Leukämie und Mini-Atombomben
Gestern (am Sonntag, dem 2. April 2006), typischerweise zu später Stunde (23:30) lief auf dem ZDF die Sendung "Und niemand weiß warum - Leukämietod in der Elbmarsch". (Bericht über die ZDF-Sendung in der Frankfurter Allgemeinen online: Der vertuschte Skandal)
Eine - mit Abstrichen - gute Dokumentation über den "Leukämiecluster" in der Elbmarsch und einen möglichen vertuschten nuklearen Unfall im nahen GKSS-Forschungszentrum (und nicht etwa im AKW Krümmel, wie die FR fälschlicherweise meint).
Zwei der Abstriche gleich vorweg: die GKSS betreibt zwar einen kleinen Reaktor für Materialuntersuchungen, ist aber mitnichten ein "Kernforschungszentrum", wie im Bericht beschrieben - und sie war auch vor 20 Jahren kein "Kernforschungszentrum" mehr. Wikipedia: GKSS Forschungszentrum. Offizielle Website: GKSS Forschungszentrum. Artikel im Anti-Atom-Lexikon: GKSS
Während meines Studiums in den 80er Jahren arbeitete ich zeitweilig als Praktikant und studentische Hilfskraft am GKSS. Ich wage nicht zu behaupten, dass ich das GKSS wirklich kennen würde, allerdings denke ich, dass ich einige Vermutungen aus eigenem Erleben falsifizieren kann. Z. B. wurde in der Dokumentation ein Krater zwischen dem Gelände der GKSS und dem KKK (Kernkraftwerk Krümmel) gezeigt, mit "auffallend jungem Baumwuchs", Das wurde als Indiz für eine Explosion oder einen Brand, den Augenzeugen dort beobachtet haben wollen, gewertet. Aus eigener Anschauung kann ich mit Sicherheit sagen: der besagte tiefe Krater war schon vor 1986 dort. Er stammt nämlich aus dem Jahr 1944 oder 1945, als die dort befindlichen Bunker der Sprengstofffabrik Krümmel von den Briten zunächst mit überschweren Bomben "geknackt" und nach der deutschen Kapitulation entgültig durch Sprengung zerstört wurden. Der Baumbestand ist zwar jung, aber die Bäume waren, wenn auch kleiner, schon in den 80er dort. Übrigens wurde damals die wild wuchernde Vegatation teilweise ganz regulär gerodet, im Rahmen der Bauerschließung für mögliche Erweiterungsbauten (die zum Teil sogar tatsächlich gebaut wurden). Diese "Veränderungen" dann mittels Satellitenbild als "Beweis" für einen vertuschten Großunfall darzustellen erinnert mich leider ein wenig an "BILD"-Journalismus.
Von den beiden Augenzeugen, die ein ganz merkwürdiges Feuer, das wegen seiner merkwürdigen Farben wohl kein Feuer war, bei der GKSS gesehen haben wollen, halte ich auch wenig. Beinahe jede Woche meldete sich in den 80ern irgend jemand, der irgend etwas "Komisches" bei der GKSS oder dem AKW Krümmel gesehen haben wollte. Keine Nebelschwade, kein "mysteriöserweise" gefällter Baum, kein "komischer" LKW und kein neues Warnlicht entging damals den argwöhnischen Blicken. Ich habe selbst "live" miterlebt, auf welch lächerliche Weise ein durch die Lokalpresse gehender "Strahlenskandal" zustande kam. Aber lassen wir solche Anekdoten beiseite, denn zum "Anti-Atom-Aktivisten-Bashing" besteht wirklich kein Grund.
Zu den Hintergründen: In der Elbmarsch östlich von Hamburg und nördlich von Lüneburg sind seit etwa 1990 auffällig viele Kinder an Leukämie erkrankt - bis heute 17 Fälle, bisher sechs endete tötlich. Kindliche Leukämie ist normalerweise eine extrem seltene Erkrankung. Um diese Vorfälle zu klären, hatte die damalige rot-grüne Landesregierung in Kiel seit Ende der 1990er Jahre eine Komission aus namhaften Fachleuten eingesetzt und mehrere aufwändige Gutachten in Auftrag gegeben. Im Mittelpunkt stand dabei ein möglicher Zusammenhang mit dem nahen Atomkraftwerk Krümmel und dem benachbarten GKSS-Forschungszentrum.
