Leider völlig vorhersehbar

ist die Reaktion unsere Bundesinnenministers auf die glücklicherweise verhinderten Bombenanschläge auf die Bahn. Interview in der "Zeit online": Mehr Kontrolle!
Egal, wie die Bedrohung konkret aussieht, ob Terrorismus, organisierte Kriminalität, Neo-Nazi-Propaganda oder Kinderpornos - die vorgeschlagenen "Lösungen" sind immer die selben: "Mehr Kontrolle!"
Schäuble: Aus diesem Fahndungserfolg abzuleiten, wir brauchten nicht mehr zu tun, wäre unverantwortlich. Wo es sinnvoll ist, sollten zusätzliche Videokameras eingesetzt werden. Wir müssen die Kontrolle des Internets verstärken. Dafür brauchen wir mehr Experten mit entsprechenden Sprachkenntnissen. Wir müssen auch die Kontrollen bei der Bahn und die Luftsicherheitskontrollen intensivieren. Insofern müssen wir auch in Haushaltsberatungen darüber nachdenken, was man zusätzlich tun kann.
Fehlt eigentlich nur der "Dauerbrenner": Bundeswehreinsatz im Inneren.
Wobei um drei an sich wohl bekannte Tatsachen ein weiter Bogen geschlagen wird: 1. Wer sogar zum Selbstopfer entschlossen ist, läst sich auch durch eine Strafverfolgung nicht abschrecken. (Im Nachhinein lassen sich dann mittels Videoaufzeichnungen die Täter identifizieren, die schon längst von der eigenen Rucksackbombe zerrissen als blutige Fleischfetzen zwischen den blutigen Fleischfetzen ihrer Opfer liegen). 2. Was Terroristen wollen, ist panische Angst erzeugen (das ist die Definition von Terror). Die beste Reaktion:
Sich keine Angst machen lassen.
Die Aufregung und der Aktionismus seitens der Medien, aber auch und gerade der Politik, kommt den Zielen der Terroristen weit entgegen. 3. Schon das reine Bewußtsein überwacht zu werden führt zu Verhaltensänderungen im Sinne einer eingeschränkten Freiheit. Durchaus im Sinne einer (vielleicht erwünschten?) "sozialen Kontrolle" - "Bohr dir nicht in der Nase, es sieht jemand zu" - "Lese nicht den Playboy in der U-Bahn, du wirst beobachtet" - aber den geschickten Taschendieb stört die Kamera nicht, denn er kennt die toten Winkel.

Wobei Schäuble im internationalen Vergleich beinahe noch "liberal" zu nennen ist - Sven Scholz: Was nicht mehr da ist muss man nicht mehr schützen
Hellblazer - 23. Aug, 17:06

Da spricht ein Mann mit immensen Ängsten vor Kontrollverlust. Ich fürchte, meine kleine küchenpsychologische Analyse ist garnicht so falsch. Wenn meine Vermutung ob deren Motivationen hinter dieser Denke stimmt nützt es natürlich garnichts, denen klar zu machen, dass die Maßnahmen, die die sich so ausdenken, überhaupt nichts bringen, die einzige Reaktion auf eine solche Erkenntnis ist dann bloß erst recht: noch mehr desselben, mehr anstrengen, irgendwann muss es ja dann...

Diese Leute sind "normalen" Verhältnissen inzwischen so fremd, dass sie sämtliches Gespür verloren haben. Und ohne Gespür keine Einschätzungsmöglichkeiten der Realitäten, somit das Gefühl, Dinge "nicht unter Kontrolle" zu haben, usw. - die könnten einem fast Leid tun, wenn die Folgen aus deren psychotischem Handeln nicht so einschneidend und einen betreffend wären.

Die müssen ja wirklich eine Schweineangst haben inzwischen, vor allen und jedem.

blogger.de:al-safar - 23. Aug, 22:17

es geht immer noch schlimmer...

der kieler justizminister möchte das internet nicht nur überwachen sonder bestimmt teile gleich ganz verbieten: http://al-safar.de/jetzt-schlaegts-dreizehn-kryptographie-bald-illegal

MMarheinecke - 24. Aug, 07:20

Realitätsverlust scheint Berufsvoraussetzung für Innenpolitiker zu sein.

Im Prinzip solllte sich auch bei Politikern herumgesprochen haben, dass sich Kriminelle nicht durch Verbote abschrecken lassen. Im Prinzip - wer z. B. jemanden umlegen will, kümmert sich bestimmt nicht darum, dass er wegen des zu diesem Zweck besorgten "Eisens" wegen illegalen Schußwaffenbesitz belangt werden kann.
Kryptographie ist in verschiedenen Ländern längst illegal bzw., wie in Frankreich, eingeschränkt. Dass das die Bekämpfung von Terroristen oder organisierter Kriminalität erleichtern würde, glaubt im Grunde niemand - zumal es ja z. B. Steganographie gibt. Was allerdings ein Kryptographieverbot verschärfen würde, ist das Bewußtsein jedes Bürgers jederzeit verdächtig zu sein. Was vielleicht Absicht ist. Nicht im Sinne einer Verschwörung zur Abschaffung der "offenen Gesellschaft", sondern im Sinne der Minimierung des Kontrollverlustes.

Wobei die Angst vor Kontrollverlust bzw. die Angst vor der Freiheit bei mindestens einer (Regierungs-)Partei längst eine Sache der Parteibasis bzw. der Anhänger zu sein.

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