Frohes Jul und geruhsame Rauhnächte!

Die Rauhnächte (auch Raunächte oder Rauchnächte) sind die Zeit zwischen der Wintersonnenwende und Neujahr. Andere bezeichnen die 12 Nächte zwischen dem Heiligen Abend und dem Fest der Erscheinung (oder Dreikönigstag) am 6. Januar.

Man nennt sie auch die "Zeit zwischen den Jahren" - und zwar zwischen dem Ende des Mondjahres und dem des Sonnenjahres. In vorchristlicher Zeit war sowohl ein Mond- und wie ein Sonnenkalender im Gebrauch. Das Mondjahr zu 12 Mondzyklen ist etwa 354 Tage lang. Da das Sonnenjahr aber rund 365 Tage hat, besteht eine Differenz von 11 Tagen und 12 Nächten. Diese 12 Nächte sind die 12 Weihnächte oder auch 12 Rauhnächte. Eine jede steht für einen Mondzyklus.

Die "Wilde Jagd" (Oskorei, Aaskereia, Asgardrei) ist ein Geisterheer, angeführt von Wotan bzw. Odin, in christlichen Zeiten als "wilder Jäger" oder "Hakelberg" umschrieben. Aber auch der Perchta oder Hulda (Frau Holle) die Führung zugeschrieben.
Im Ásatrú bzw. in der Forn Siðr steht die Wilde Jagd im Zusammenhang mit der Ahnenverehrung. Ihr zu begegnen, ist wie jede Begegnung mit Verstorbenen, nicht ganz ungefährlich. Nachdem auch Wotan selbst in christlicher Zeit dämonisiert worden war, war die Wilde Jagd einfach nur noch gefährlich; sie wurde als Zug der verdammten Seelen gedeutet.
In Volkssagen warnt der getreue Eckhart, der dem Zug mit einem Stab oder Schwert voranschreiten, Wanderer, die der Wilden Jagd begegnen, sich am Wegesrand mit dem Gesicht nach unten zu Boden werfen.
Wie zu Samhain bei den Kelten sind die Rauhnächte eine Zeit, in der die Grenzen zwischen den Welten durchlässig sind.

Für mich beginnt die Zeit der Rauhnächte mit dem Julfest. Also heute Abend, mit Beginn der längsten Nacht des Jahres.
God Jul
Tatsächlich kommt es auf den genauen Termin nicht so sehr an. Ich war z. B. letztes Wochenende auf dem Jul-Treffen der Nornirs Ætt. Man könnte es als "Familien"-Treffen oder Treffen guter Freunde bezeichnen. Jene, die beim germanisch-heidnischem Jul an finstere Rituale oder wüste Wikingergelage denken, muß ich enttäuschen: Jul ist harmonisch. Fast schon spießig-familär. Sogar Kinder waren dabei.
Nein, wir haben uns nicht in Euphorie und Ekstase im Schein des Wintersonnenwendenfeuers aneinander gerieben. Dazu ist Jul schlicht der falsche Anlaß. Die Zeit gerinnt in den Rauhnächten, wenn die Wilde Jagd durch die Nacht stürmt. Kuschelzeit. Es ist Zeit, langsamer zu machen. Unsere Jul-Rituale - Blót, Opfer - sind deshalb eher ruhig. Und jedes Jahr etwas anders gestaltet.
Die Rauhnächte sind eine Zeit der Ruhe und des gemeinsamen Feierns und Redens - bei Met und Wein, bis in den frühen Morgen. Ohne Erwartungsdruck in Richtung: "Habt Euch gefälligst lieb, es ist Weihnachtszeit!" ( "Harmonie-Erwartungsdruck" und "Fest-Erfolgszwang". Eben jene Haltung, die so oft spätestens am 2. Weihnachtstag zum Familienkrach führt.)
Jul ist das Fest der Ruhe. Traditionell die Zeit, in der sich weder Rad noch Spindel drehte. Die ruhige Zeit.
Für mich sind die Rauhnächte die Zeit, mich zu sammeln, mich um Liegengebliebenes zu kümmern.

Zur "richtigen" Wintersonnenwende (am Morgen nach der längsten Nacht) halte ich ein kleines Ritual im Freien, auf einer Lichtung im Wald ab. Unter "Ritual" sollte man sich dabei nichts großartiges vorstellen. Meisten zünde ich paar Windlichter an, meditiere ein wenig, begrüße die aufgehende Sonne (wenn sie dann zu sehen ist) und lasse einige Opfergaben in Form von Obst und Nüssen da - die dann von den Eichhörnchen gefressen werden - aber das ist auch so vorgesehen: Opfer heißt dem menschlichen Gebrauch entziehen.
Aber in Wirklichkeit gestaltet sich in dieser Zeit der ganze Tag irgendwie als Ritual - oder sollte, denn ich kann die äußeren Umstände nicht immer völlig abschirmen.
Karsten (Gast) - 22. Dez, 00:43

Danke. Das gibt schon mal einigen Aufschluss. :)

