Leukämie und Mini-Atombomben (Teil 3)
Teil 1
Teil 2
Der Anstoß dafür, dass die Behauptung, bei der GKSS wären sog. Mini-Nukes entwickelt worden, von Teilen der atomkritischen Öffentlichkeit ernst genommen wird, war der Eklat in der schleswig-holsteinischen Untersuchungkommision vom 2. November 2004.
Der NDR berichtete damals:
Was sind eigentlich "Mini Nukes"? Wie sähe ein hypothetisches geheimes Entwicklungslabor aus? Und - wäre das GKSS ein möglicher Ort für solch ein Labor.
"Mini-Nukes" sind ganz allgemein Kernwaffen mit einer Sprengkraft, die schwächer ist als 5000 Tonnen des konventionellen Standard-Sprengstoffs TNT. Oder kurz: Atombomben unter 5 Kilotonnen TNT.
Schon Ende der 50er Jahren gab es entsprechende Waffen, wie den W-54-Gefechtskopf, der nur 23 Kilogramm wog und eine Sprengkraft von etwa 1 kT hatte.
Offensichtlich meinte Edmund Lengfelder, ehemaliges Mitglied der schleswig-holsteinischen Leukämiekommission, nicht solche vergleichsweise "normalen" Atomwaffen. Ausgehend von den um Geesthacht gefundenen radioaktiven Kügelchen, die er als PAC identifizierte, behauptete er: Solche Kügelchen könne man benutzen, um nukleare Mini-Explosionen herbeizuführen. Dazu müßten sie mit Lasern beschossen werden, so dass eine Fusionsreaktion in Gang komme. Damit könnten Atombomben von wesentlich kleinerer Abmessung als bisher gebaut werden – sogar als Handgranaten.
So, wie sie hier steht, ist diese Behauptung allerdings Unsinn, wie ich bereits darlegte. Was allerdings tatsächlich diskutiert wird, sind Ultra-Mini-Nukes von erheblich weniger als 1 kT TNT und Ausmaßen der viel zitierten "Handkofferbombe". Das Problem liegt einerseits in der für eine nukleare Explosion benötigten kritischen Masse: bei Uran 235 beträgt sie ca. 50 kg, bei Plutonium 239 immerhin noch 10 kg. Durch Kombination einer starken Kompression des Spaltmaterials und eines Neutronenreflektors kann die kritische Masse für Pu 239 auf etwa 1 kg herabgesetzt werden. Das Gesamtgewicht eines solchen Sprengsatzes ist jedoch wegen des aufwendigen chemischen Zündsatzes relativ hoch - leicht genug für eine Artillerie-Granate, aber zu schwer und zu groß für den Aktenkoffer oder den Rucksack eines Infanteristen. Noch kleinere kritische Massen als Pu 239 haben Californium 251 (9 kg), Americium 242m (9 kg) und Curium 247 (7 kg). Diese Isotope werden deshalb als mögliche Bestandteile von "Micro Nukes" diskutiert.
Etwas ganz anderes, aber in der GKSS-Diskussion oft mit den auf Kernspaltung beruhenden "Mini Nukes" zusammengewürfelt, ist die Trägheitseinschluß-Fusion, Inertial Confinement Fusion, abgekürzt ICF, auch "Laserfusion" genannt. Hierbei wird ein "Pallet" aus fusionierbarem Material (z. B. Tritium) mit Laser- oder Partikelstrahlen so stark erhitzt und komprimiert, dass es zur Kernfusion kommt. Salopp formuliert wäre das eine Folge von Mikro-Wasserstoffbomben in einem Reaktorgefäß. Wäre, denn soweit öffentlich bekannt ist, gibt es noch keinen funktionstüchtigen Trägheitsfusions-Reaktor. Für militärische Zwecke, auch in Richtung "Mikro-Nuke", ist die Trägheitseinschlußfusion ebenfalls interessant, denn man braucht sich nicht mehr um "kritischen Massen" zu kümmern. Man kann leicht über das Internet recherchieren, dass eine Fülle von Literatur über ICF im Kontext militärischer Projekte gibt - (Allerdings nur die Information, dass es solche Literatur gibt, die Literatur selbst steht verständlicherweise nicht online.)
