Europaweites Hakenkreuz-Verbot kommt nicht - und das ist gut so!

Die Bundesregierung hat ihren Versuch, das Hakenkreuz europaweit unter Strafe zu stellen, gestern still zurückgezogen. Nicht wegen der Probleme, die der deutsche § 86 a StGB (Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) in der Praxis aufwirft - vor allem dann, wenn er "konsequent" (sprich: ohne Berücksichtung der Motive der Symbolverwendung) ausgelegt wird. In Deutschland können mitlerweile sogar durchgestrichene Hakenkreuze oder Antikriegs-T-Shirts strafbar sein. taz: Zensur gegen rechts trifft oft die Falschen.
Der Grund für den Rückzug liegt offenbar darin, dass die Zuständigen (mit einiger Verspätung) gemerkt haben, dass eine derartige Regelung vor allem mit der britischen Rechtskultur völlig unvereinbar ist - etwas, was dem innenpolitischen (!) Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, dem wichtigsten Fürsprecher ein generelles Verbot von Nazi-Symbolen in ganz Europa, offensichtlich völlig entgangen war. (Kommentar in der taz: Im Zweifel für die Liberalität.) Großer Widerstand kam vor allem von Seiten der Hindus, in deren Religionsgemeinschaft die Swastika (Hakenkreuz) seit über 5000 Jahren ein heiliges Symbol ist. Ramesh Kallidai vom britischen Hindu-Forum sagte, NS-Diktator Adolf Hitler habe es genau ins Gegenteil verkehrt: "Das ist fast so, als würde man sagen, der Ku Klux Klan hat Schwarze mit brennenden Kreuzen terrorisiert, deshalb muss das Kreuz verboten werden." Die Initiative Deutschlands sei wahrscheinlich gut gemeint, aber es habe im Vorfeld keine Beratungen darüber gegeben. (Bericht der BBC über die Reaktionen der britischen Hindus: Hindus opposing EU swastika ban.

Der § 86 a StGB und seine Auslegung ist, was Befürworter eines europaweiten Hakenkreuzverbotes offensichtlich übersehen, untrennbar mit der besonderen historischen Situation in Deutschland verbunden. Dass in anderen Ländern selbst bei übelster Holocaustleugnung keine Sanktionen drohen, die Meinungsfreiheit als absoluten Vorrang vor der Unterdrückung einer verbrecherischen Ansicht hat, hat einen simplen Grund: Der Holocaust hat in Deutschland stattgefunden, und nicht etwa in die USA oder Großbritannien. Es gibt dort gar keinen vernüftigen Grund für entsprechende Verbote.
Es geht beim deutschen § 86 a um die reale Ebene, nicht die symbolische - jedenfalls ursprünglich. Die Symbole und die Propaganda einer verbrecherischen Partei und eines verbrecherischen Staates sollen verbannt werden - tatsächlich dürfen nach § 86 a die Symbole bereits verbotener verfassungswidriger Organisation nicht gezeigt werden, weshalb Vorschläge, präventiv von Neonazis gern verwendete Symbole zu verbieten, dem Gesetz nicht entsprechen. Weil das so ist, kann z. B. das als Symbol der VSBD/PdA verbotene Keltenkreuz bei einer Verwendung, die erkennbar keine Verbindung zum Rechtsextremismus hat, weiterhin öffentlich gezeigt werden (z. B. irisches Grabkreuz). Völlige "Null Toleranz" gibt es allerdings beim Hakenkreuz und der SS-Rune in jeder Form.

Das Argument, das Hakenkreuz solle in jeder Form aus dem öffentlichen Leben verbannt werden, tauchte erst relativ spät, Mitte der 1970er Jahre, auf, und zwar im Zusammenhang mit Kriegspielzeug mit NS-Symbolen und mit pseudodokumentatorischen Schriften, die NS-Symbole als "Blickfang" benutzten. Weitere Verschärfungen des § 86 a in bezug auf NS-Symbole "verdanken" wir der "Kreativität" der Neo-Nazis, die sich mit minimal abgeänderten Symbolen um eine Strafverfolgung herummogeln wollten. Also auch hier geht es noch um die reale Ebene der leider realen Neonazis. (Ob die Verbote wirklich etwas "bringen", d. h. im Kampf gegen den Rechtsextremismus nützlich sind, sei dahingestellt.)

Neben dieser Realebene gibt es aber auch eine Symbolebene - in redlicher Form etwa "das Hakenkreuz steht für so schreckliche Verbrechen, dass es in keiner Form verwendet werden soll", in weniger redlicher darin, dass der Nationalsozialismus um so energischer verhindert wird, je länger er zurückliegt. Der bekannte "Antifaschismus" der Sonntagsreden, in dem viel von "nie wieder" die Rede ist, aber eine politischen Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus vermieden wird. Einmal so richtig vor den Untaten der Nazis öffentlich geekelt, und schon ist das Gewissen wieder rein - trotzt skandalöser Abschiebepraxis, trotz einer den neuen Nazis in die Hände spielenden Sozialpolitik, trotz rechtsextremer Äußerungen "demokratischer" Politiker.

