Sommerloch? Sonnenstich? Nein, ein leider folgerichtiger Vorschlag!

Wie ich es nicht anders erwartet hatte, kommen im Windschatten der WM gausliche politische Ideen ans Tageslicht. Es ist sicherlich nicht originell, aber es gibt Themen, die kann ich nicht ignorieren. Auch wenn "Me too"-Artikel eine Plage sind.

Das hier ist hoffentlich ein Fall von Sonnenstich oder Hitzekoller, aber ich fürchte, Stefan Müller (CSU) meint das Ernst:
Alle arbeitsfähigen Langzeitarbeitslosen müssen sich dann jeden Morgen bei einer Behörde zum 'Gemeinschaftsdienst' melden und werden dort zu regelmäßiger, gemeinnütziger Arbeit eingeteilt - acht Stunden pro Tag, von Montag bis Freitag.
Netzeitung: CSU fordert Arbeitsdienst für Arbeitslose

Wobei die als Argument bemühte "Kostenexplosion" ebenso virtuell ist wie das "Millionenheer arbeitsscheuer Sozialschmarotzer":
Wie mehrere Fachleute und auch Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) klar stellten, gibt es aber keine Kostenexplosion. Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Thea Dückert erklärte in der Netzeitung, die Kosten für Hartz IV lägen lediglich deutlich über den Planzahlen, die viel zu positiv gewesen seien. Laut Müntefering fallen die Ausgaben in diesem Jahr nur um vier bis fünf Prozent höher aus als im Vorjahr. «Es hat keine explosionsartigen Veränderungen gegeben.» (nz)
Ein "Reichsarbeitsdienst" ist allerdings leider folgerichtig, wenn man die einseitig betriebswirtschaftliche Sicht der Volkswirtschaft (!), den ausgeprägten Etaismus der Parteien der großen Koalition und das tief, tief verwurzelte autoritäre Denken nicht nur des rechten Unionsflügels berücksichtigt. Und den fatalen deutschen Hang, die Probleme von heute, wenn die Mittel von gestern versagt haben, mit Mitteln von vorgestern "lösen" zu wollen. Das Perfide - oder Strunzdumme - an Müller Vorschlag ist, dass die Zwangsbeschäftigten keine Gelegenheit mehr haben werden, sich ordentlich zu bewerben. Jedenfalls wäre der viel beschworenen Eigeninitiative, sich selbst einen passenden und guten Job zu suchen, wirksam ein Riegel vorgeschoben. Denn effektive Arbeitsplatzsuche ist, auch mangels Förderung durch die BA, faktisch ein Vollzeitjob.

Der "Bild" Titel, unter dem das Müller-Interview erschien, stimmt: "Erster Politiker fordert Arbeitsdienst für Arbeitslose". Es werden ihm weitere folgen. Mit hahnebüchenden Vorschlägen. Die nach diesem Hammer dann halbwegs vernünftig klingen werden. Das ist folgerichtig.

Zur Zeit der 1. "großen Koalition", 1966, schrieb der Philosoph Karl Jaspers seinen Bestseller (jedenfalls für ein politisch-philosophisches Buch war's einer): "Wohin treibt die Bundesrepublik?" - Antwort: "In einen Diktaturstaat". Es kam zum Glück anders. Aber ich vermute, dass zur Zeit der 2. "großen Koalition" dieser Gefahr wieder real geworden ist. Jaspers sah die junge Demokratie zum Spielball der großen Parteien werden und die politische Emanzipation der Deutschen bedroht. Wir haben wieder eine vergleichbare Situation.

Eine amüsante und treffende Polemik aus der linken Ecke - denn mir ist bei diesem Thema nicht zum Witzemachen zumute:

Bundesarbeitsdienst - mit Spaten und Ähren


Ich vermute, die Beste und sozialverträglichste Lösung für Typen wie mich ist die freiwillige Selbsteuthanisierung. Niemandem zur Last fallen, schon gar nicht der gebeutelten deutschen Volksgemeinschaft.

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