Das Problem bei der "ICF-Bombe" ist: Wie bekommt man einen Hochenergie-Laser (im Megajoule-Bereich) und seine Energiequelle so klein, dass er in eine kompakte Bombe passt oder, naheliegender, wie kann man ein "Pallet" aus der Entfernung mit einem Laser oder Partikelstrahl zünden?
Die Gemeinsamkeit der Kernspaltungs- und der Kernfusions- "Mini Nuke": in beiden Fällen kommen "Kügelchen" zur Anwendung. Nur sind sie in einem Fall aus spaltbarem Material, im anderen Fall aus fusionierbarem Material (bzw. sind mit solchem gefüllt).
"Fusions-Fissions-Kügelchen" als angeblicher Bestandteil einer "militärisch nutzbaren Hybridtechnik aus Kernfusion und Kernspaltung zum Einsatz in kleinen Atomwaffen" werden, nach Angaben von Sebastian Pflugbeil, in einer Studie des DDR Ministeriums für Staatsicherheit aus dem Jahr 1987 mit dem Titel "Kleinkernladungen (Mininukes)", erwähnt. Diese Studie liegt mir nicht vor. Die Mitteilung der IPPNW über sie macht auf mich einen reichlich verwirrten Eindruck. (In Grau Zone)
Wie sähe ein hypothetisches Entwicklungslabor für Mininukes aus?
Sebastian Pflugbeil von den Internationalen Ärzten gegen den Atomkrieg (IPPNW) betont, dass die Experimente mit Mininukes "keine Testgebiete, keine tiefen Bohrlöcher" benötigen. "Weil ›nur‹ wissenschaftliche Gerätschaften und sehr geringe Mengen von Spaltstoff gebraucht werden, ist zu befürchten, daß auf dieser Ebene gegenwärtig das größte Problem bezüglich der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen besteht."
Für den Test einer Mini-Nuke - immerhin einer Explosion in der Größenordnung einiger hundert Kilo TNT - ist durchaus ein Testgebiete und ein Bohrloch erforderlich. Allerdings können die Dimensionen relativ bescheiden sein, und die durchaus leicht registrierbare Explosion könnte als "konventionelle Sprengung" getarnt werden. (Dem engen Netz der Seismometer sowohl der IAEA wie denen der Erdbebenforscher entgeht buchstäblich nichts, was wesendlich größer ist als ein Böller.)
Für den Bau, sprich die reine Montage, einer Kernspaltungs-Mininuke braucht man mindestens eine "heiße Zelle" mit Abschirmung, Manipulatoren usw. Dafür ist ein relativ großes Gebäude (oder eine relativ große unterirdische Anlage) erforderlich. In den Ausmaßen eines leicht verbergbaren "Kellerlabors" ist eine "heiße Zelle" jedenfalls nicht zu verwirklichen.
Forscht man auf dem Gebiet der Trägheitseinschlußfusion, braucht man einen Hochenergielaser oder eine Hochenergie-Partikelquelle, z. B. einen Teilchenbeschleuniger. Nach derzeitigem Stand der Technik ist beides nicht im "Garagenmaßstab" zu haben.
Wichtig ist, wie bei jeder Form der Geheimforschung: Die Anlagen müssen allen unbefugten Blicken konsequent verborgen bleiben.
Würde die GKSS diese Voraussetzungen erfüllen? An der GKSS gibt es tatsächlich "heiße Zellen", d. h. hier könnten theoretisch Atomwaffen montiert werden. Als Testgebiet für noch so kleine Atombomben käme das Gelände wohl nicht in Frage. Es gäbe keine Möglichkeit eine schwere Explosion "wegzuerklären". (Ein Steinbruch oder ein Bergwerk, notfalls auf ein Truppenübungsplatz wäre da schon nützlich, ein argwöhnisch beobachtetes AKW in unmittelbarer Nachbarschaft wohl nicht.)