Einen Zusammenhang zwischen den Leukämie-Erkrankungen und dem AKW Krümmel oder dem GKSS konnte keine der Studien finden, auch nicht die des als atomkritisch bekannten Darmstädter Öko-Institutes. Dennoch:alle gängigen Erklärungen für die Leukämien (Benzol, Pestizide usw.) können ebenfalls ausgeschlossen werden. Das führte zu der beunruhigenden Annahme, dass es einen vertuschten schweren nuklearen Unfall gegeben habe muß. Tatsächlich gibt es Indizien, die auf einen Unfall bei der GKSS hinweisen könnte, z. B. deutlich erhöhte Meßwerte für Radioaktivität in der Luft bei der Meßstelle des benachbarten AKWs Krümmel.
Eine sehr gute Darstellung der Problematik gab eine Sendung des Deutschlandfunks vom 14.08.2005, deren Manuskript auch online gestellt wurde: Die Leukämiekinder von Krümmel
Die Möglichkeit, dass am 12. September 1986 einen Unfall gegeben haben könnte, bei dem erhebliche Mengen radioaktiven Matrials freigesetzt wurden, ist nicht von der Hand zu weisen. Leider wird in Teilen der "atomkritischen Öffentlichkeit" (ansatzweise auch im ZDF-Beitrag) aus einem möglichen Atommüllunfall aus Leichtsinn / Schlamperei (mit deutlichen Parallelen zu Vorfällen in der experimentelle WAA Hanau) eine ziemlich gewagte ganz große Verschwörungstheorie:
1986 hätte es einen vertuschten Unfall bei im GKSS-Forschungszentrum gegeben hat - und zwar nicht im kleinen Forschungsreaktor der GKSS oder in der auf dem GKSS-Gelände liegenden Sammelstelle für radioaktive Abfälle, sondern bei illegalen Forschungen an sog. Mini-Nukes.
Den Atomwaffensperrvertrag eindeutig brechende ultra geheime Atomwaffenforschung bei einem auf große Offenheit bedachten Forschungszentrum, das sich in erster Linie mit Materialforschung, Umweltforschung, Meerestechnik u. Ä. beschäftigt - das entbehrt nicht einer gewissen Kühnheit. Auch wenn es einen kleinen Reaktor betreibt (1986 waren es noch zwei), es dort ein Sammellager für radioaktive Abfälle gibt und die GKSS früher mal den Atomfrachter "Otto Hahn" betrieben hatte.
2004 hatte eine Forschergruppe namens Arge PhAM bei Stichproben rund um Krümmel nach eigenen Angaben sog. PAC im Boden gefunden. In den Mikrokügelchen, erklärt Arge PhAM, fänden sich Radionuklide wie Plutonium, Americium oder Curium, aber auch leichte Elemente wie Lithium oder Bor. PAC sind winzige Kügelchen aus Uran- und Thorium-Oxiden. Solche Kügelchen wurden u.a. zur Verwendung im Hochtemperaturreaktor THTR Hamm-Uentrop entwickelt. PAC spielt auch bei der Entwicklung sog. Mini-Nukes eine Rolle. Allerdings: ob das, was die PhAM gefunden hat wirklich PAC sind, ist durchaus zweifelhaft. (Auch nach den Mikroskopaufnahmen im ZDF). Mischoxide aus angereichertem Uran und Thorium wären typisch für Hochtemperaturreaktoren. Die Arge PhAM sah jedenfalls in den Funden einen Hinweis auf illegale Atomwaffenentwicklung bei der GKSS.
Am 31. März hielt die Gesellschaft für Strahlenschutz (GfS), die Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch und die Organisation Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) eine Pressekonferenz ab, in der sie ihre Untersuchungsergebnisse vorstellte. Sowohl Folgen des Tschernobyl-Unglücks als auch natürliche Strahlenquellen oder Atomwaffentests kämen als Ursachen nicht in Frage, sagte Prof. Inge Schmitz-Feuerhake von der Gesellschaft für Strahlenforschung. In den neuen Bodenproben hätten sich "Kügelchen" (die oben genannten PAC) mit angereichertem Uran und große Mengen verschiedener Thoriumisotope in nicht natürlicher Zusammensetzung befunden. Die erhöhte Thoriumkonzentration könne die Erkrankungen verursacht haben. Etwas rätselhaft ist ihre Aussage: "Wir vermuten, dass ein Brennstoff getestet wurde, der die Spaltung und die Fusion in sich vereinen sollte".
