Herbert Grönemeyer - das Rätsel seines Erfolges

Heute, am 12. April 2006, wird Herbert Grönemeyer 50. Seit über 20 Jahren ist er einer der erfolgreichsten, wenn nicht gar der erfolgreichste deutschsprachige Sänger. Warum konnte ich nie so recht verstehen, denn seine Lieder glänzen nicht ebendurch musikalische Brillianz, und sind, von "Männer" vielleicht mal abgesehen, auch nicht unbedingt Ohrwurm-, Mitsing-, oder Partystimmungs-Material.
Auch seine Texte sind, gemessen am Liedermacher-, Rapper- oder Deutschrockerstandard, rein theoretisch nicht der Stoff, aus dem die Hits sind. Dazu sind seine Texte bei aller gefälligen Sentimentalität eigentlich in der Regel zu moralinsauer. Meistens reicht es bei Grönemeyer gerade zur "Betroffenheitslyrik", garniert mit risikoloser Rebellenattitüde.

Eine mögliche Antwort gibt "Lizas Welt" in einer polemischen, stellenweise über-interpretierenden, aber scharfsichtigen und scharfsinnigen Betrachtung:
Barde des Ressentiments
Eher etwas für schliche Gemüter also, möchte man achselzuckend meinen, wäre da nicht die erschreckende Erkenntnis, dass es wohl genau das ist, was Grönemeyers Anziehungskraft ausmacht. Schließlich ist er „ein Menschenversteher“, der sich „vor Jahren bereits selbst gefunden“ hat und seitdem weiß, „was die Menschen um ihn herum bewegt, was sie besorgt“. Das kann man wohl sagen: Die da oben? Machen sowieso, was sie wollen! Krieg? Immer schlecht, wenn ihn die Amis machen! Hungernde Kinder in der Dritten Welt? Und wir fressen uns hier die Wampe voll! Das ganze mit ein paar Beats unterlegt und mit moralinsaurem Blick ins Mikrofon genuschelt – ein echtes Prachtexemplar der Schöpfung.
Oder, wie ich es formulieren würde: der ideale Sänger für sich für kritisch haltende Deutsche, die Antikapitalismus und Lustfeindlichkeit mit Gesellschaftskritik verwechseln. Und für Deutsche mit Hang zum Nationalen, denen man mal beigebracht hatte, dass Rechtsextremismus "pfui" ist.

(Für das noch größere Rätsel, wieso Xavier Naidoo charttauglich ist, habe ich eine noch einfachere Erklärung: Für die Ohren eines verstockten Heiden, wie z. B. mir, hören sich X. N's. Songs wie in holprigen Reime gegossene moralinsäuregetränkte Lamoyanz an, begleitet von Melodien, die wage an Kater bei nächtlichen Revierkämpfen erinnern. Für die Ohren Wahrer Christen(tm) mit der rechten religiös-moralischen unheimlich-echt-betroffenen "die Welt ist schlecht" Überzeugung stellt Xavier Naidoo alle "Klassiker" zwischen Bach und den Beatles mühelos in den Schatten.)
Hellblazer - 14. Apr, 23:39

also "Currywurst" ist nach wie vor einer meiner Lieblingssongs...

MMarheinecke - 14. Apr, 23:56

"Sodbrennen"

"Currywurst" ist aber einer jener Songs, in dem "Herbert mit dem Frosch im Hals" nicht politisiert oder moralisiert. Der gefällt mir zwar auch nicht, das ist aber, wie die Currywurst selber, reine Geschmackssache. Die politisch-moralische Weltsicht Grönemeyers und seine Neigung, Kompliziertes zu sehr zu vereinfachen, sind es meiner Meinung nach nicht.

Anlass meines Artikels waren die zahlreichen Grönemeyer über den grünen Klee lobenden Beiträge in Presse, Funk und Fernsehen. Dann stolperte ich über Lizas kleinen Artikel, dem ich, bis auf Lizas (nachvollziebare) Neigung, überall Antisemitismus zu sehen, nur zustimmen kann.

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