Mit einer anderen erforderlichen Voraussetzung, nämlich der Geheimhaltung der Anlagen, sieht und sah es bei der GKSS eher mau aus. Der Werkschutz entspricht dem bei Industrieanlagen üblichen, der Zaun um das Gelände ist ein Maschendrahtzaun, der von einfachem Stacheldraht gekrönt wird.
Eine lückenlose Kameraüberwachung gab es nach meinen Beobachtungen in den 80er Jahren nicht. Wenn gerade keine Werkschutz-Streife in der Nähe war, stellte der Zaun kein ernsthaftes Hindernis dar. (Ich gebe zu, ich habe der Versuchung nicht widerstehen können, das seinerzeit einmal selbst auszuprobieren. War damals allerdings auch 20 Jahre beweglicher ...) Der Bereich um das Reaktorgebäude, in dem auch die heißen Zellen untergebracht waren, war mit einem weiteren Zaun und einem weiteren Wachlokal (und nervösen Wachhunden) gesichert, es gab auch Überwachungskameras. Allerdings: im Vergleich mit der bei "wichtigen" militärischen Anlagen üblichen Schutz gegen unbefugte Eindringlinge (oder dem "ziviler" Auftragnehmer für sensible Militärtechnik, wie z. B. bei der Schiffbauhalle für Militärschiffe der Werft Blohm + Voss) war (und ist) die Zugangsicherung bei der GKSS ein Witz.
Bei der GKSS arbeiteten damals 650 Beschäftigte, heute sind es sogar mehr. Hinzu kommen Mitarbeiter von Fremdfirmen (die GKSS arbeitet intensiv mit der Industrie zusammen), Studenten und zahlreiche Besuchergruppen. Zum Reaktorgebäude hat nur ein Teil der Belegschaft unbegleitet Zugang; ich gehörte dazu. Auch im Reaktorgebäude war kein Bereich völlig "off Limits", nach vorheriger Erlaubnis (die mir problemlos gewährt wurde) konnte ich sogar den Reaktorraum (mit den damals zwei beeindruckend intensiv blau leuchtenden "Swimmingpool"-Reaktoren) im laufernden Betrieb besichtigen, ebenso den Sicherheitsbereich mit den "heißen Zellen". Auch Besucher wurden regelmäßig durch diese Bereiche geführt.
Auch für andere Bereiche, Gebäude und Einrichtungen auf dem GKSS Gelände galt, dass eigentlich nichts völlig "off limit" war - Offenheit war ein durchgängiges Prinzip. Das Gesprächsklima unter der Belegschaft war ebenfalls offen, ähnlich wie an universitären Einrichtungen; es gab auch etliche engagierte Atomkraftgegner am GKSS. Wobei nur den allerkleinste Teil des GKSS direkt oder indirekt mit "Kernenergie" zu tun hatte, obwohl das GKSS damals im Umgangston noch gern "die Kernenergie" genannt wurde. (O-Ton im Werksbus: "Wie lange arbeitest du schon bei der Kernenergie als Taucher?" Der Taucher arbeitete im Bereich "Unterwassertechnik", damals ein Schwerpunkt der GKSS.)
Der langen Rede kurzer Sinn: Wenn es an der GKSS geheime Anlagen gab, dann müssten sie wohl unterirdisch angelegt gewesen sein. Dafür gäbe es allerdings besser geeignete Standorte, z. B. "sowieso" streng bewachte militärische Anlagen, alternativ, im Sinne einer möglichst guten Tarnung, auch völlig "unverdächtige" zivile Industrieanlagen. Das GKSS ist zu schlecht abgeschirmt, zu anfällig für "undichte Stellen", zu stark beobachtet (auch von der IAEA) und wegen der allgemein bekannten nuklearen Anlagen zu "verdächtig" für geheime Atomwaffenforschung.
