Wie antisemitisch ist Asatru? (1)
Schon vor 13 Jahren hat der Bonner Skandinavist Rudolf Simek in seinem Buch "Erde und Kosmos im Mittelalter" belegt, dass altnordische Schriften des 11. Jahrhunderts die Erde ganz selbstverständlich als Kugel beschrieben.
Was hat das mit Antisemitismus und Odinismus (der geläufigere Ausdruck für Asatrú) zu tun? Einiges, finde ich. Es illustriert gleich zwei eben so grundfalsche wie allgemein übliche Vorstellungen: einmal jene, dass sich erst in der Neuzeit die Kugelgestalt der Erde herumgesprochen hätte - also die Vorstellung des "finsteren Mittelalters", und dann jene der kulturellen Rückständigkeit des "barbarischen Nordens".
Fügt man noch ein drittes, ebenso unzutreffendes, Klischee hinzu, nämlich dass Antisemitismus eine Spezialität der Rechtsextremisten sei, und addiert die Vorliebe der alten und neuen Nazis für germanische und pseudogermanische Symbolik, dann sind die Zutaten beieinander, aus dem fast alle Antisemitismusvorwürfe gegenüber Odinisten zubereitet werden.
Das geht etwa so: Wenn jemand an die Kultur räuberischer Barbaren aus dem finsteren Mittelalter anknüpft und gar deren Götter verehrt, dann kann das nur als Bekenntnis zu Barbarei verstanden werden. So etwas kann höchstens primitive (je nach Epoche und Ideologie) "Halbstarke", "Rocker", "Chaoten", "Hooligans", "Boneheads" usw. ansprechen. Für intelligente und gebildete Menschen kann so etwas eigentlich nicht attraktiv sein, also steckt bei ihnen etwas ganz anderes dahinter: Vermutlich getarnter Neo-Nazismus (weil: Nazis haben es ja mit den Germanen). Der Antisemitismus ist die einigende Klammer alter und neuer Nazis, also kann ein Odinist gar nicht anders als antisemitisch sein.
So gesehen könnte man auf Antisemitismus-Vorwürfe gelassen oder allenfalls mit einem Achselzucken reagieren. Leider ist das nicht so einfach, denn es gibt tatsächlich nicht wenige Antisemiten unter "echten" Asentreuen (nicht zu verwechseln mit Neonazis, für die der Thorshammer nur ein Ausweichsymbol für "Verbotenes" und das Bekenntnis zum Germanentum in erster Linie Ausdruck einer Mischung aus aggressivem Nationalismus und Rassismus ist). Damit meine ich jetzt nicht etwa den "Artglauben" der offen rechtsextremistischen Artgemeinschaft und Verwandtes, sondern ganz ehrenwerte, ansonsten weder rechtsextreme noch rassistische Anhänger der "Alten Sitte", die eine zutiefst antisemitische Vorstellung in ihr Weltbild integriert haben: die "Wüstenreligionen".
Hinter dem Begriff "Wüstenreligion" steckt die (unzutreffende) Vorstellung, die monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam seinen in der Wüste entstanden, also unter völlig anderen, lebensfeindlichen, Umweltbedingungen, als die heidnischen "Feld, Wald und Wiesen"-Religionen des vorchristlichen Europas. Schon wegen ihrer sich aus der Wüsten-Herkunft erklärbarer Lebens- und Leibfeindlichkeit würden diese Religionen nicht nach Europa passen, seien vor allem in Nordeuropa stets kulturfremde Importe gewesen.
Erweckt schon das Wort "Wüstenreligion" antisemitische Assoziazionen, bekommt diese Vorstellung bei einigen - auch bei ansonsten keineswegs "rechten" - Heiden einen ideologisch-historischen Dreh: das "Judäo-Christentum" hätte die europäische Religion und Kultur angegriffen. (Das Christentum wird hierbei lediglich als Variante des Judentums begriffen, ungeachtet der jahrhundertelangen Judenfeindschaft der christlichen Kirchen.) Dieser Angriff sei vor allem dem Monotheismus zu verdanken, in dem sie die Wurzeln eines imperialistischen Totalitarismus sehen, der einer "vielgestaltigen", also "polytheistischen" Welt feindlich gegenüber stehe. Gehen sie noch ein kleines Stück weiter, sehen sie Insbesondere den Liberalismus und die westlichen Demokratie als Produkte des "Judäo-Christentums" an - und sind, auch wenn sie es nicht merken, mitten im rechtsradikalen Denken angekommen. Der Schritt zu antisemitische Verschwörungstheorien im Stile der "Protokolle der Weisen von Zion", den "Illuminaten" oder der "Ostküste" ist dann nicht mehr groß - irgendwo im Hintergrund lauern dann "eine handvoll Juden", die alles Böse in der Welt anzetteln.
