"Vereinfachen" - bis es falsch wird!
Es ist geradezu eine Binsenweisheit in Propaganda, Public Relation, Spindoctoring, Lobbyismus und Werbung: Eine wirksame Botschaft muß möglichst einfach gehalten werden.
(Allen Spezies, die jetzt damit kommen, dass Propaganda, Public Relation, Spindoctoring, Lobbyismus und Werbung doch völlig unterschiedliche Felder seien, sei eine Dokumentarreihe der BCC empfohlen, die Sven hier wohlwollend-kritisch bespricht: Propaganda und PR. Die massenpsychologischen Prinzipien und Methoden sind grundsätzlich diesselben, egal, ob man ein politisches Programm, die Interessen eines Industriezweigs oder Weichkäse öffentlich vertritt.)
Dass dabei das Problem auftritt, dass manche Sachverhalte sich nur begrenzt vereinfachen lassen, wird nicht nur von den bekannten "schrecklichen Vereinfachern", den Populisten und totalitären Ideologen zugunsten einer besseren "Schlagkraft" gern in Kauf genommen. Sondern sogar von Wissenschaftler, vor allem solchen in Beraterfunktion. (Übergänge zum Lobbyismus und zum Spindoctoring sind dabei fließend.)
Ein Beispiel: Dr. Christian Pfeiffer, Rechtswissenschafter, Sozialpsychologe und Direktor des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen, sagte:
Der erste Satz ist ein "wunderschönes" Beispiel für eine unzulässige Vereinfachung. "Medienkonsum" ist nämlich nicht nur Fernsehen und Computerspielen, sondern auch Radiohören, Lesen - oder im Internet surfen. Es fällt dabei unter den Tisch, welche Inhalte der besagter Hauptschüler dabei "konsumiert". Es ist zwar anzunehmen, dass der größte Teil davon, aus "bildungsbürgerlicher" Perspektive, "Schund" sein könnte - sicher ist es aber keineswegs. Wobei auch "Schund" und "Kitsch" in der Regel in Hinblick auf die "Kriminalisierung" harmlos sind - was auch Dr. Pfeiffer weis. Sein Thema ist der Einfluß von Gewaltdarstellungen auf Jugendliche, nicht etwa der von Seifenopern oder Gerichtsshows.
Außerdem sind fünf Stunden Mediennützung nicht nur unter Hauptschüler völlig normal, unter "Gebildeten" düften es tendenziell sogar mehr sein. Aber die selbst beantworte Frage lenkt den Zuhörer gedanklich in die "richtige" Richtung: er sieht vor seinem geistigen Auge picklige, prollige "Couch-Potatos", die sich den ganzen Tag Gewaltfilme und "Killerspiele" 'reinziehen.
Ein sehr beliebtes Feld für unzulässige Vereinfachungen ist die Gesundheitsaufklärung, die auch gern einmal fließend in Werbung für bestimmte Produkte und Heilverfahren übergeht. "Auflärungs"-Kampagnen zeichnen sich durch simple "Wahrheiten" aus, z. B. dass "zuviel Cholesterin Infarktsrisiko Nr. 1" sei - und dabei die wohlbekannte Tatsache, dass es in erster Line nicht auf das Gesamt-Cholesterin ankommt und die weniger bekannte, dass z. B.der von der Lipid-Liga empfohlene "obere Grenzwert" von 200 Milligramm Cholesterin pro Deziliter 1. zu niedrig ist und 2. auf großzügiges Sponsoring der pharmazeutischen Industrie zurückgeht.
Sogar simple Wahrheiten, wie die, dass es auf die Dosis ankommt, ob ein Ding Heilmittel oder Gift ist, sind für manche Gesundheitsaufklärer anscheinend noch nicht einfach genug:
Ein Team von Prof. Mary Norval von der Medizischen Fakultät der Universität Edinburgh untersuchte die Folgen der Blockade der Vitamin D-Synthese in der Haut durch permanenten Sonnenschutz auf allen unbedeckten Hautflächen. Sie kam zu einer altbekannten Erkenntnis: Wir sollten eine Balance zwischen den positiven Effekten der Sonnenstrahlen bei der Bildung von Vitamin D und den negativen Effekten von zu viel Sonne finden.
Die Cancer Research UK reagierte prompt - und entlarvend: "Wir sind besorgt, dass eine solche gemischte Botschaft ein gefährliches Durcheinander in den Köpfen der Leute verursacht."
Propagandasprüche müssen eben einfach und eindeutig sein. Denn die Leute können ja nicht selber denken und dürfen auf keinen Fall selbst entscheiden, was ihnen gut tut.