Sandra (Gast) - 28. Dez, 01:56

fest der entgrenzung

hallo
da meine weihnachtsfeier am freitag stattfindet und ich mein wissen auffrischen, bzw meinen blickwinkel erweitern möchte, habe ich mit interesse deinen aufsatz gelesen.
du sagst, julzeit sei "kuschelzeit" und das fest ebenso harmonisch.
das stimmt nicht ganz mit meiner ansicht überein und mich würde interessieren, was du dazu sagst. dass die zeit der rauhnächte harmonisch sein sollte, ist irgendwie klar. also ich zumindestens habe auch immer den drang danach, auch wenn die ausführung meistens am christlichen vorfeiertagsstress scheitert. aber das fest an sich ist für mich (feiern mag das jeder wie er will) ein entgrenztes, wildes. es mag daran liegen, dass wir alle junge leute sind, aber ich hoffe auf ein im wahrsten sinne berauschendes fest. gerade diese harmonische tristigkeit an heiligabend etc finde ich nicht übernehmenswert.
ich finde es als heide wichtig, "mit der welt" zu gehen, mich bewusst mit dem rad zu drehen. dass es in den rauhnächten still steht, sehe ich da nicht im widerspruch. je nachdem, ob man am ende oder am anfang der rauhnächte feiert, ist es ein letztes "am leben sein" oder ein neues bewegung hervorrufen. es ist ein mitreiten bei der wilden jagd, denn die mythische welt ist nicht unser gegenspieler. sie spiegelt unser innerstes wieder, das wir nicht verdrängen sollen und auch, was ganz wichtig ist - nicht verdrängen können. es heisst, die grenzen zwischen den welten seien durchlässig - so ist es zeit, aus der, meist als finster und gefährlich angesehenen tiefe unserer seele hervorzuholen, was hervor will. ein ausnahmezustand sozusagen, eine art katharsis oder auch einswerdung mit der ungestümen natur. dazu passt auch die tradition des lärmenden umzugs durch den wald, die du leider nicht erwähnt hast. dieser soll die bösen geister vertreiben. klar, seine angst vor dem unbestimmten überwindet man am besten, indem man sie nicht bekämpft, sondern sich auf sie einlässt. das gefährliche und "böse" ist schliesslich nicht aus der welt zu schaffen, also arrangieren wir uns damit.
was ich allerdings sehr gut finde, ist, dass endlich einmal jemand erwähnt, dass auch die hel anführerin der wilden jagd sein könnte, was meiner meinung nach auch viel besser zu einem emotional entgrenzten fest (man kennt ja die als zuweilen als launisch beschimpfte unbeherrschtheit vieler frauen) passt, als der weise gott.
also wünsche ich allen ein frohes weihnachtsfest, wenn ihr es nicht schon gefeiert habt und einen guten rutsch,
sandra

MMarheinecke - 28. Dez, 07:01

Sandra, das sehe ich auch so

Mit "Zeit zum Kuscheln" meinte ich nicht die (manchmal verkrampfte) Heiligabendgemütlichkeit. Ich stellte mir eher vor, wie ich mich an einem stürmischen, kalten Tag in eine Wolldecke kuschel und einen heißen Tee trinke. Harmonie ja, "Auszeit" ja, aber keine "heile Welt" auf Zeit.
Ich spüre gerade in den Rauhnächten dieses Jahres eine starke innere Spannung, dass Gefühl, dass sich etwas ändert. Allerdings: es ist (noch) nicht die Zeit, aktiv ins Rad zu greifen. Das will überlegt sein, und die Zeit der Rauhnächte ist für mich die Zeit, zu überlegen.
Ob die "Frau Holle" mit Hel identisch ist, wäre auch noch eine Frage. Ich bringe sie eher mit Frigg in Verbindung, einer "mütterlichen", aber auch "streitbaren" Göttin, die viel mehr weis als ihr Weisheit suchender Göttergatte Odin, es aber nicht verrät.
Sandra (Gast) - 4. Jan, 15:42

Hel

Tja, so ist denn nun auch meine chaotische Feier vorüber und so wild war sie nun auch wieder nicht.
Zu deiner Antwort auf meinen Kommentar wollte Ich noch meinen, zugegebenermaßen nicht sehr fundierten Senf dazugeben. Als Ich mich für Hel zu interessieren begann, googelte Ich im Internet und fand folgendes heraus. Jeder heidnische Kult unterliegt ja einer stetigen Entwicklung und so haben sich all die Götter, die wir heute aus der Edda kennen, auch einmal aus irgendeiner anderen Gestalt beziehungsweise Idee heraus entwickelt. Es gibt Ansichten (die Ich persönlich sehr schön finde, da Ich viel auf Hel halte), nach denen Hel zunächst die wichtigste Gottheit unserer Vorfahren gewesen sein soll und sie als eine Richterin galt. Mich erinnert diese Vorstellung sowie ihr gezweiteiltes Äußeres an gewisse hinduistische Göttinnen, die ein positiv und ein negativ anmutendes Gesicht haben. Später soll sie sich allerdings aufgeteilt haben, Frigg soll aus ihr hervorgegangen sein, sozusagen als rein positiver Aspekt der Weiblichkeit. Und Hel wird von den meisten neuheidnischen Anhängern irgendwelcher Ideen auch meistens unter einem schlechten Licht gesehen. Aus Frigg soll sich später Freya herauskristallisiert haben, da man die Hausfrau anscheinend auch nicht mehr als Geliebte wahrnehmen konnte oder wollte. Da Ich mich bewusst nicht-wissenschaftlich mit diesem Thema auseinandersetze, deute Ich diesen Vorgang als Verlust des ganzheitlichen Denkens und Glaubens, denn wie Ich finde, passt das sehr gut in unsere bisherige Entwicklung und unser jetziges Dasein.
Dass Hel mit Frau Holle gleichzusetzen sei, habe Ich übrigens auch aus einer der Quellen (Ich glaub es war das Gutenberg Lexikon). Schließlich richtet die Alte ja auch über Pech- und Goldmarie und darüber hinaus ist ihre Schneeschüttelei ja auch recht verdächtig, wenn man an das "Reich der Kälte" denkt.
Ich möchte allerdings nicht ausschließen, dass Ich an das Thema etwas übermotiviert herangegangen bin.
Frohes Neues übrigens,
Sandra

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