Besserwisserei aus gutem Grund: Was heißt "strukturell antisemitisch"?

Aus mehr oder weniger aktuellem Anlass schreibe ich ein wenig zum im bestimmten Kreisen viel verwendeten - und oft falsch verwendeten Begriff "struktureller Antisemitismus". Tatsächlich habe ich mich aus schon dabei ertappt, den Begriff falsch verwendet zu haben.

Also: "struktureller Antisemitismus" ist etwas anderes als "latenter", "verdeckter", "heimlicher" oder "getarnter" Antisemitismus. "Strukturell antisemitisch" heißt: einer bestimmten Anschauung oder Handlungsweise liegt eine gedankliche Struktur zugrunde, die dem Antisemitismus entspricht.

Verwirrt? Macht nichts, steigen wir mit einem einfacheren Beispiel ein. Dem "strukturellen Rassismus.

Rassismus geht davon aus, dass die "eigene Rasse" in irgendeiner Weise "hochwertiger" sei als andere "Rassen".
Strukturell rassistisch ist es, zwar auf den Begriff der rassischen Überlegenheit zu verzichten, aber troztdem die aus dem Rassismus bekannte Denkstruktur zu verwenden. Deutsche sind für einen "strukturellen Rassisten" nicht deshalb "Kanakern" überlegen, weil die "Kanaker" keine Weißen (Europäer, "Arier") sind, sondern weil die "Kanaker" nun mal aus einer "primitiven (mittelalterlichen, religiös fanatisierten, nomadischen, streng patriarchalischen, zerrütteten usw. ) Kultur" stammen und deshalb keine vollwertigen Mitmenschen sein können. (Für "Kanaker" kann eine beliebige Einwanderergruppe oder Minderheit eingesetzt werden.)
Diese Form des "struktuellen Rassismus" kann man auch "Kulturalismus" nennen, wenn man Wert auf passend beschriftete Schubladen legt.
Anderes Beispiel: die Pseudowissenschaft "Metagenetik" (in der von McNallen begründeten Form) entspricht in ihrer Struktur der älteren "Blut und Boden"-Lehre, verwendet aber ein modernes und auf den ersten Blick wissenschaftlich-neutrales Vokabular. Weil ein "Metagenetiker" aber in exakt den selben Bahnen argumentiert wie ein "Blut und Boden"-Theoretiker, und weil die Lehre von "Blut und Boden" eindeutig rassistisch ist, kann man mit Fug und Recht die "Metagenetik" als strukturell rassistisch bezeichnen. Zugleich ist sie ein Beispiel für "verdeckten Rassismus".

Der Antisemitismus teilt Merkmale des Rassismus, ist aber ein Sonderfall: Kein Antisemit würde auf die Idee kommen, etwa Juden nach dem üblichen rassistischen Muster als faul oder dumm zu bezeichnen. Tatsächlich trauten Antisemiten wie Wilhelm Marr, Jörg Lanz "von Liebenfels" und sogar Adolf Hitler "den Juden" einige geradezu "übermenschliche" Fähigkeiten zu. Stattdessen gelten Juden dem Antisemiten als zwar schlau, intelligent, geduldig, sogar gebildet usw. - aber dabei immer auch als feige und hinterhältig, als gierig und verlogen.
Allesamt Attribute, die für den Antisemiten klar machen, dass Juden typischerweise eher im Hintergrund die Fäden ziehen und davor zurückschrecken, sich selber die Finger schmutzig machen.
Eine für Demagogen sehr praktische Methode. Denn dies ermöglicht es beliebige Fehlschläge darauf zu schieben, dass die Juden die Sache heimlich sabotiert hätten. So geschehen z. B. nach dem für Deutschland verlorenem ersten Weltkrieg. "Die Roten" hätten an "der Heimatfront" Verrat an den heldenhaft kämpfenden deutschen Soldaten geübt, ihnen "den Dolch in den Rücken gestoßen". Und weil die "Roten" nun mal verhetzte, aber im Grunde gutwillige "deutsche Arbeiter" waren, müssen die wahren Drahtzieher der schändlichen Niederlage "die Juden" gewesen sein - man weiß ja, denen kann man alles zutrauen ...
Bei der Weltwirtschaftskrise wiederholte sich das üble Spiel, und für die Nazis waren die Juden an allem, aber wirklich allem Schuld, was einem aufrechten Nazi nicht in den Kram passte.

Nun ist diese Methode durchaus auch ohne Juden möglich. Das Großunternehmen XY-AG geht also nicht deswegen in den Konkurs - und einige tausend Arbeitsplätze flöten - weil die Konkurrenz am Markt einfach besser wäre, oder die Unternehmensleitung schwere Fehler gemacht hätte, oder die Rahmenbedingungen nicht günstig waren - oder, was auch vorkommt, ein Konkurrent schlicht weniger Skrupel z. B. bei Betriebverlagerungen in Billiglohnländer gehabt hätte usw. - oder, meistens, viele dieser Faktoren zusammen - sondern deswegen, weil eine kleine Handvoll gieriger Manager oder skrupelloser Investment-"Heuschrecken" (gern Ausländer, gern in New York, London, Hongkong oder Singapur sitzend) sich bereichern wollten.
Die Vorstellung, dass ein "kerngesundes Unternehmen" durch die "Machenschaften" fieser "Drahtzieher" mutwillig "gegen die Wand gefahren" wird, damit sich ein paar "kriminelle Manager" oder "geldgeile Heuschrecken" bereichern können, entspricht in ihrer "Erzählstruktur" einer klassischen antisemitischen Verschwörungstheorie. Das macht das Ganze "strukturell antisemitisch" - auch wenn niemand "die Abzocker" oder "die Heuschrecken" für Juden hält oder absichtlich mit "den Juden" gleichsetzt.

Wenn man z. B. der NPD "strukturellen Antisemitismus" nachsagt, ist das falsch - weil die NPDler typischerweise "echte" Antisemiten sind, die ihre Gesinnung aber mehr oder weniger geschickt tarnen. (Aber die NDP hat, um die Verwirrung komplett zu machen, sehr wohl "antisemitische Strukturen" - z. B. internes antisemitisches Schulungsmaterial, ihre Propaganda enthält antisemitische Deutungsmuster für Krisen, ihre Funktionäre haben haufenweise antisemitische Vorurteile und Klischees und verbreiten diese usw. usw. .)

Daher ist es auch kein Grund zur Empörung, wenn demographische Studien z. B. ergeben, rund 40 % aller Deutschen hätten ein "strukturell antisemitisches Weltbild". Viele der Befragten haben keine oder nur wenige antijüdische Vorurteile - aber sie denken z. B. in den Bahnen ursprünglich antisemitischer Verschwörungstheorien.

Antizionisten können sowohl strukturelle wie uneingestandene Antisemiten sein - im ersten Falle wird die Rolle, die traditionell "den Juden" zugeschrieben wird, einfach auf eine Untergruppe der Juden, eben die Zionisten, beschränkt. Im zweiten Falle ist der "Antizionist" einfach ein Antisemit, der sich nicht gerne Antisemit nennen lässt.

Und wer das mit der Struktur kapiert hat, der begreift auch, wieso ich manche Antifas für "strukturell faschistoid" halte.
distelfliege - 6. Jun, 21:49

Hmjjjjjjaaaaaa neeeeeeeein...

..verstehe ich nicht.
Dein Beispiel vom strukturellen Rassismus - das würde ich eher als getarnten Rassismus ansehen. Kulturalismus seh ich auch als eine neue, rhetorisch entschärfte Rassismusvariante an, aber es ist noch ganz normaler, bekannter Rassismus.
Weil: er betrifft genau die selben Menschen, die vom altbekannten Rassismus auch schon betroffen waren, nur mit halt nem neuen Mäntelchen, und andere Sprache/Kultur ist für Kulturalisten noch lange kein Grund, jemand auszuschliessen - es ist nach wie vor "Rasse", ansonsten müsste man die Friesen z.b. auch wegen anderer Sprache/Kultur a la Kulturalismus mit Vorurteilen eindecken. Das geschieht aber nicht.
Oder ich habs nicht wirklich verstanden, was du meintest... *g*

Was den strukturellen Antisemitismus angeht, da habe ich das Beispiel, denk ich mal - verstanden. Wieder was gelernt.
In diesem Fall ist meine Ansicht zu dem Begriff "struktureller Antisemitismus": Der Begriff ist sehr unglücklich gewählt, weil ich finde, daß man damit sehr, sehr vieles in die Kategorie "Antisemitismus" packen könnte, und damit der Begriff des "echten Antisemitismus" verwässert wird.

