Das Original

Heute starb, nach langer, quälender Krankheit, der Maler Jörg Immendorff. Immendorff litt seit Jahren an der unheilbaren Nervenkrankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose), einer alptraumhaften Krankheit. ALS ist eine degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems, die im Verlauf weniger Jahre zu einer fortschreitenden Lähmung des gesamten Körpers führt. Der eigene Körper wird zum Gefängnis.
Sein Tod war, so pathetisch das klingt, Erlösung. Es heißt, er sei an Herzversagen gestorben. Sein Erbe geht an eine von ihm gegründete Stiftung mit Forschungsstipendium an der Berliner Charité zur Erforschung von Ursache und Therapie der ALS.

Immendorf war einer der prominentesten Künstler Deutschlands. Sogar die Rundfunk-Nachrichten würdigten ihn.

Ich fürchte aber, dass Immendorf seine Prominenz in erster Linie nicht seinem künstlerischen Schaffen verdankt, sondern den sogenannten Skandalen. So heißt es in der "Netzeitung":
Durch einen Sex- und Rauschgiftskandal im Jahr 2003, den er mit einer Bewährungs- und hoher Geldstrafe büßen musste, war der frühere Beuys-Schüler auch außerhalb der Kunstszene bekannt geworden.
Eine Sorte Prominenz, auf die Immendorf sicher gern verzichtet hätte. Zumal der "Skandal" bei Lichte gesehen vergleichsweise ein "Skandälchen" war, und der Drogenkonsum auch im Zusammenhang mit seiner schweren Krankheit gesehen werden muss.

Wobei der zeitweilig den "Jungen Wilden" nahe stehende Beuys-Schüler sicher nicht der Typ war, der sich gerne anpasste oder ständig um sein "gutes Image" und "gute Presse" bemüht war. Aber ein "Skandalkünstler" war er nicht. Er war solide in seinem Werk, glaubwürdig in seinen sozialen und politischen Engagement und wenn er provozierte, dann bestimmt nicht der Provokation willen. Auch wenn es sich manchmal geschickt in Szene zu setzen verstand.

Das erste Immendorf-Werk, das ich im Original sah, war ausgerechnet eine Plastik von Hans Albers.
Hans-Albers-Statue von Jörg Immendorf
"Hans Albers" - Statue von Jörg Immendorf auf dem Hans-Albers-Platz, Hamburg-St.Pauli.
Sie stand in der La-Paloma-Bar auf St. Pauli. Immendorf hatte diese Bar gegründet und für einige Zeit lang geleitet. Als ich erfuhr, dass die Albers-Plastik von dem Immendorf ist, und der Immendorf in den frühen 80ern mal eine Kneipe (den etwas anderes ist das "La-Paloma" nie gewesen) auf St. Pauli hatte, da wusste ich: nicht nur die Plastik, sondern auch ihr Schöpfer ist ein Original.

Ein Original in einer Welt voller gestylter Kopien. Voller geklonter Feen, wie ein anderes (zum Glück nicht totkrankes) Original rappt.

Ich hebe mein Horn auf Jörg Immendorf!
Karan (Gast) - 29. Mai, 12:26

Vor längerer Zeit sah ich eine bewegende Dokumentation über ihn. Ein beeindruckender Mensch...

Da stoß' ich doch gleich mal mit Dir auf ihn an!

Trackback URL:
https://martinm.twoday.net/stories/3776172/modTrackback

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Geheimauftrag MARIA STUART...
Krisenfall Meuterei Der dritte Roman der Reihe "Geheimauftrag...
MMarheinecke - 9. Apr, 19:42
Urlaubs-... Bräune
Das "Coppertone Girl", Symbol der Sonnenkosmetik-Marke...
MMarheinecke - 1. Aug, 08:34
Geheimauftrag MARIA STUART...
Ahoi, gerade frisch mit dem Postschiff eingetoffen. Der...
MMarheinecke - 26. Mär, 06:48
Kleine Korrektur. Man...
Kleine Korrektur. Man kann/sollte versuchen die Brille...
creezy - 11. Nov, 11:29
strukturell antisemitisch
Inhaltlich stimme ich Deinem Text zwar zu, aber den...
dummerle - 5. Jun, 11:12

Suche

 

Status

Online seit 7045 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Credits


doof-aber-gut
Gedankenfutter
Geschichte
Geschichte der Technik
Hartz IV
Kulturelles
Medien, Lobby & PR
Medizin
Persönliches
Politisches
Religion, Magie, Mythen
Überwachungsgesellschaft
Umwelt
Wirtschaft
Wissenschaft & Technik
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren