Träume ...

Angeregt durch einen Blogbeitrag bei Karan Träume und einem bei metalust & subdiskurse Die Antitraumdroge, Teil 1 - und durch ein Fußballspiel ...

Das Träume "Schäume", also unwichtig, seien, ist eine Behauptung, über die nicht nur Anhänger der Psychoanalyse (zu denen ich mich nicht zähle) nur müde lächeln können.
Manchmal machen mir Träume angst. Denn meine Träume haben die Tendenz, Wahrträume zu sein, auch präcognitiver Art. Heute habe ich mich darüber geägert, dass ich den Traum vom letzter Woche, in dem ich nicht nur geträumt hatte, dass Deutschland gegen Portugal um den dritten Platz der Fußball-WM spielen würde, sondern auch noch das korrekte Ergebnis 3 : 1 - nicht zu Anlaß einer Wette genommen habe. Aber da die Zukunft immer nur Möglichkeit ist, kann ich über den Wahrheitsgehalt eines prophetischen Traums leider erst im Nachhinhein urteilen. Deshalb vermeide ich es auch, anderen Menschen von meinen Träumen zu erzählen. Als Anregung für mein Leben im Wachzustand und als Warnung nehme ich mutmaßliche Wahrträume schon ernst.

Aber natürlich weiß ich als aufgeklärter Mensch ganz genau, dass es
präcognitive Wahrträume nicht geben kann - und das alles nur ein Scheineffekt infolge selektiver Wahrnehmung ist. (Ich träume zwar äußerst selten von Fußballspielen, aber es ist die plausibelste Erklärung, die ohne Metaphysik auskommt. Und ohne die Vermutung, ich würde einfach lügen.)

Einige Ergänzungen zu dem, was ich bereits in Karans Blog schrieb:
Träume zeigen, was wir nicht wahr haben wollen.
Nicht alle Träume. Aber viele. Das macht auch Träume, die keine Alpträume sind, oft unangenehm. (Ich habe übrigens sehr selten Alpträume.)
In der Sprache der Psychoanalyse: Träume zeigen Verdrängtes.
Dass ich kein Anhänger der Psychoanalyse nach Freud & Co. bin, heißt nicht, dass ich alles, was aus dieser Richtung kommt, für Nonsense hallte.
Das, was nicht den geregelten, möglichst angenehm eingerichteten Alltag paßt. Das, was nicht sein darf. Träume erlauben oft einen Blick in das, was wir in unserem Alltags-Wach-Verstand "Zukunft" nennen. Manchmal überraschend genau. Wobei in einem nicht-deterministischen Weltbild "Zukunft" stets "Möglichkeit" bedeutet.
Siehe oben. Ich halte übrigens die übliche lineare Abfolge "Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft" für ein schon den physischen Realitäten überhaupt nicht gerecht werdendes Modell der Zeit. Den metaphysischen Wirklichkeiten schon gar nicht.
Noch häufiger zeigen sie alternative Realitäten. So, wie es ist, muß es nicht sein.
Das ist meines Erachtens die wichtigste Funktion des Träumes. (Abgesehen von seiner physiologischen und psychologischen Notwendigkeit. Auch Menschen, die keinen REM-Schlaf haben, träumen. Auch wenn ich es nicht beweisen kann, vermute ich, dass Traum und Bewußtsein eng zusammenhängen. Alle denkenden Wesen träumen. "Träumen Roboter von elektrischen Schafen?" - Wenn die "künstliche Intelligenz" tatsächlich zu künstlichem Bewußtsein führen wird, ja.)

Eine "Anti-Traum-Droge" wäre schon aus diesem Grunde eine Versuchung für totalitäre Herrschaftsysteme.
(Es gibt tatsächlich Drogen, die die Fähigkeit zum Träumen beeinträchtigen. Allerdings beeinträchtigen diese Drogen auch die Denkfähigkeit. In einem Maße, dass sie selbst für intellektuell anspruchlose Diktaturen unattraktiv machen würde.)
"Anti-Traum-Maschinen" im übertragenen Sinne sind da schon attraktiver - vor allem gegen "Träume" im übertragene Sinne von "Wunschvorstellung" - das einfachste Mittel, Menschen wunschlos glücklich zu machen, ist ihnen die Wünsche zu nehmen.
(Ferdinand Lassalle nannte das "die verdammte Bedürfnislosigkeit des deutschen Arbeiters" - Eine kleine Wohnung, Bier und Wurst am Feierabend - also "bescheidener Wohlstand" - und der deutsche Arbeiter (und mit geringfügig höheren materiellen Ansprüchen der deutsche Kleinbürger) ist "wunschlos zufrieden".)

Und manchmal empfinde ich mein Leben als Alptraum. Aber das ist ein anderes Thema ...
Mantidea - 8. Jul, 23:59

...mein Reden - und ich stehe der Psychoanalyse - soweit ich sie kenne - eher skeptisch gegenüber. :-)

Viele Grüsse
Kai

Köppnick - 9. Jul, 11:08

Vergangenheit und Zukunft

Auf der Ebene der Quantenphysik wurde bis jetzt noch kein Grund gefunden, warum sich Vergangenheit und Zukunft voneinander unterscheiden. In unserer Alltagswelt, also dem Mesokosmos, tun sie das aber meistens. Dort gilt die Lebensweisheit: "Wir kennen die Vergangenheit, aber wir können sie nicht ändern. Wir kennen die Zukunft nicht, aber wir können sie ändern."

Aber ein genauerer Blick auf neurophysiologische und psychologische Erkenntnisse zeigt, dass das eigentlich nicht stimmt. Beim Abrufen von Erinnerungen werden die Neuronen auf dieselbe Art angesprochen, wie bereits beim Speichern derselben. Das bedeutet, jedes Abrufen der "Vergangenheit" verändert diese (in uns).

Für deine beiden Beispiele (das Fußballergebnis hier und das Mig-Erlebnis in deinem Link) gibt es außer der Interpretation als Vorausschau und dem natürlich immer vorhandenen Bias, weil man sich nur an eingetroffene Vorahnungen erinnert, noch eine vollkommen andere Deutungsmöglichkeit: Du hast irgendetwas Ähnliches geträumt. Beim Abrufen des Traums (also dem Erinnern) nach dem tatsächlichen Ereignis wurden deine Erinnerungen durch den damit verbundenen physiologischen Prozess so verändert, dass auch die Details der Erinnerung jetzt passen.

Eine Objektivierung von Traumvorhersagen ist unmöglich. Man müsste unmittelbar nach dem Träumen den Traum aufschreiben und gleichzeitig festlegen, welche Abweichungen eines tatsächlichen Geschehens vom Traum noch als eingetroffene Vorhersage gelten und welche nicht mehr.

Unser Gehirn ist evolutionär ein auf Lebenserhaltung programmiertes Organ. Eingetroffene Vorhersagen verbessern die Fittness des Organismus. Da ist es nur logisch, dass auch nicht eingetroffene Vorahnungen nachträglich in eingetroffene verändert werden. Von niemandem auf der Welt wird man mehr belogen als vom eigenen Gehirn, zu einem guten Zweck.

MMarheinecke - 9. Jul, 17:26

Ich habe versucht, es "härter" zu bekommen ...

.. und über einen längeren Zeitraum ein "Traumtagebuch" geführt.
Von daher weiß ich, dass ich in solchen Fällen nicht "etwas in der Art" geträumt habe, sondern "genau das". Leider ist so eine Notiz nicht "skeptikersicher" und (raffinierter) Selbstbetrug ist nicht auzuschließen. Und die Sache ist mir ehrlich zu anstrengend, bzw. belastend, dass ich mich einem aufwändigerem Untersuchungsverfahren unterwerfen würde. (Das nach Lage der Dinge wohl ebenfalls nicht den für wissenschaftliche Aussagen erforderlichen Anforderungen "hohe Reproduzierbarkeit" "hohe Signifikanz" und "prinzipielle Falsifizierbarkeit" entsprechen würde.)
"Harten" wissenschaftlichen Maßstäben nicht voll genügende Theorien sind zwar in der Psychologie nicht ungewöhnlich, aber hier greift das Randi-Prinzip: Außergewöhnliche Behauptungen (wie meine) erfordern außergewöhnliche / "schlagende" Beweise. (Die in der "Psychologie des Alltags" aus pragmatische Gründen nicht erforderlich sind.)
Über mit dem "false Memory Sydrom" habe ich mich, soweit es einem Laien überhaupt möglich, eingehend beschäftigt, und die "Plastizität der Erinnerung" ist mir wohl bekannt. Außerdem bin ich (mit Einschränkungen) Anhänger der evolutionären Erkenntnistheorie. Aussagen wie "von niemanden in der Welt wird man mehr belogen als vom eignenen Gehirn" sind, streng erkenntnistheoretisch, ohne Wert, es sei denn, ich würde "Ich" und "Gehirn" im cartesianischen Sinne als getrennte Wesenheiten sehen. (In gewisser Hinsicht tue ich das auch, wobei mir der "Leib-Seele-Dualismus" viel zu grobschlächtig vorkommt, um "wahr" zu sein. Aber das ist jetzt reine Metaphysik und keine wissenschaftlich haltbare Erkenntnistheorie.)
Köppnick - 9. Jul, 23:38

Falsche Erinnerungen

Das für mich beeindruckenste Beispiel über falsche Erinnerungen sind die Berichte über Tieffliegerangriffe auf Dresden zu Ende des 2. Weltkriegs. Sehr viele Augenzeugen (damals noch Kinder) haben davon berichtet, dass Dresden damals nicht nur bombardiert worden ist, sondern englische oder amerikanische Tiefflieger auch auf aus der Stadt fliehende Menschen Jagd gemacht haben sollen. Kein Militärhistoriker kann dafür Belege finden. Es wird angenommen, dass die Kinder Berichte und eigene Erlebnisse an anderen Orten und zu anderen Zeiten mit ihren traumatischen Erfahrungen verknüpft haben. Durch spätere Gespräche miteinander haben sie sich so eine eigene Vergangenheit gebastelt, die mit den tatsächlichen Ereignissen nichts mehr zu tun hat, durch die gegenseitigen Versicherungen, "genau so habe ich das auch erlebt", aber vollkommen resistent gegen die offizielle Geschichtsschreibung ist.

"von niemanden in der Welt wird man mehr belogen als vom eigenen Gehirn" ist natürlich nicht wissenschaftlich, sondern mehr als Bonmot zu lesen.

Was diese besonderen Träume betrifft, so streite ich nicht ab, dass soetwas prinzipiell möglich ist. Ich stelle mich nur auf den offiziellen Standpunkt der Skeptiker: Falls diese Träume (und Homöopathie als deren Standardabarbeitungsfall) Realität darstellen, dann ist unser heutiges Weltbild, speziell das der Physik, sehr unvollständig. Damit ist der Ball wieder auf der anderen Seite, nämlich auf Seiten der Behauptenden, Beweismöglichkeiten zu finden.

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