In den Berichten über einen Brand am 12. September 1986, als im KKW Krümmel stark erhöhte Radioaktivität gemessen wurde, ist von eine Brandherd zwischen GKSS-Gelände und KKK die Rede. Brandspuren an Bäumen gibt es wirklich, die Stelle befindet sich in einem Geländeteil, der heute innerhalb des GKSS-Zaunes liegt. Das ist aber kein Hindernis, Mitgliedern einer örtlichen Anti-Atom-Gruppe gelang es, durch ein in den Zaun geschnittenes Loch einzudringen. Außerdem können GKSS-Mitarbeiter diesen Geländeteil ohne Probleme betreten.
Von einen durch Brand zerstörten oder zumindest stark beschädigten Gebäude, von dem auch Gerüchte umgingen, kann keine Rede sein. Alte Fliesen, Installationreste, Mauerreste usw. gibt es auf dem Gelände und in seine Umgebung reichlich, sie stammen von der ehemaligen Munitionsfabrik Krümmel.
Fazit: Es spricht meines Erachtens nichts dafür, dass am GKSS Mini-Nukes entwickelt wurden. Das schließ natürlich theoretische Forschungsarbeiten, oder Entwicklung von Bestandteilen von Waffentechnologie nicht aus - allerdings einen Unfall mit einer "Mini-Nuke" (oder an einem weiteren, geheimen, Reaktor).
Teil 4
Teil 2
Der Anstoß dafür, dass die Behauptung, bei der GKSS wären sog. Mini-Nukes entwickelt worden, von Teilen der atomkritischen Öffentlichkeit ernst genommen wird, war der Eklat in der schleswig-holsteinischen Untersuchungkommision vom 2. November 2004.
Der NDR berichtete damals:
Sechs von neun Mitgliedern der schleswig-holsteinischen Kommission legen die Arbeit aus Protest gegen eine angebliche Verschleierungspolitik der rot-grünen Landesregierung nieder. Die Forscher werfen der Koalition vor, die Arbeit der Kommission zu behindern, weil ihr die Erkenntnisse nicht gefallen. Sie erklären, dass das Kernkraftwerk Krümmel zwar als Mitverursacher der Leukämien in Frage kommt. Leukämierelevante Umgebungskontaminationen sollen jedoch von geheim gehaltenen und illegalen kerntechnischen Experimenten an der nahe gelegenen Forschungseinrichtung GKSS stammen.In der Folge spekulierten selbst seriöse Medien, z. B. die Süddeutsche Zeitung, offen über geheime Atomwaffenprojekte.
Was sind eigentlich "Mini Nukes"? Wie sähe ein hypothetisches geheimes Entwicklungslabor aus? Und - wäre das GKSS ein möglicher Ort für solch ein Labor.
"Mini-Nukes" sind ganz allgemein Kernwaffen mit einer Sprengkraft, die schwächer ist als 5000 Tonnen des konventionellen Standard-Sprengstoffs TNT. Oder kurz: Atombomben unter 5 Kilotonnen TNT.
Schon Ende der 50er Jahren gab es entsprechende Waffen, wie den W-54-Gefechtskopf, der nur 23 Kilogramm wog und eine Sprengkraft von etwa 1 kT hatte.
Offensichtlich meinte Edmund Lengfelder, ehemaliges Mitglied der schleswig-holsteinischen Leukämiekommission, nicht solche vergleichsweise "normalen" Atomwaffen. Ausgehend von den um Geesthacht gefundenen radioaktiven Kügelchen, die er als PAC identifizierte, behauptete er: Solche Kügelchen könne man benutzen, um nukleare Mini-Explosionen herbeizuführen. Dazu müßten sie mit Lasern beschossen werden, so dass eine Fusionsreaktion in Gang komme. Damit könnten Atombomben von wesentlich kleinerer Abmessung als bisher gebaut werden – sogar als Handgranaten.
