Anti-Nazi Demo in Hamburg-Bergedorf - brutaler und dilettantischer Polizeieinsatz

Da ja fast "vor meiner Haustür" demonstriert wurde, mal meine persönlichen, höchst subjektiven Eindrücke von den Gegendemos gegen den Nazi"-Aufmarsch" in Hamburg-Bergedorf.

"Aufmarsch" schreibe ich nicht von ungefähr in Gänsefüßchen. Denn es waren nur zwischen 40 bis (allerhöchstens) 50 rechte Gestalten, unter ihnen Christian Worch, die im historischen Ortskern Bergedorfs eine Kundgebung gegen den geplanten Bau einer Moschee abhielten - ein Protest, der auch innerhalb der NPD nicht unumstritten ist.

Ganz andere Zahlen bei den Gegendemonstranten: nach Angeben des NDR nahmen an der Anti-Demo mehr als 1.100 (!) meist linke Demonstranten teil.
Hinzu kommen noch mindestens die doppelte Anzahl Teilnehmer an den Gegenveranstaltungen des "Rathausbündnisses" - womit ich weniger die Reden der Parteipolitiker meine (die ich weiträumig umging), als die volksfestartigen Kulturveranstaltungen z. B. der Einwandererinitiativen.

Damit kamen auf einen einsamen "Faschos" rund 80 Gegendemostanten. Das wäre eine eindrucksvolle Demonstration wem den nun die Straße wirklich gehört - ja, wenn es da nicht einige leider nicht ungewöhliche unschöne Begleitumstände gegeben hätte.

Der erste unschöne Begleitumstand war, dass einige (nicht alle!) Vertreter des "Rathausbündnisses" die linken Antifas pauschal in die Krawallmacherecke geschoben worden. Irgendso ein Wichtigtuer von der CDU laberte sogar etwas Unsägliches im Sinne von "Extremismus von Rechts und Links" ins Pressemikrofon.
Sicher, es gibt unter über tausend Leuten immer ein paar Randalekids und Krawallniks. Aber im Großen und Ganzen hatte ich nicht den Eindruck, dass die "Antifas" auf "Straßenschlacht" eingestellt gewesen wären. Was bei so wenigen Nazis als Gegner auch nicht wirklich überrascht.

Das andere, auch von anderen Demos bekannte Ärgernis: "Nach Angaben der Polizei kam es dabei nur vereinzelt zu kleineren
Auschreitungen, einige Randalierer seien vorübergehend festgenommen worden."
Ja - ähm - dass sehe ich aber etwas anders. Weil ich es anders gesehen habe.
Die Polizei war mit insgesamt 1.200 Mann (überwiegend nicht aus Hamburg), Wasserwerfern und Sperranlagen präsent.

Die "machtvolle Großkundgebung" der paar jämmerlichen NPDler wurde weiträumig von der Polizei abgeriegelt, mehrere wichtige Straßen stundenlang gesperrt (Verkehrchaos pur). Trotz massiven Polizeiaufgebots und Abriegelung vieler Straßenzüge soll es überraschend vielen AntifaschistInnen gelungen sein, in die Nähe des Kungebungsortes zu gelangen - ich war nicht darunter, deshalb kann ich nur vermuten, dass sie durch die winkelingen Seitengassen der Bergedorfer Innenstadt an den überwiegend nicht ortskundigen Polizisten vorbeischlichen.
Erst unmittelbar vor dem Kundgebungsort konnten die Polizisten die Antifas aufhalten - sie taten es maximal inversiv. Ab 13 Uhr setzen sie mehrmals die Wasserwerfer gegen Gegendemonstranten ein - bei den herschenden Minusgraden auch für die nicht direkt getroffenen kein Spaß. Bei den brutalen Festnahmen (massiver Schlagstockeinsatz) gab es nach Angaben der Antifa auch Verletzte.
Die Kundgebung der Möchtegern-Volksredner war nur kurz, unter massiver Polizeieskorte wurde sie zum nahen Bahnhof zurückgeleitet.