Um Missverständnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen: Kritik an den Kirchen, am Christentum und am Monotheismus aus neuheidnischen Kreisen ist nicht automatisch antisemitisch. Sogar die unter Heiden und Hexen weit verbreiteten Vorstellungen von einer blutigen Zwangmission, in der das heidnische Europa von der christlichen Kirche im Bündnis mit eroberungssüchtigen Herrschern im Stile der spanischen Conquistadores in Amerika unterjocht und seiner Kultur beraubt wurde, oder die Vorstellung, die Hexenverfolgung sei ein Feldzug der Kirche gegen die letzten verbliebenen Heiden gewesen, sind, so wenig sie den historischen Tatsachen entsprechen, nicht zwangsläufig antisemitsch. (Ein gern von kirchlichen Weltanschauungsbeauftragten gemachter Denkfehler ist es, Angriffe auf das Christentum aus neopaganer Ecke per se als antisemitisch motiviert zu betrachten.)
Es gibt also durchaus Antisemitismus im Asatrú - wenn auch sicher nicht in jenem Ausmaß, dass jeder Thorshammerträger im Zweifel als Judenfeind zu betrachten ist.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob die "alten Germanen" und die "Wikingern" fremden Kulturen im Allgemeinen und Juden im Besonderen feindlich gegenüber standen. Es also eine öriginär germanische Xenophobie und eine "alte Judenfeindschaft" gäbe.
Sollte das nicht der Fall gewesen sein, stellt sich damit die Frage, wie denn der Antisemitismus - historisch gesehen - in den germanischen Neopaganismus hineingeraten ist. Teil 2
Was hat das mit Antisemitismus und Odinismus (der geläufigere Ausdruck für Asatrú) zu tun? Einiges, finde ich. Es illustriert gleich zwei eben so grundfalsche wie allgemein übliche Vorstellungen: einmal jene, dass sich erst in der Neuzeit die Kugelgestalt der Erde herumgesprochen hätte - also die Vorstellung des "finsteren Mittelalters", und dann jene der kulturellen Rückständigkeit des "barbarischen Nordens".
Fügt man noch ein drittes, ebenso unzutreffendes, Klischee hinzu, nämlich dass Antisemitismus eine Spezialität der Rechtsextremisten sei, und addiert die Vorliebe der alten und neuen Nazis für germanische und pseudogermanische Symbolik, dann sind die Zutaten beieinander, aus dem fast alle Antisemitismusvorwürfe gegenüber Odinisten zubereitet werden.
Das geht etwa so: Wenn jemand an die Kultur räuberischer Barbaren aus dem finsteren Mittelalter anknüpft und gar deren Götter verehrt, dann kann das nur als Bekenntnis zu Barbarei verstanden werden. So etwas kann höchstens primitive (je nach Epoche und Ideologie) "Halbstarke", "Rocker", "Chaoten", "Hooligans", "Boneheads" usw. ansprechen. Für intelligente und gebildete Menschen kann so etwas eigentlich nicht attraktiv sein, also steckt bei ihnen etwas ganz anderes dahinter: Vermutlich getarnter Neo-Nazismus (weil: Nazis haben es ja mit den Germanen). Der Antisemitismus ist die einigende Klammer alter und neuer Nazis, also kann ein Odinist gar nicht anders als antisemitisch sein.
So gesehen könnte man auf Antisemitismus-Vorwürfe gelassen oder allenfalls mit einem Achselzucken reagieren. Leider ist das nicht so einfach, denn es gibt tatsächlich nicht wenige Antisemiten unter "echten" Asentreuen (nicht zu verwechseln mit Neonazis, für die der Thorshammer nur ein Ausweichsymbol für "Verbotenes" und das Bekenntnis zum Germanentum in erster Linie Ausdruck einer Mischung aus aggressivem Nationalismus und Rassismus ist). Damit meine ich jetzt nicht etwa den "Artglauben" der offen rechtsextremistischen Artgemeinschaft und Verwandtes, sondern ganz ehrenwerte, ansonsten weder rechtsextreme noch rassistische Anhänger der "Alten Sitte", die eine zutiefst antisemitische Vorstellung in ihr Weltbild integriert haben: die "Wüstenreligionen".
Hinter dem Begriff "Wüstenreligion" steckt die (unzutreffende) Vorstellung, die monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam seinen in der Wüste entstanden, also unter völlig anderen, lebensfeindlichen, Umweltbedingungen, als die heidnischen "Feld, Wald und Wiesen"-Religionen des vorchristlichen Europas. Schon wegen ihrer sich aus der Wüsten-Herkunft erklärbarer Lebens- und Leibfeindlichkeit würden diese Religionen nicht nach Europa passen, seien vor allem in Nordeuropa stets kulturfremde Importe gewesen.