So, wie sie hier steht, ist diese Behauptung allerdings Unsinn, wie ich bereits darlegte. Was allerdings tatsächlich diskutiert wird, sind Ultra-Mini-Nukes von erheblich weniger als 1 kT TNT und Ausmaßen der viel zitierten "Handkofferbombe". Das Problem liegt einerseits in der für eine nukleare Explosion benötigten kritischen Masse: bei Uran 235 beträgt sie ca. 50 kg, bei Plutonium 239 immerhin noch 10 kg. Durch Kombination einer starken Kompression des Spaltmaterials und eines Neutronenreflektors kann die kritische Masse für Pu 239 auf etwa 1 kg herabgesetzt werden. Das Gesamtgewicht eines solchen Sprengsatzes ist jedoch wegen des aufwendigen chemischen Zündsatzes relativ hoch - leicht genug für eine Artillerie-Granate, aber zu schwer und zu groß für den Aktenkoffer oder den Rucksack eines Infanteristen. Noch kleinere kritische Massen als Pu 239 haben Californium 251 (9 kg), Americium 242m (9 kg) und Curium 247 (7 kg). Diese Isotope werden deshalb als mögliche Bestandteile von "Micro Nukes" diskutiert.
Etwas ganz anderes, aber in der GKSS-Diskussion oft mit den auf Kernspaltung beruhenden "Mini Nukes" zusammengewürfelt, ist die Trägheitseinschluß-Fusion, Inertial Confinement Fusion, abgekürzt ICF, auch "Laserfusion" genannt. Hierbei wird ein "Pallet" aus fusionierbarem Material (z. B. Tritium) mit Laser- oder Partikelstrahlen so stark erhitzt und komprimiert, dass es zur Kernfusion kommt. Salopp formuliert wäre das eine Folge von Mikro-Wasserstoffbomben in einem Reaktorgefäß. Wäre, denn soweit öffentlich bekannt ist, gibt es noch keinen funktionstüchtigen Trägheitsfusions-Reaktor. Für militärische Zwecke, auch in Richtung "Mikro-Nuke", ist die Trägheitseinschlußfusion ebenfalls interessant, denn man braucht sich nicht mehr um "kritischen Massen" zu kümmern. Man kann leicht über das Internet recherchieren, dass eine Fülle von Literatur über ICF im Kontext militärischer Projekte gibt - (Allerdings nur die Information, dass es solche Literatur gibt, die Literatur selbst steht verständlicherweise nicht online.)
Das Problem bei der "ICF-Bombe" ist: Wie bekommt man einen Hochenergie-Laser (im Megajoule-Bereich) und seine Energiequelle so klein, dass er in eine kompakte Bombe passt oder, naheliegender, wie kann man ein "Pallet" aus der Entfernung mit einem Laser oder Partikelstrahl zünden?
Die Gemeinsamkeit der Kernspaltungs- und der Kernfusions- "Mini Nuke": in beiden Fällen kommen "Kügelchen" zur Anwendung. Nur sind sie in einem Fall aus spaltbarem Material, im anderen Fall aus fusionierbarem Material (bzw. sind mit solchem gefüllt).
"Fusions-Fissions-Kügelchen" als angeblicher Bestandteil einer "militärisch nutzbaren Hybridtechnik aus Kernfusion und Kernspaltung zum Einsatz in kleinen Atomwaffen" werden, nach Angaben von Sebastian Pflugbeil, in einer Studie des DDR Ministeriums für Staatsicherheit aus dem Jahr 1987 mit dem Titel "Kleinkernladungen (Mininukes)", erwähnt. Diese Studie liegt mir nicht vor. Die Mitteilung der IPPNW über sie macht auf mich einen reichlich verwirrten Eindruck. (In Grau Zone)
Wie sähe ein hypothetisches Entwicklungslabor für Mininukes aus?