Auch nach meinem Eindruck trat die Polizei sehr agressiv auf, z .T. gab es recht brutale Festnahmen auch Abseits des Kundgebungsortes. An der "Basis" klappte die Zusammenarbeit zwischen den "etablierten" und den "radikalen" Gegendemonstranten gut, Mitglieder der Peter und Pauls-Kirchengemeinde ließen die "durchgebrochenen" Antifas auf Kirchengelände - und entzogen sie so dem unmittelbaren Zugriff der Bereitsschaftspolizei.
Auch "Normalbürger" unterstützten die Demonstanten, Mitglieder des türkischen Kulturvereins versorgte die frierenden Demonstranten mit heißem Tee. Mitarbeiter des Bille-Bades (Hallenbad) ließen vom WaWe durchnäßte Demonstranten im Bad warm duschen.

Die Antifas verhielten sich, soweit ich es mitbekam, sehr zurückhaltend und vorsichtig, und leisteten im Großen und Ganzen auch den Anweisungen der Polizei Folge.
Von gewaltbereiten Schlägern kann keine Rede sein, die paar Randalekids usw. waren völlig isoliert - durch die "eigenen" Leute, durch besonnenere Antifas!

Die Polizei ging sogar so weit gegangen, dass sie die Antifas mit Spezialkräften und Wasserwerfern auf die DGB-Kundgebung / das Volksfest an der Seranstraße zutreiben und dann gezielt zugriffen. Mehrere Infostände wurden bei diesem rabiaten Einsatz umgeworfen und beschädigt, es soll auch Verletzte unten den unbeteiligen Passanten gegeben haben.

Die Hamburger Polizei hatte vergeblich vor dem Verwaltungs- und dem Oberverwaltungsgericht versucht, den "Aufmarsch" der 40 "braunen Freund" zu verhindern. Ich vermute, dass einige der Polizisten ihren Frust über den unbeliebten Einsatz an den Gegendemonstranten abließen.
Hinzu kommt: die meisten Pozisten waren ortsfremd und waren offensichtlich überhaupt nicht im Bilde und glauben anscheinend, eine "Straßenschlacht" zwischen hunderten gewaltbereiter Neonazis und hunderten ebenso gewaltbereiter Antifas mit Gewalt auseinandertreiben zu müssen.

Mein Vorwurf richtet sich daher in erster Linie nicht gegen die Hamburger Polizei, bei aller Kritik am überharten Einsatz.
Aber ganz entschieden gegen die Hamburger Politik, vor allem Innensenator Nagel mit seiner extremen "Sicherheits"-Politik - und auch die Hamburger Justiz, die auf mögliche Auflagen an die paar NPD-Figuren z. B. nicht ausgerechnet auf einer zentralen Kreuzung zu demonstrieren, verzichteten.

Das Schöne war trotzdem die Blamage für die paar traurigen Nazi-Figuren.

Soweit mein Eindruck, aber ich stand ziemlich abseits. Nähere Infos bei AntifaInfo: Hamburg Bergedorf: Worch und Zysk präsentieren das letzte Aufgebot - Nazikundgebung gegen Moscheebau einfach nur lächerlich.

Und hier der Bericht vom NDR: Protest in Hamburg-Bergedorf gegen Neonazi-Aufmarsch.

Nachtrag:
Guter Bericht auf "Indimedia":HH-Bergedorf: Kein Platz den Nazis
pantoffelpunk (Gast) - 15. Feb, 11:27

Es ist so unendlich schade, dass jeder, der auf eine Demo geht, vom "Volk" als linksradikler Krawallmacher gesehen wird - mit der Folge, dass auch die Anklagen gemäßigter Kräfte gegen harte Polzei-Einsätze im Sande verlaufen. Widersprüchlicher Weise argumentieren oftmals die, die das Vorgehen der Polizei für richtig halten, damit, dass das demokratische Gefüge der BRD erhalten bleiben muss. Demokratie schützen, indem demokratische Mittel verboten oder zerschlagen werden, bevor sie undemokratisch werden. Rein prophylaktisch.

Schön auch der Artikel vom Kollegen derMorgen über seine vermummte Versammlung, habe den Link grad nicht zur Hand... Du wirst den Artikel kennen.

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