"Die Entdeckung der Langsamkeit" im Slapstick
Heute überlegte ich mir, ob ich über den 140. Geburtstag Emil Noldes oder den 50. Todestag Oliver Hardys bloggen sollte. Obwohl Todestage normalerweise nicht fröhlich stimmen, entschied ich mich für "den Dicken". An Noldes Leben und Schaffen hängen so viele düstere Aspekte, die einfach nicht verschwiegen oder verharmlost werden dürfen, dass jeder Artikel über den dank Hitlers spießigem Kunstverständnis verhinderten Nazi-Künstler in geistige Schmutzarbeit ausartet.
Die Filme des Komiker-Duos Laurel & Hardy erinnern mich dagegen daran, dass man das Leben nicht zu ernst nehmen sollte. Damit war die Wahl klar.
Oliver "Babe" Hardy starb am Morgen des 7.August 1957 im Alter von 65 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls. Er wurde in der Freimaurer-Sektion eines Friedhofs mit dem ansprechenden Namen "Valhalla Memorial Park" in Hollywood begraben. (Auch wenn für Hardy ein "Folkvang Memorial Park"vielleicht angemessener wäre.)
Einen sehr schöner Artikel über Hardys Leben und Schaffen steht in der "Welt online": Ein Dickerchen namens Babe.
Das "Gehirn" des Komiker-Duos Laurel & Hardy, Stan & Ollie, "Dick & Doof", war Stan Laurel, genialer Gag-Erfinder und gelegentlicher Regisseur. Hardy war aber der größere Schauspieler, der aus kleinsten Anregungen vollkommene Szenen improvisieren konnte.
Ich bin sicher nicht der Einzige, der vermutetet, dass es Hardys Talent, aus alltäglichen Begebenheiten witzig-absurde Szenen zu machen, entscheidend waren für das "Markenzeichen" und Qualitätsmerkmal des legendären Duo "Stan & Ollie": den "slow burn", den Gag mit Zeitzünder, den langsam und genüsslich gespielten Witz.
Fast alle Slapstick-Komiker setzen auf Geschwindigkeit. Ganz extrem war das bei den hektischen Stummfilmkommödien der 20. Jahre, die nicht nur so wirken, als seien sie im Zeitraffer gedreht, sondern es oft tatsächlich waren. Rasantere Schnittfolgen gab es erst im Video-Zeitalter. Tempo und infantile Lust an der Zerstörung halfen über die oft einfallslose Situationskomik hinweg. Nicht zu Unrecht nannte man diese Schnellfeuer-Slapstick-Kurzfilme "Mad Movies".
Nur wenige Filmkomiker setzten sich über dieses simple Erfolgsrezept hinweg. Charlie Chaplin und Buster Keaton versuchten es erfolgreich mit inhaltlich niveauvolleren Gags. Laurel und Hardy blieben dagegen dem Slapstick treu - und "zivilisierten" ihn mit gekonntem Timing und glänzender Schauspielkunst. In ihren "Rachefeldzügen", Raufereien und Rivalitäten bleiben sie, allen Zerstörungsorgien zum Trotz, irgendwo immer Gentlemen, die nie wirklich Böses wollen. Anders als andere Komiker, deren Karriere in der Stummfilmzeit begannen, konnten sie ihren Erfolg im Tonfilm sogar noch steigern - zum Slapstick kam der grotesk-witzige Dialog. Sie drehten noch Filmkommödien als die "Mad Movies" längst Filmgeschichte waren. Auf die Dauer langweilen Chaos und Hektik mit wenig Substanz nur. Die "Mad Movies" waren Filme zum einmaligen Ansehen, während man über "Dick und Doof" noch beim 10. Mal lachen kann.
In den 20er Jahren gab es Begriffe wie "Entschleunigung" noch nicht, und das allgemeine Wehklage über Stress lag noch fast ein halbes Jahrhundert in der Zukunft. Hektik und Tempo waren modern. Erst die Weltwirtschaftskrise und die "große Depression" bremsten für eine Weile die Illusion, dass "immer schneller" und "immer mehr" auch "immer besser" heißen müssen. In der Musik dieser Zeit spürt man das Faible für Geschwindigkeit, nicht nur im Schlager und Jazz, sogar in der "ernsten" Musik (z. B. Arthur Honeggers Pacific 231, inspiriert von der Fahrt einer schweren Schnellzug-Dampflok). Es war die Zeit der Stromlinen-Loks und der ersten Stromlinien-Autos, der Turbinen-Schnelldampfer, der ersten Raketenautos, -Schlitten, -Flugzeuge, der ersten Transatlantik-Flüge, der dynamisch wirkenden expressionistischen Kunst, der Zeitungen, die drei oder vier Ausgaben am Tag hatten. Da war die Entdeckung des Regisseurs Leo McCarey, dass es auch im Slapstick ein Andante gibt, schon fast revolutionär. Und Laurel und Hardy waren für die langsame Komik die ideale Besetzung.
Noch ein Wort zum von mir verwendeten, zum geflügelten Wort gewordenen Romantitel "Die Entdeckung der Langsamkeit". Kenner des (teilweise) biographischen Romans von Sten Nadolny über den Seeoffizier und Polarforscher Sir John Franklin wissen natürlich, dass Franklin nicht "die Langsamkeit" für sich entdeckte, sondern aus der "Not" (er war - allerdings nur im Roman - ein körperlich langsam reagierender Mensch) eine "Tugend" machte (er war - auch in der Realität - besonders gründlich und beharrlich).