Sebastian Pflugbeil von den Internationalen Ärzten gegen den Atomkrieg (IPPNW) betont, dass die Experimente mit Mininukes "keine Testgebiete, keine tiefen Bohrlöcher" benötigen. "Weil ›nur‹ wissenschaftliche Gerätschaften und sehr geringe Mengen von Spaltstoff gebraucht werden, ist zu befürchten, daß auf dieser Ebene gegenwärtig das größte Problem bezüglich der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen besteht."
Für den Test einer Mini-Nuke - immerhin einer Explosion in der Größenordnung einiger hundert Kilo TNT - ist durchaus ein Testgebiete und ein Bohrloch erforderlich. Allerdings können die Dimensionen relativ bescheiden sein, und die durchaus leicht registrierbare Explosion könnte als "konventionelle Sprengung" getarnt werden. (Dem engen Netz der Seismometer sowohl der IAEA wie denen der Erdbebenforscher entgeht buchstäblich nichts, was wesendlich größer ist als ein Böller.)
Für den Bau, sprich die reine Montage, einer Kernspaltungs-Mininuke braucht man mindestens eine "heiße Zelle" mit Abschirmung, Manipulatoren usw. Dafür ist ein relativ großes Gebäude (oder eine relativ große unterirdische Anlage) erforderlich. In den Ausmaßen eines leicht verbergbaren "Kellerlabors" ist eine "heiße Zelle" jedenfalls nicht zu verwirklichen.
Forscht man auf dem Gebiet der Trägheitseinschlußfusion, braucht man einen Hochenergielaser oder eine Hochenergie-Partikelquelle, z. B. einen Teilchenbeschleuniger. Nach derzeitigem Stand der Technik ist beides nicht im "Garagenmaßstab" zu haben.
Wichtig ist, wie bei jeder Form der Geheimforschung: Die Anlagen müssen allen unbefugten Blicken konsequent verborgen bleiben.
Würde die GKSS diese Voraussetzungen erfüllen? An der GKSS gibt es tatsächlich "heiße Zellen", d. h. hier könnten theoretisch Atomwaffen montiert werden. Als Testgebiet für noch so kleine Atombomben käme das Gelände wohl nicht in Frage. Es gäbe keine Möglichkeit eine schwere Explosion "wegzuerklären". (Ein Steinbruch oder ein Bergwerk, notfalls auf ein Truppenübungsplatz wäre da schon nützlich, ein argwöhnisch beobachtetes AKW in unmittelbarer Nachbarschaft wohl nicht.)
Mit einer anderen erforderlichen Voraussetzung, nämlich der Geheimhaltung der Anlagen, sieht und sah es bei der GKSS eher mau aus. Der Werkschutz entspricht dem bei Industrieanlagen üblichen, der Zaun um das Gelände ist ein Maschendrahtzaun, der von einfachem Stacheldraht gekrönt wird.
Eine lückenlose Kameraüberwachung gab es nach meinen Beobachtungen in den 80er Jahren nicht. Wenn gerade keine Werkschutz-Streife in der Nähe war, stellte der Zaun kein ernsthaftes Hindernis dar. (Ich gebe zu, ich habe der Versuchung nicht widerstehen können, das seinerzeit einmal selbst auszuprobieren. War damals allerdings auch 20 Jahre beweglicher ...) Der Bereich um das Reaktorgebäude, in dem auch die heißen Zellen untergebracht waren, war mit einem weiteren Zaun und einem weiteren Wachlokal (und nervösen Wachhunden) gesichert, es gab auch Überwachungskameras. Allerdings: im Vergleich mit der bei "wichtigen" militärischen Anlagen üblichen Schutz gegen unbefugte Eindringlinge (oder dem "ziviler" Auftragnehmer für sensible Militärtechnik, wie z. B. bei der Schiffbauhalle für Militärschiffe der Werft Blohm + Voss) war (und ist) die Zugangsicherung bei der GKSS ein Witz.