Ich bring auch mal ein Beispiel: Leute, die alle und alles für Faschos halten, oder Leute, die bei allem möglichen gleich Antisemitismus schreien (ich denk da mal an die lieben Antideutschen) machens am Ende unmöglich, noch einen klaren Begriff zu haben, was Antisemitismus überhaupt ist. Also, wenn einen der Türsteher mit einem Fremdgetränk nicht in die Disko reinlässt und er deswegen ein Antisemit ist, (obwohl man selbst mitnichten Jude ist) dann wird irgendwann der Antisemitismusbegriff absurd.

Und was das Ergebnis der Studie angeht, und die Empörung: Ein so schwieriger Begriff, der sich aufs Erste nun mal nach "Antisemitismus" anhört, und nach weiter nix, ist da sicher auch mit dran schuld, wenn sich empört wird, wer weiß denn schon, daß damit jetzt nicht gemeint ist, dass man Vorurteile gegen Juden hätte, sondern daß gemeint ist, daß man Vorurteile hat, die vor allem gegen Juden gehegt werden, nur daß man die halt nicht gegen Juden hegt?

Das mit der Struktur stimmt natürlich, daß es bisweilen ähnliche Strukturen gibt die verschiedenen Denkweisen zugrunde liegen, oder die gleiche Struktur. In dem Sinne sind manche Antifas auch strukturell faschistoid, wobei - was ist "faschistoid". Faschistenähnlich? Oder "Wie Faschisten"? Dann kannst du dir das "strukturell" fast sparen. Es wäre durch das "-oid" schon mit drin.

MMarheinecke - 6. Jun, 22:33

Du hast es schon verstanden

Das Problem bei meinem Beispiel ist aber, dass der "getarnte" Rassismus und der "strukturelle" Rassismus, ähnlich wie ja auch bei den "Metagenetikern" und, bezogen auf den Antisemitismus, dem Antizionismus, zusammen vorliegen können. Wenn die Minderheit z. B. Polen, Dänen (kommt auch vor, aber selten), Holländer oder "die Amis" sind, oder es gegen "die Moslems" (auch Bosnier, Kosovaren oder "echt-deutsche" Konvertiten) geht, dann kann "echter" Rassismus ausgeschlossen werden. Gegen die "Nationalfriesen", die hartnäckig auf ihrer ganz eigenen Sprache beharren, gab und gibt es durchaus Kulturalismus. Sogar, in versteckter Form, im Wahlkampf seitens einiger schleswig-holsteinischer CDU-Politiker, die auch schon mal die (allgemein eher linksliberal denkenden) SSW-Wähler als "Pseudodänen" und "Nachkommen von Speck- und Butterdänen" bezeichnen. ("Speck- und Butterdänen" wurden jene Schleswiger genannt, die sich nach dem 2. Weltkrieg zur dänischen Nationalität bekannten, weil Dänemark schon unmittelbar nach dem Krieg wieder Nahrungsmittelüberschüsse produzierte und damit die in Deutschland lebenden Dänen großzügig unterstürzten - während die Ernährungslage für die "deutschen" Schleswiger bis ca. 1948 ausgesprochen schlecht war - schlechter als in anderen Regionen des Besetzten Deutschland. Steht auch im Zusammenhang mit dänischen Bestrebungen, als Ausgleich für die deutsche Besatzungszeit Dänemark bis zur "historischen Grenze", der Schlei, auszudehnen. Jeder der sich, und sei es aus Opportunismus oder blankem Hunger, politisch zu Dänemark bekannte, kam den "Eiderdänen" sehr gelegen.)