Es werden zunehmend die Symbole bekämpft - des guten Gewissens und der guten Außenwirkung wegen. Man will in Deutschland den blöden Holocaust loswerden - solange die "Tätergeneration" noch öffentlich wirkte, durch Leugnen und Verdrängen, bei den "Nachgeborenen" eher durch symbolhaftes "Zeichen setzen" - die Verbannung auch durchgestrichener Hakenkreuze ist uneingestandenes magisches Denken - "das Böse" manifestiert sich im Hakenkreuz, und in dem es "verbannt" wird, wird auch das berechtigte Gefühl der Schande und das oft allzu berechtigte schlechte Gewissen verbannt.

Wenn nun das in Deutschland als "Täterland" vielleicht noch sinnvolle Symbolverbot auf ganz Europa ausgedeht werden soll, dann werde ich den bösen Verdacht nicht los, dass so der peinliche, unangehme Holocaust endlich von Deutschland abgewälzt werden soll - man europäisiert ihn einfach unter dem Vorzeichen seiner Bekämpfung.

Welchen Umgang mit der Swastika halte ich für richtig? Bis auf weiteres bin ich aus pragmatischen Gründen dafür, dass das Hakenkreuz, die SS-Runen usw. verboten bleiben. Allerdings: in Fällen, in denen es um die Bekämpfung heutiger Nazis geht, bei eindeutiger Distanzierung (durchgestrichenes Hakenkreuz usw.) ist ein Verbot vollkommen Kontraproduktiv. Ebenso gibt es keinen vernüftigen Grund, etwa die Swastika im eindeutig hinduistischen oder buddhistischen Zusammenhang verbannen zu wollen - das Argument, man müsse den Neonazis diese "juristischen Schlupflöcher" verbauen, wiegt meines Erachtens wenig. "Null Toleranz" gegenüber Rechtsextremisten ist auf der politischen Ebene angebracht, nicht auf der symbolischen.

Wichtig ist es, die heutigen Rechtsextremisten zu bekämpfen, und nicht die von 1933. Und zwar auf der politischen und der materiellen Ebene.

Wichtig ist es aber auch, dass wir Deutschen das schlimmste Kapitel ihrer Geschichte, ihren "Schatten", nicht verdrängen. Ja, Ausschwitz ist fester Bestandteil der deutschen Kultur, wie die Wartburg, wie der Kölner Dom. Das "Böse" in unserer Kultur, in unserem Erbe, anerkennen - das hat nichts mit "Schuldkult" zu tun, Schuld ist etwas persönliches. Aber eben ohne "in Sack und Asche" aufzutreten - wer sich z. B. mit Polen, Norweger oder Israelis darüber unterhält, weiß, wie schlecht eine "Demutshaltung" ankommt - sie wird nämlich oft als üble Heuchelei ausgelegt - oder als Merkmal eines erbärmlichen "deutschen Nationalcharakters": Obenauf herrisch und rücksichtslos, unter ohne Stolz, Selbstachtung, Rückrat. Das rechte Maß zwischen Respekt und Selbstachtung zu finden, ist nicht immer leicht. Dazu gehört es auch, sich mal als "Boche" oder "Nazi" beschimpfen zu lassen - und dabei sachlich zu bleiben.
Und immer auf das zu achten, was "wir Deutsche" heute tun - und nicht auf das, was unsere Politiker, unser Massenmedien sagen!
(Das alles gilt übrigens auch sinngemäß für Österreicher.)

Eine Tendenz halte ich für gefährlich: die des Abwälzens, Relativierens, Aufrechnens. "Ja, wir waren böse - die anderen aber auch!!" - Wenn ein Einzelner so argumentiert, dann nennen wir ihn zurecht kindisch, wenn es um "Deutschland" geht, ist es gang und gebe.

Auch falsch halte ich es, den Nationalstolz einfach umzudrehen, die Deutschen als gefährliche Verbrechernation zu sehen - "Deutschland muß sterben, damit wir leben können" ist fast so idiotisch wie "Wir mußten sterben, damit Deutschland leben kann!". Antideutsch ist oft nur umgedrehter Chauvinismus.
Es gab eine Zeit, in der antideutsche Positionen richtig waren. Sie ging von 1933 bis 1945.

Und was will ich? Den Nazis nichts, aber auch gar nichts überlassen, was ihnen nicht gehört! Die Swastika, die soll gehören
dem Frieden von Freyja und Freyr! (Den Buddhisten, Hindus, nordamerikanischen Indianern und vielen anderen Menschen, Götter, Heiligen aller Farben und Formen überall auf der Erde gehört sie ohnedies!) Das Hakenkreuz, das wird gebrochen -
Das Sonnenrad wieder weiß. Sonnenrad Song.

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