(Allen Spezies, die jetzt damit kommen, dass Propaganda, Public Relation, Spindoctoring, Lobbyismus und Werbung doch völlig unterschiedliche Felder seien, sei eine Dokumentarreihe der BCC empfohlen, die Sven hier wohlwollend-kritisch bespricht: Propaganda und PR. Die massenpsychologischen Prinzipien und Methoden sind grundsätzlich diesselben, egal, ob man ein politisches Programm, die Interessen eines Industriezweigs oder Weichkäse öffentlich vertritt.)
Dass dabei das Problem auftritt, dass manche Sachverhalte sich nur begrenzt vereinfachen lassen, wird nicht nur von den bekannten "schrecklichen Vereinfachern", den Populisten und totalitären Ideologen zugunsten einer besseren "Schlagkraft" gern in Kauf genommen. Sondern sogar von Wissenschaftler, vor allem solchen in Beraterfunktion. (Übergänge zum Lobbyismus und zum Spindoctoring sind dabei fließend.)
Ein Beispiel: Dr. Christian Pfeiffer, Rechtswissenschafter, Sozialpsychologe und Direktor des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen, sagte:
Der durchschnittliche männliche Hauptschüler bringt es auf fünf Stunden Medienkonsum am Tag. Was ist das für ein Leben? Das ist ein krankes Leben!"Was ist das für eine Argumentation? Eine demagogische und bewußt manipulative Argumentation!
Der erste Satz ist ein "wunderschönes" Beispiel für eine unzulässige Vereinfachung. "Medienkonsum" ist nämlich nicht nur Fernsehen und Computerspielen, sondern auch Radiohören, Lesen - oder im Internet surfen. Es fällt dabei unter den Tisch, welche Inhalte der besagter Hauptschüler dabei "konsumiert". Es ist zwar anzunehmen, dass der größte Teil davon, aus "bildungsbürgerlicher" Perspektive, "Schund" sein könnte - sicher ist es aber keineswegs. Wobei auch "Schund" und "Kitsch" in der Regel in Hinblick auf die "Kriminalisierung" harmlos sind - was auch Dr. Pfeiffer weis. Sein Thema ist der Einfluß von Gewaltdarstellungen auf Jugendliche, nicht etwa der von Seifenopern oder Gerichtsshows.
Außerdem sind fünf Stunden Mediennützung nicht nur unter Hauptschüler völlig normal, unter "Gebildeten" düften es tendenziell sogar mehr sein. Aber die selbst beantworte Frage lenkt den Zuhörer gedanklich in die "richtige" Richtung: er sieht vor seinem geistigen Auge picklige, prollige "Couch-Potatos", die sich den ganzen Tag Gewaltfilme und "Killerspiele" 'reinziehen.
Ein sehr beliebtes Feld für unzulässige Vereinfachungen ist die Gesundheitsaufklärung, die auch gern einmal fließend in Werbung für bestimmte Produkte und Heilverfahren übergeht. "Auflärungs"-Kampagnen zeichnen sich durch simple "Wahrheiten" aus, z. B. dass "zuviel Cholesterin Infarktsrisiko Nr. 1" sei - und dabei die wohlbekannte Tatsache, dass es in erster Line nicht auf das Gesamt-Cholesterin ankommt und die weniger bekannte, dass z. B.der von der Lipid-Liga empfohlene "obere Grenzwert" von 200 Milligramm Cholesterin pro Deziliter 1. zu niedrig ist und 2. auf großzügiges Sponsoring der pharmazeutischen Industrie zurückgeht.
Sogar simple Wahrheiten, wie die, dass es auf die Dosis ankommt, ob ein Ding Heilmittel oder Gift ist, sind für manche Gesundheitsaufklärer anscheinend noch nicht einfach genug:
Ein Team von Prof. Mary Norval von der Medizischen Fakultät der Universität Edinburgh untersuchte die Folgen der Blockade der Vitamin D-Synthese in der Haut durch permanenten Sonnenschutz auf allen unbedeckten Hautflächen. Sie kam zu einer altbekannten Erkenntnis: Wir sollten eine Balance zwischen den positiven Effekten der Sonnenstrahlen bei der Bildung von Vitamin D und den negativen Effekten von zu viel Sonne finden.
Die Cancer Research UK reagierte prompt - und entlarvend: "Wir sind besorgt, dass eine solche gemischte Botschaft ein gefährliches Durcheinander in den Köpfen der Leute verursacht."
Propagandasprüche müssen eben einfach und eindeutig sein. Denn die Leute können ja nicht selber denken und dürfen auf keinen Fall selbst entscheiden, was ihnen gut tut.
MMarheinecke - Montag, 19. Februar 2007
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