Zurück zum Thema: ich finde auch, dass der Begriff "struktureller Antisemitismus" sehr unglücklich gewählt ist. Auch ich benutze ihn regelmäßig falsch.

Ja, strukturell faschistoid ist, in mancher Hinsicht, doppelt gemoppelt. In anderer wieder nicht - aber das wird mir zu haarspalterisch und zu theoretisch.
MMarheinecke - 7. Jun, 19:51

Ja, gut getroffen

Diese spezielle "antideutsch / prowestlich" Logik - klar, wer gegen McDonald ist, ist antisemitisch. Wobei ich natürlich merke, dass auch in meiner Argumentation strukturelle Ansätze stecken, die genau auf dieses verbohrte schwarz/weiß-Denken hinstreben.

Was nicht heißt, dass ich diese Anti-McDonald-Proteste für zielführend oder sinnvoll halte. Der wirksamste Prostest gegen "McDoof" ist immer noch: einfach nicht dort essen. Zwingt einen ja keiner. Bei uns im Stadtteil hat neulich der MacDonalds dichtgemacht - mangels Kundschaft. (Absehen davon, dass der "stille Kaufboykott" keine wirklich antiamerikanischen Trittbrettfahrer mobilisiert.)
Karsten (Gast) - 6. Jun, 23:16

Kannst Du dir keinen Antizionisten vorstellen, der gleichzeitig aber weder strukturell noch getarnt oder gar offen antisemitisch ist?

MMarheinecke - 7. Jun, 07:18

Vorstellen kann ich ihn mir

Nur: getroffen habe ich ihn noch nicht - oder auch nur von ihm gelesen.
Aus meiner Sicht das Existenzrecht Israels eine conditio sine qua non für die weitere Existenz "des Judentums" als Kultur- /Religion- /Lebenstil ist. Zwar hat "das Judentum" auch ohne einen eigenen Staat über 1700 Jahre Disaspora mit Ach und Krach unter unter vielen Härten überstanden, aber darauf verlassen würde ich mich als Jude, angesichts der Ereignisse des 20. Jahrhunderts nicht - ja, ich rede vom industriellen Massenmord von Deutschen, darunter auch Ahnen von mir, an ihren jüdischen Mitmenschen. Es gibt heute wahrscheinlich weltweit erheblich mehr "elemenatorische Antisemiten" als 1933, für mich ist jeder fundamentalistischer Christ und jeder fundamentalistischer Moslem jemand, der zwar "die Juden" am Leben lassen, aber ihre "Identität" auslöschen möchte.

Kurz und gut: in der Welt, so wie sie nun mal ist, gibt es aus pragmatischen Gründen zum Zionismus keine Alternative.
Das Problem, wie die Rechte der Palästinenser gewährt und gesichert werden können, ist, aus meiner Sicht lösbar. Wenn alle Beteiligten es wollen. (Sie wollen es leider nicht.)
micha42 (Gast) - 7. Jun, 10:37

Widerspruch!

Was du sagst, trifft nur zu, wenn eine ethnische Gruppe (o.ä., z.B. ein Berufszweig) das Ziel ist, nicht aber, bei einer Handvoll ganz konkreter Leuten. Also etwa, um bei deinem Heuschreckenbeispiel zu bleiben, wenn es um Manager allgemein geht, und nicht um bestimmte Manager oder das Management einer bestimmten Firma.

Nach deiner Logik wäre jeder, der irgendwen für hinterhältig oder gierig hält, "struktuerell antisemitisch", weil Hinterhältigkeit und Gier ja bekanntlich der Standardvorwurf gegen Juden war. Das ist doch ein unzulässiger und falscher Umkehrschluss: dann ist auch, wer Mannschaftssportarten toll findet, eindeutig ein (ggf. nur struktureller) Nazi; wer zur Demo nach Heiligendamm will, automatisch ein (struktureller) Autonomer; und überhaupt sind alle Männer Sokrates (zumindest strukturell), wie schon Woody Allen erkannte.

