Interessante Begründung

Neonazis stoppen!
Bestimmt schon gehört oder gelesen: netzeitung «Die NPD klatscht in die Hände»:
Empörung über Hakenkreuz- Urteil


Tief blicken läßt die Begründung des Urteils: Es gehe um die grundsätzliche Tabuisierung von NS-Symbolen, unabhängig von den Beweggründen. Richter Küllmer begründete das Urteil damit, dass es keinen Ausnahmefall geben dürfe. „Es besteht die Gefahr der Gewöhnung". Dies Begründung entspricht nur auf dem ersten Blick dem "Null Toleranz"-Prinzip, denn eine böse Absicht oder auch nur eine Nachlässigkeit ist dem nun verurteilten Jürgen Kamm nicht anzulasten.
Eher scheint mir ein anderes Prinzip wirksam zu sein: Das Prinzip "Ruhe ist die erste Bürgerpflicht". Bloß nicht öffentlich laut werden. Auch nicht, wenn der Gegner politisch kackbraun ist.

Der leitenden Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler, dessen Antrag das Gericht folgte, will keine Hakenkreuze in der Öffentlichkeit sehen. Egal, in welcher Form. Das ist alles. Sein Argument, er wolle nicht, dass Hakenkreuze wieder in der Gesellschaft salonfähig werden, ist absurd - wenn das HK in durchgestrichener, zerschmetterter, in den Mülleimer geworfener Form "salonfähig" werden sollte, freut das die Neonazis vermutlich am wenigsten. Ja, und was wäre, wenn ausländische Besucher die Piktogramme missverstehen? Angesichts der aktuellen Diskussion könnte ich glatt vermuten, da hätte sich ein fundamentalistischer Hindu darüber aufgeregt, dass das ehrwürdige Symbol der Swastika in Deutschland ersten verkehrt herum und zweitens durchgestrichen abgebildet würde.
Was wäre, wenn die neue Rechte die Zeichen für ihre Zwecke missbrauchte? Äh - wie sollte das gehen? Vielleicht, weil die "neue Rechten" gerne der Ruf los wäre, sie wären schlecht getarnte Neonazis, und die Tarnung mit durchgestrichenem HK verbessern könnte?
Schwerer wiegt wohl, was Häußler in einem Fernsehinterview sagte: er wolle nicht, dass das Hakenkreuz Bestandteil von politischen Auseinandersetzungen würde. Das legt nahe, dass ihn in Wirklichkeit die Form der Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten, wie sie die "Antifa" praktiziert, stört.

Vielleicht überinterpretiere ich da etwas, aber dahinter scheint mir in etwa folgende Gesinnung zu stehen: "Die Verbrechen der Nazis waren ungeheuerlich. Aber das ist lange her. Heute gibt es keine Nazis mehr, und auch Besucher aus dem Ausland sollen nicht auf den Gedanken kommen, es gäbe in Deutschland noch Nazis (denn wenn es keine Nazis gibt, muß auch niemand mit durchgestrichenen Hakenkreuzen gegen sie demonstrieren)."

Was meine Meinung zu dem Thema angeht: Ich will den Nazis und ihresgleichen kein Einziges der von ihnen mißbrauchten Symbole überlassen. Denn damit überlasse ich ihnen die Deutungshoheit. Der Urteilsspruch nützt, auch auf der metapolitischen Ebene, den Interessen der Rechtsextremisten.

Hierzu: Verbotene Symbole
und auch das: Sonnenrad-Song

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