Bei der GKSS arbeiteten damals 650 Beschäftigte, heute sind es sogar mehr. Hinzu kommen Mitarbeiter von Fremdfirmen (die GKSS arbeitet intensiv mit der Industrie zusammen), Studenten und zahlreiche Besuchergruppen. Zum Reaktorgebäude hat nur ein Teil der Belegschaft unbegleitet Zugang; ich gehörte dazu. Auch im Reaktorgebäude war kein Bereich völlig "off Limits", nach vorheriger Erlaubnis (die mir problemlos gewährt wurde) konnte ich sogar den Reaktorraum (mit den damals zwei beeindruckend intensiv blau leuchtenden "Swimmingpool"-Reaktoren) im laufernden Betrieb besichtigen, ebenso den Sicherheitsbereich mit den "heißen Zellen". Auch Besucher wurden regelmäßig durch diese Bereiche geführt.
Auch für andere Bereiche, Gebäude und Einrichtungen auf dem GKSS Gelände galt, dass eigentlich nichts völlig "off limit" war - Offenheit war ein durchgängiges Prinzip. Das Gesprächsklima unter der Belegschaft war ebenfalls offen, ähnlich wie an universitären Einrichtungen; es gab auch etliche engagierte Atomkraftgegner am GKSS. Wobei nur den allerkleinste Teil des GKSS direkt oder indirekt mit "Kernenergie" zu tun hatte, obwohl das GKSS damals im Umgangston noch gern "die Kernenergie" genannt wurde. (O-Ton im Werksbus: "Wie lange arbeitest du schon bei der Kernenergie als Taucher?" Der Taucher arbeitete im Bereich "Unterwassertechnik", damals ein Schwerpunkt der GKSS.)
Der langen Rede kurzer Sinn: Wenn es an der GKSS geheime Anlagen gab, dann müssten sie wohl unterirdisch angelegt gewesen sein. Dafür gäbe es allerdings besser geeignete Standorte, z. B. "sowieso" streng bewachte militärische Anlagen, alternativ, im Sinne einer möglichst guten Tarnung, auch völlig "unverdächtige" zivile Industrieanlagen. Das GKSS ist zu schlecht abgeschirmt, zu anfällig für "undichte Stellen", zu stark beobachtet (auch von der IAEA) und wegen der allgemein bekannten nuklearen Anlagen zu "verdächtig" für geheime Atomwaffenforschung.
In den Berichten über einen Brand am 12. September 1986, als im KKW Krümmel stark erhöhte Radioaktivität gemessen wurde, ist von eine Brandherd zwischen GKSS-Gelände und KKK die Rede. Brandspuren an Bäumen gibt es wirklich, die Stelle befindet sich in einem Geländeteil, der heute innerhalb des GKSS-Zaunes liegt. Das ist aber kein Hindernis, Mitgliedern einer örtlichen Anti-Atom-Gruppe gelang es, durch ein in den Zaun geschnittenes Loch einzudringen. Außerdem können GKSS-Mitarbeiter diesen Geländeteil ohne Probleme betreten.
Von einen durch Brand zerstörten oder zumindest stark beschädigten Gebäude, von dem auch Gerüchte umgingen, kann keine Rede sein. Alte Fliesen, Installationreste, Mauerreste usw. gibt es auf dem Gelände und in seine Umgebung reichlich, sie stammen von der ehemaligen Munitionsfabrik Krümmel.
Fazit: Es spricht meines Erachtens nichts dafür, dass am GKSS Mini-Nukes entwickelt wurden. Das schließ natürlich theoretische Forschungsarbeiten, oder Entwicklung von Bestandteilen von Waffentechnologie nicht aus - allerdings einen Unfall mit einer "Mini-Nuke" (oder an einem weiteren, geheimen, Reaktor).
Teil 4
MMarheinecke - Samstag, 8. April 2006
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