Das Komiker-Duo Laurel und Hardy entspricht eher dem historischen Franklin, der sich aus freier Entscheidung für langsames Vorgehen entschied, als dem "von Natur aus" langsamen Franklin Nadolnys.
Die Filme des Komiker-Duos Laurel & Hardy erinnern mich dagegen daran, dass man das Leben nicht zu ernst nehmen sollte. Damit war die Wahl klar.
Oliver "Babe" Hardy starb am Morgen des 7.August 1957 im Alter von 65 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls. Er wurde in der Freimaurer-Sektion eines Friedhofs mit dem ansprechenden Namen "Valhalla Memorial Park" in Hollywood begraben. (Auch wenn für Hardy ein "Folkvang Memorial Park"vielleicht angemessener wäre.)
Einen sehr schöner Artikel über Hardys Leben und Schaffen steht in der "Welt online": Ein Dickerchen namens Babe.
Das "Gehirn" des Komiker-Duos Laurel & Hardy, Stan & Ollie, "Dick & Doof", war Stan Laurel, genialer Gag-Erfinder und gelegentlicher Regisseur. Hardy war aber der größere Schauspieler, der aus kleinsten Anregungen vollkommene Szenen improvisieren konnte.
Ich bin sicher nicht der Einzige, der vermutetet, dass es Hardys Talent, aus alltäglichen Begebenheiten witzig-absurde Szenen zu machen, entscheidend waren für das "Markenzeichen" und Qualitätsmerkmal des legendären Duo "Stan & Ollie": den "slow burn", den Gag mit Zeitzünder, den langsam und genüsslich gespielten Witz.
Fast alle Slapstick-Komiker setzen auf Geschwindigkeit. Ganz extrem war das bei den hektischen Stummfilmkommödien der 20. Jahre, die nicht nur so wirken, als seien sie im Zeitraffer gedreht, sondern es oft tatsächlich waren. Rasantere Schnittfolgen gab es erst im Video-Zeitalter. Tempo und infantile Lust an der Zerstörung halfen über die oft einfallslose Situationskomik hinweg. Nicht zu Unrecht nannte man diese Schnellfeuer-Slapstick-Kurzfilme "Mad Movies".
Nur wenige Filmkomiker setzten sich über dieses simple Erfolgsrezept hinweg. Charlie Chaplin und Buster Keaton versuchten es erfolgreich mit inhaltlich niveauvolleren Gags. Laurel und Hardy blieben dagegen dem Slapstick treu - und "zivilisierten" ihn mit gekonntem Timing und glänzender Schauspielkunst. In ihren "Rachefeldzügen", Raufereien und Rivalitäten bleiben sie, allen Zerstörungsorgien zum Trotz, irgendwo immer Gentlemen, die nie wirklich Böses wollen. Anders als andere Komiker, deren Karriere in der Stummfilmzeit begannen, konnten sie ihren Erfolg im Tonfilm sogar noch steigern - zum Slapstick kam der grotesk-witzige Dialog. Sie drehten noch Filmkommödien als die "Mad Movies" längst Filmgeschichte waren. Auf die Dauer langweilen Chaos und Hektik mit wenig Substanz nur. Die "Mad Movies" waren Filme zum einmaligen Ansehen, während man über "Dick und Doof" noch beim 10. Mal lachen kann.
In den 20er Jahren gab es Begriffe wie "Entschleunigung" noch nicht, und das allgemeine Wehklage über Stress lag noch fast ein halbes Jahrhundert in der Zukunft. Hektik und Tempo waren modern. Erst die Weltwirtschaftskrise und die "große Depression" bremsten für eine Weile die Illusion, dass "immer schneller" und "immer mehr" auch "immer besser" heißen müssen. In der Musik dieser Zeit spürt man das Faible für Geschwindigkeit, nicht nur im Schlager und Jazz, sogar in der "ernsten" Musik (z. B. Arthur Honeggers Pacific 231, inspiriert von der Fahrt einer schweren Schnellzug-Dampflok). Es war die Zeit der Stromlinen-Loks und der ersten Stromlinien-Autos, der Turbinen-Schnelldampfer, der ersten Raketenautos, -Schlitten, -Flugzeuge, der ersten Transatlantik-Flüge, der dynamisch wirkenden expressionistischen Kunst, der Zeitungen, die drei oder vier Ausgaben am Tag hatten. Da war die Entdeckung des Regisseurs Leo McCarey, dass es auch im Slapstick ein Andante gibt, schon fast revolutionär. Und Laurel und Hardy waren für die langsame Komik die ideale Besetzung.
Noch ein Wort zum von mir verwendeten, zum geflügelten Wort gewordenen Romantitel "Die Entdeckung der Langsamkeit". Kenner des (teilweise) biographischen Romans von Sten Nadolny über den Seeoffizier und Polarforscher Sir John Franklin wissen natürlich, dass Franklin nicht "die Langsamkeit" für sich entdeckte, sondern aus der "Not" (er war - allerdings nur im Roman - ein körperlich langsam reagierender Mensch) eine "Tugend" machte (er war - auch in der Realität - besonders gründlich und beharrlich).
Das Komiker-Duo Laurel und Hardy entspricht eher dem historischen Franklin, der sich aus freier Entscheidung für langsames Vorgehen entschied, als dem "von Natur aus" langsamen Franklin Nadolnys.
MMarheinecke - Dienstag, 7. August 2007
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