MMarheinecke - 7. Jun, 20:07

Das ist das Risiko des vereinfachten Beispiels

Eben, dass ich viele der eigentlich notwendigen Differenzierungen weg lassen muss. Zu "antisemitischen Struktur" gehören noch weitaus mehr Merkmale; schon eine Beschreibung der "faschistische Persönlichkeit" und ihre Merkmale kann ohne weiteres 100 Druckseiten lang sein. Textewüsten will ich niemanden zumuten, am wenigsten mir selbst. ("Mag Mannschaftssportarten" ist übrigens kein Merkmal einen faschistischen Persönlichkeit - der Glaube an "das Recht des Stärkeren" ist aber ungemein typisch.)
micha42 (Gast) - 7. Jun, 20:17

@martin: Das Sport-Beispiel resultierte leider aus real Erlebtem (d.h. aus in einem gewissen nicht allzu unbekannten Blog Gelesenem), wo die Logik wie folgt verlief: Mannschaftssportpropagierender -> Individualismusfeind -> Nazi- und Antisemitismusverdacht

@chat: Ich berichtige meine Formulierung: man streiche das "nur" im 1. Satz und ersetze es durch "unter Umständen" o.ä.
Serdar (Gast) - 10. Jun, 16:12

Ich weiß nicht ob das schon eingeworfen wurde, aber Hanloser hat mal dazu was geschrieben:

-Kapitalismuskritik und falsche Personalisierung

http://www.akweb.de/ak_s/ak499/02.htm

-Attac, Globalisierungskritik und „struktureller Antisemitismus“

http://www.grundrisse.net/grundrisse13/13gerhard_hanloser.htm

vielleicht interessierts ja
MMarheinecke - 11. Jun, 11:01

Danke für die Links, Serdar!
Hätte ich die Texte vorher gekannt, wäre ich bei meiner Erklärung des in der Tat zum Jargon verkommenen Begriffs "struktureller Antisemtismus" vorsichtiger gewesen.
Chat Atkins (Gast) - 7. Jun, 16:22

Wäre demnach nicht jeder 'Verschwörungstheoretiker' zugleich auch ein 'struktureller Antisemit', egal ob er nun 'die Jesuiten', 'die Neoliberalen' oder 'die Psychiater' (wie z. B. Scientology) als superiore Gruppe im Hintergrund des Geschehens verantwortlich macht.

MMarheinecke - 7. Jun, 20:38

Nein, nur eine bestimmter Typ Verschwörungstheorie

Und zwar jene Verschwörungstheorie, die einen Langzeitplan einer sinisteren Gruppe mit dem Endziel der Weltherrschaft unterstellen, wobei es ein typisches Merkmal der Verschwörer ist, dass sie scheinbar gegensätzliche gesellschaftliche und politische Positionen vertreten: für die Nazi steckte "der Jude" hinter dem Wallstreetkapitalismus ebenso wie hinter dem Bolschwismus, unterwanderte den Vatikan ebenso wie die bürgerlich-liberale Presse usw. .
Also kurz: die "Illuminaten-Jesuiten-Freimaurer-Juden-...", die in Wirklichkeit alle unter einer Decke stecken. Nimmt man "die Juden" aus dem Komplex heraus, bleibt die betreffende Verschwörungstheorie strukturell antisemitisch, nur eben von offenem Antisemitismus gereinigt. "Die Neoliberalen" halten nur wenige für so mächtig, machtgierig und allgegenwärtig, so dass die meisten Anti-"Neoliberale" Verschwörungstheorien die Kriterien nicht erfüllen. Wenn allerdings die "Neoliberalen" für alles Unheil dieser Erde verantwortlich gemacht werden, auch für Missstände, für die sie beim besten Willen nichts können, nähert sich die betreffende Theorie dem strukturellen Antisemitismus an. (Wenn für den Klimawandel die "kapitalistische Wirtschaftsform" - und mit ihr die bösen Neoliberalen als (angeblich) radikalste Befürworter des Kapitalismus - mitverantwortlich gemacht werden, so mag das ausgemachter antikapitalistischer Blödsinn sein, ist aber noch nicht "strukturell antisemitsch". Wenn aber die bösen Neoliberalen aber die Klimakathastrophe absichtlich angezettelt haben, ihrer undurchschaubarer Machtpläne wegen, würde so etwas wie "strukturellen Antisemitismus" nicht ausschießen.)
Wenn dann noch "die Ostküste" der USA, wo all diese Neoliberalen und Neocons und Pressezaren und Börsenmanipulatoren und Bankhaie und Kulturimperialisten usw. mit Geheimdienstleuten beisammen sitzen und Regierungen wie Marionetten an ihren Fäden tanzen lassen, und gemäß ihren egoistischen Wirtschaftsplänen Hungersnöte, Wetterkatastrophen und Missernten herbeiführen, dann ist die Theorie eindeutig strukturell antisemitisch - oder Antisemitismus-Analog.
Jari (Gast) - 11. Jun, 18:44

strukturell faschistoid

Könnte man "strukturell faschistoid", auch mit "von der Denkstruktur faschismusähnlich" umschreiben?

Gruß, Jari

MMarheinecke - 12. Jun, 07:04

Ja!

Auch wenn da andere wieder anderer Ansicht wären ...
Marek Möhling (Gast) - 12. Jun, 23:24

Namus & Co.

Aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Namus

Namus ist in vielen orientalischen Gesellschaft neben Achtung, Respekt, Ehre und Würde ein zentraler Wert und für die innerfamiliären Autoritätsbeziehungen von großer Bedeutung. Die Wirkung des Begriffs ist stark geschlechtsspezifisch.
„Die Konzepte von sevgi, saygi, seref und namus garantieren das enge Eingebundensein in ein soziales Netz, das soziale Kontrolle ausübt und gegenseitige Unterstützung gewährt. Kinder sollen sich unterordnen, gehorsam sein, sich konform verhalten und Loyalität zeigen, damit ein hoher Grad an Zusammenhalt und gegenseitiger Abhängigkeit gewährleistet bleibt. Prozesse und Erziehungsziele wie Individuation, Autonomie, Initiative, Aktivität oder Neugier sind bei Kindern eher unerwünscht, würden sie doch die Kohäsion der Gemeinschaft gefährden.“

Wolfgang Bilsky, M. Toker: Jugendliche nichtdeutscher Herkunft im Strafprozeß. In: R. Lempp, G. Schütze, G. Köhnken (Hrsg.): Forensische Psychiatrie und Psychologie des Kindes- und Jugendalters. Steinkopf, Darmstadt 1999, S. 287–299
Hört sich an wie ein Backrezept für o.g. "faschistische Persönlichkeit". Das empirisch belegte Korrelat, wenn nicht Ergebnis:
"... ein Drittel der türkischsprachigen Migrantenjugendlichen im Alter zwischen 15 und 21 Jahren" neigen zu "einem gewaltzentrierten islamischen Fundamentalismus und ethnischen Nationalismus"

Heitmeyer, Wilhelm/Müller, Joachim/Schröder, Helmut: Verlockender Fundamentalismus. Türkische Jugendliche in Deutschland, 1997/3rd ed. 1998
Heitmeyer kann ich bestätigen - schon auf dem Weg zu Markt in SO36 kann ich die neuesten Verschwörungstheorien der Kids hören, frisch aus den Satellitenschüsseln mit -sagen wir mal- al-Mana TV, das wg. der, äh, beeindruckenden Videos auch bei türkischsprachigen Jugendlichen beliebt ist. Schon gewusst, dass "Deutschland" "Israel" Giftgas zur Ermordung von Palästinensern liefert? Solidarität mit "den Brüdern" wird da zur Pflicht, inkl. Selbstmordattentat, zumindest unter "Hisbollah, Hisbollah" skandierenden Kids, die den Mädchen imponieren wollen - hoffnungsvollerweise finden die das oft dämlicher, als von mir -und den Jungs- erwartet.

Ist die Vermutung kulturalistisch, dass die Probleme in Bezug auf Beschulbarkeit, Integrationswilligkeit und Gewaltneigung bei vielen Immigranten aus orientalischen Gesellschaften mit o.g. sozial bedingten Phänomen zusammenhängen und nicht in erster Linie zufällig und bestenfalls das Ergebnis rassistischer Diskriminierungserfahrungen sind? Oder gilt etwa, dass Heitmeyers, Bilskys und Tokers Feststellungen bzw. Einschätzungen ja nur soziale Faktoren und Umstände benennen, deren kulturelle Verankerung bestenfalls ein Überbau darstellt?