Brennstoffe für die Kernspaltung sind die spaltbaren Isotope extrem schwere Elemente, wie Uran, Plutonium, Thorium oder Americium. Für die Kernfusion kommen nur sehr leichte Elemente, wie die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium oder das Helium-Isotop Helium 3 infrage. Lithium, wie es dem Vernehmen nach den Partikeln gefunden wurde, ist ein Material, aus dem Tritium "erbrütet" werden kann. Bor, wie es auch in den "Kügelchen" vorkommen soll, ist hingegen ein "Neutronengift", das eine nukleare Kettenreaktion - egal, ob Fusion oder Spaltung - praktisch ausschließen würde. Bor ist deshalb ein typischer Bestandteil von Kontrollstäben für Kernreaktoren. In einem Brennelement macht es wenig Sinn. Aber in "zusammengeschmolzenem Atommüll" könnte man Bor durchaus finden.
Vermutlich meint Prof. Feuerhake, dass die PAC Teil eines experimentellen Reaktors gewesen seien, in dem sowohl Spaltungs- wie Fusionsprozesse ablaufen. Ein Beispiel wäre die Wasserstoffbombe: eine Kernspaltungreaktion, nämlich eine explodierende Plutonium-Bombe, dient als "Zünder" für die erheblich stärkere Fusionsreaktion. Sie sagte eindeutig: "Es ging um geheime kerntechnische Experimente" (und nicht "nur" um einen Unfall mit Atommüll). Womit sie der seit Jahren grassierenden Atomwaffen-Verschwörungstheorie recht nahe kommt.
Eindeutig auch die Aussagen des Landtagsabgeordneten Uwe Harden (SPD): "Es wurde ein Atomunfall mit weitreichender Kontamination vertuscht".
Einige Pressestimmen:
taz: Hinweis auf Leukämie durch Atomunfall
Saar Echo: Boden um Geesthacht hochradioaktiv verseucht (Was im übrigen nicht der Fall ist! In diesem Zusamenhang suggerierte übrigens der ZDF-Bericht - vielleicht aus Unkenntnis - schlimmere Zustände, als sie - schlimm genug! - wohl wirklich sind.)
Ein ausgesprochen "kämpferischer" Artikel im "Neuen Deutschland":
Gab es 1986 einen Atomunfall in Geesthacht?
Noch "kämpferischer" und m. E. verschwörungstheoretischer - die "Junge Welt": Mininukes und Leukämie
Um es noch einmal zu betonen: ich habe auch keine Antwort auf die Frage, wieso sich die Fälle kindlicher Leukämie in der Elbmarsch häufen. Dass es einen vertuschten schweren Unfall im AKW Krümmel gegeben hat, halte ich für so gut wie ausgeschlossen - dazu waren die Untersuchungen zu gewissenhaft. Einen Unfall bei der GKSS - etwa bei der Untersuchung von Brennelementen aus dem Hochtemperaturreaktor Hamm-Uetrop - hingegen kann ich nicht ausschließen. Ich sehe aber keinen, aber auch wirklich keinen Grund, anzunehmen, dass bei der GKSS im nennenswerten Umfang Kernwaffenforschung betrieben wurde.
In den folgenden Tagen werde ich mich kritisch mit der Mini-Nuke-Theorie auseinandersetzen. Dabei stütze ich mich auf die auf den ersten Blick "solide" wirkende Gesamtdarstellung bei anti atom aktuell: Grauzone.
2. Teil
Eine - mit Abstrichen - gute Dokumentation über den "Leukämiecluster" in der Elbmarsch und einen möglichen vertuschten nuklearen Unfall im nahen GKSS-Forschungszentrum (und nicht etwa im AKW Krümmel, wie die FR fälschlicherweise meint).