Erweckt schon das Wort "Wüstenreligion" antisemitische Assoziazionen, bekommt diese Vorstellung bei einigen - auch bei ansonsten keineswegs "rechten" - Heiden einen ideologisch-historischen Dreh: das "Judäo-Christentum" hätte die europäische Religion und Kultur angegriffen. (Das Christentum wird hierbei lediglich als Variante des Judentums begriffen, ungeachtet der jahrhundertelangen Judenfeindschaft der christlichen Kirchen.) Dieser Angriff sei vor allem dem Monotheismus zu verdanken, in dem sie die Wurzeln eines imperialistischen Totalitarismus sehen, der einer "vielgestaltigen", also "polytheistischen" Welt feindlich gegenüber stehe. Gehen sie noch ein kleines Stück weiter, sehen sie Insbesondere den Liberalismus und die westlichen Demokratie als Produkte des "Judäo-Christentums" an - und sind, auch wenn sie es nicht merken, mitten im rechtsradikalen Denken angekommen. Der Schritt zu antisemitische Verschwörungstheorien im Stile der "Protokolle der Weisen von Zion", den "Illuminaten" oder der "Ostküste" ist dann nicht mehr groß - irgendwo im Hintergrund lauern dann "eine handvoll Juden", die alles Böse in der Welt anzetteln.
Um Missverständnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen: Kritik an den Kirchen, am Christentum und am Monotheismus aus neuheidnischen Kreisen ist nicht automatisch antisemitisch. Sogar die unter Heiden und Hexen weit verbreiteten Vorstellungen von einer blutigen Zwangmission, in der das heidnische Europa von der christlichen Kirche im Bündnis mit eroberungssüchtigen Herrschern im Stile der spanischen Conquistadores in Amerika unterjocht und seiner Kultur beraubt wurde, oder die Vorstellung, die Hexenverfolgung sei ein Feldzug der Kirche gegen die letzten verbliebenen Heiden gewesen, sind, so wenig sie den historischen Tatsachen entsprechen, nicht zwangsläufig antisemitsch. (Ein gern von kirchlichen Weltanschauungsbeauftragten gemachter Denkfehler ist es, Angriffe auf das Christentum aus neopaganer Ecke per se als antisemitisch motiviert zu betrachten.)
Es gibt also durchaus Antisemitismus im Asatrú - wenn auch sicher nicht in jenem Ausmaß, dass jeder Thorshammerträger im Zweifel als Judenfeind zu betrachten ist.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob die "alten Germanen" und die "Wikingern" fremden Kulturen im Allgemeinen und Juden im Besonderen feindlich gegenüber standen. Es also eine öriginär germanische Xenophobie und eine "alte Judenfeindschaft" gäbe.
Sollte das nicht der Fall gewesen sein, stellt sich damit die Frage, wie denn der Antisemitismus - historisch gesehen - in den germanischen Neopaganismus hineingeraten ist. Teil 2
MMarheinecke - Montag, 4. Dezember 2006
ganz platt geraten
Ich tippe auf die Germanentümler im 19. Jahrhundert, als Antisemitismus in quasi alles reingeraten ist, was sich der Mensch hierzuland so an Freizeitbeschäftigungen, Religionen, Wissenschaften usw. hat vorstellen können.
Aber ich schreibe noch einen zweiten Teil, in dem ich darauf näher eingehe.
..aber..
Mich nervt das mit der "Wüstenreligion" ja auch an.
War letztens auf einem Vortrag von Christian Rätsch, der kam mit genau dem selben an.. Christenbashing, "Wüstenreligion", hat "mit uns von der Nordseeküste nichts zu tun".. ich hab gemeint ich hör net richtig.
Der "Späthippie der Ethnologie" kommt mit so was an?
Joa....
Und da hatte er sich wohl gedacht, "ich befriedige lieber mit dümmlichen Phrasen ein verdummtes heidnisches Publikum, das mit Spekulationen und Sonntagspredigten voll zufrieden ist"..
Ich wars nicht.. tjoa..
Daumen runter...
Frustrierend ist für mich daran, daß man schließlich gewisse neurechte Elemente inhaltlich genau an solchen Punkten zu recht kritisiert, und wenns nu wirklich die Leut "von denen man das gar nicht gedacht hätte" nachplappern, dann kannst irgendwann gar nicht mehr abgrenzen. Oder das Zeug ist jetzt wirklich schon im Hippie-Heiden-mainstream angekommen und das ist ebenso traurig.