Die fatalen Folgen, die das vom Islam perpetuierte patriarchalische Denken nach über 1300 Jahren vor allem für Frauen hat, läßt sich exemplarisch am wikipedia.org/wiki/Arab_Human_Development_Report ablesen:

"Al Jazeera and the Economist describe education and science as being in a "state of crisis", and "self-doomed to failure"; three things were lacking: freedom, knowledge, and an adequate status for women [...] Adult illiteracy rates have declined but are still very high: 65m adults are illiterate, almost two-thirds of them women."

"Governments and societies (and sometimes, as in Kuwait, societies and parliamentarians are more backward than their governments) vary in the degrees of bad treatment they mete out to women. But in nearly all Arab countries, women suffer from unequal citizenship and legal entitlements. The UNDP has a “gender-empowerment measure” which shows the Arabs near the bottom (according to this measure, sub-Saharan Africa ranks even worse). But the UN was able to measure only 14 of the 22 Arab states, since the necessary data were not available in the others. This, as the report says, speaks for itself, reflecting the general lack of concern in the region for women's desire to be allowed to get on."

Al Dschasira fasst zusammen:
"The educational system is severely retarded; schools produce ignorant young men and women who excel in rote memorisation more than educated innovators. Most intellectuals, even if they deny it, realise that most of what was said in the most recent Arab Human Development Report is true."

Dass wer aus einer "religiös fanatisierten, streng patriarchalischen, zerrütteten usw." "Kultur stammt", trotzdem ein "vollwertige[r] Mitmensch" ist, steht außer Frage. Was aber spricht gegen Anwendung des Punktesystems nach kanadischem oder australischem Muster, um die sozialen Kosten von Immigration -gänzlich ungeniert- minimieren zu wollen? Und da gilt, dass ein Pole, Philippino oder Ghanaer mit Abitur und/oder Berufsausbildung pflegeleichter ist, als der Landpächter aus Ostanatolien, dessen Vorfahren Generationen von Imamen, Gutsherren, Paschas und Diktatoren das Rückgrat verbogen und gelehrt haben, das körperliches Durchsetzungsvermögen mehr wert ist als Schulerziehung - die eben auch immer rebellisch macht, Stichworte sind da Tokers "Individuation, Autonomie" etc. Der städtische Kleinbürger Algiers oder Kairos konnte vielleicht von einigen pseudo-sozialistischen Ansätzen profitieren, die die Realität aber auch nie entscheidend veränderten - die NYT zeigt da einen Ausschnitt aus dem ägyptischen Alltag: www.nytimes.com/2007/06/12/world/middleeast/12fatwa.html

Die arabische Welt druckt dem Arab Human Development Report (2002) zufolge jährlich soviel Bücher wie umgerechnet NRW, und hat in den letzten Tausend Jahren (al-Ghazali!) soviel Bücher übersetzen lassen, wie das kleine Spanien im Jahr der Untersuchung. Was sollte strukturell rassistisch daran sein, das sich ergebende, wirtschaftlich und sozial zu quantifizierende Elend -ja!- zivilisatorischen Rückstand zu nennen?

dummerle - 5. Jun, 11:12

strukturell antisemitisch

Inhaltlich stimme ich Deinem Text zwar zu, aber den Begriff "strukturell antisemitisch" finde ich dennoch ungeeignet.
Die beschriebene Struktur ist sozusagen der übergeordnete Zusammenhang. Diese zunächst noch unbezeichnete Struktur wird nun auf einen (zufällig gewählten) Spezialfall, den Antisemitismus, bezogen und bekommt sonach vom Spezialfall seine Namensgebung. Das finde ich unlogisch und führt dann dazu, dass Vorgänge strukturell antisemitisch sein können ohne dass bei diesem Vorgang Juden irgendeine Rolle spielen.

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