstheorien um die Ermordung John F. Kennedys schrieb ich einmal, dass das FBI tatsächlich etwas vertuschte: nämlich die haarsträubenden Ermittlungsfehler unmittelbar nach dem Attentat. Bei den Anschlägen am 9. September 2001 war es ähnlich.
Der Grund, weshalb es noch immer so viele Verschwörungstheoretiker auf diesem Feld gibt, liegt im Nimbus der Geheimdienste. Denen man im doppelten Sinne alles zutraut.
Wer sich einmal näher mit einem realen Geheimdienst befasst hat, der erkennt schnell, dass es dort neben tatsächlich fachlich sehr fähigen - und skrupellosen, also zu "allem fähigen" - Einsatzagenten, Agentenführern und Experten sehr viel Schlamperei, interne Machtkämpfe, Eigenmächtigkeiten und Kompetenzüberschreitungen gibt. Die Geheimhaltung - auch nach innen - verhindert regelmäßig, dass solche Misstände aufgedeckt werden. Das MfS der DDR, theoretisch einer der beste Geheimdienste, die es je gab, scheiterte letztenendes an den fixen Ideen seiner teils paranoiden, teils wunschdenkenden politischen Leitung, verbunden mit einem überorganisierten und durch mangelndes Vertrauen nach innen gekennzeichneten Apparat. Bei der "Stasi" wusste nicht nur die eine Hand nicht, was die andere tat, sondern auch der Daumen wusste oft nichts über den Zeigefinger.
Sämtliche bekannt gewordenen Geheimdienst-Skandale - es sind nicht eben wenige - zeigen in Umrissen ein ähnliches Bild bei allen betroffenen Geheimdiensten. Nur ist die "Stasi" der Ausnahmefall eines Geheimdienstes, der aufgelöst und zur eingehenden Untersuchung frei gegeben wurde. Das "Stasi-Syndrom" - Wunschdenken, Angstvorstellungen, Machtmissbrauch und Allmachtsphantasien "oben", undurchsichtiges Chaos "unten" - scheint universell zu sein. (Es zeigt sich, obwohl das BKA (noch) kein Geheimdienst und das Innenministerium noch lange kein Ministerium für Staatssicherheit ist, besonders "schön" bei der derzeitigen Diskussion über die Online-Durchsuchung. Nach dem vom CCC veröffentlichten Gesetzentwurf läuft es auf de facto Gründung einer Geheimpolizei hinaus - was leider keine Verschwörungstheorie sein dürfte: CCC veröffentlicht umkämpften Gesetz-Entwurf zu Online-Durchsuchungen.)
Ich fürchte, die Toten des "11. September" sind letztlich Opfer von Inkompentenz und Chaos. So, wie die zahllosen Opfer des "War on Terror" sich auch bei politischer Inkompetenz und organisatorischem Chaos "bedanken" können. Die größte Gefahr für die offene, demokratische Gesellschaft sehe ich nicht in irgendwelchen "Machenschaften hinter der Gardine". (Obwohl es auch reale politische Verschwörungen gibt, die sich aber typischerweise auf wenige Mitwisser beschränken - während es bei dem Großverschwörungen der V-Theorien hunderte von Menschen geben müsste, die "zuviel wissen" und unmöglich alle "perfekt dichthalten" können.)
Die Gefahr sehe ich in politischer Inkompetenz und chaotischer Gesetzgebung. Und in der Angst der "Entscheider". Man ahnt bei vielen, die da mit heißer Nadel Gesetzentwürfe stricken, den Angstschweiß unterm Hemd - vor beinahe jedem.
MMarheinecke - Freitag, 31. August 2007
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