Zwei der Abstriche gleich vorweg: die GKSS betreibt zwar einen kleinen Reaktor für Materialuntersuchungen, ist aber mitnichten ein "Kernforschungszentrum", wie im Bericht beschrieben - und sie war auch vor 20 Jahren kein "Kernforschungszentrum" mehr. Wikipedia: GKSS Forschungszentrum. Offizielle Website: GKSS Forschungszentrum. Artikel im Anti-Atom-Lexikon: GKSS
Während meines Studiums in den 80er Jahren arbeitete ich zeitweilig als Praktikant und studentische Hilfskraft am GKSS. Ich wage nicht zu behaupten, dass ich das GKSS wirklich kennen würde, allerdings denke ich, dass ich einige Vermutungen aus eigenem Erleben falsifizieren kann. Z. B. wurde in der Dokumentation ein Krater zwischen dem Gelände der GKSS und dem KKK (Kernkraftwerk Krümmel) gezeigt, mit "auffallend jungem Baumwuchs", Das wurde als Indiz für eine Explosion oder einen Brand, den Augenzeugen dort beobachtet haben wollen, gewertet. Aus eigener Anschauung kann ich mit Sicherheit sagen: der besagte tiefe Krater war schon vor 1986 dort. Er stammt nämlich aus dem Jahr 1944 oder 1945, als die dort befindlichen Bunker der Sprengstofffabrik Krümmel von den Briten zunächst mit überschweren Bomben "geknackt" und nach der deutschen Kapitulation entgültig durch Sprengung zerstört wurden. Der Baumbestand ist zwar jung, aber die Bäume waren, wenn auch kleiner, schon in den 80er dort. Übrigens wurde damals die wild wuchernde Vegatation teilweise ganz regulär gerodet, im Rahmen der Bauerschließung für mögliche Erweiterungsbauten (die zum Teil sogar tatsächlich gebaut wurden). Diese "Veränderungen" dann mittels Satellitenbild als "Beweis" für einen vertuschten Großunfall darzustellen erinnert mich leider ein wenig an "BILD"-Journalismus.
Von den beiden Augenzeugen, die ein ganz merkwürdiges Feuer, das wegen seiner merkwürdigen Farben wohl kein Feuer war, bei der GKSS gesehen haben wollen, halte ich auch wenig. Beinahe jede Woche meldete sich in den 80ern irgend jemand, der irgend etwas "Komisches" bei der GKSS oder dem AKW Krümmel gesehen haben wollte. Keine Nebelschwade, kein "mysteriöserweise" gefällter Baum, kein "komischer" LKW und kein neues Warnlicht entging damals den argwöhnischen Blicken. Ich habe selbst "live" miterlebt, auf welch lächerliche Weise ein durch die Lokalpresse gehender "Strahlenskandal" zustande kam. Aber lassen wir solche Anekdoten beiseite, denn zum "Anti-Atom-Aktivisten-Bashing" besteht wirklich kein Grund.
Zu den Hintergründen: In der Elbmarsch östlich von Hamburg und nördlich von Lüneburg sind seit etwa 1990 auffällig viele Kinder an Leukämie erkrankt - bis heute 17 Fälle, bisher sechs endete tötlich. Kindliche Leukämie ist normalerweise eine extrem seltene Erkrankung. Um diese Vorfälle zu klären, hatte die damalige rot-grüne Landesregierung in Kiel seit Ende der 1990er Jahre eine Komission aus namhaften Fachleuten eingesetzt und mehrere aufwändige Gutachten in Auftrag gegeben. Im Mittelpunkt stand dabei ein möglicher Zusammenhang mit dem nahen Atomkraftwerk Krümmel und dem benachbarten GKSS-Forschungszentrum.
Einen Zusammenhang zwischen den Leukämie-Erkrankungen und dem AKW Krümmel oder dem GKSS konnte keine der Studien finden, auch nicht die des als atomkritisch bekannten Darmstädter Öko-Institutes. Dennoch:alle gängigen Erklärungen für die Leukämien (Benzol, Pestizide usw.) können ebenfalls ausgeschlossen werden. Das führte zu der beunruhigenden Annahme, dass es einen vertuschten schweren nuklearen Unfall gegeben habe muß. Tatsächlich gibt es Indizien, die auf einen Unfall bei der GKSS hinweisen könnte, z. B. deutlich erhöhte Meßwerte für Radioaktivität in der Luft bei der Meßstelle des benachbarten AKWs Krümmel.
Eine sehr gute Darstellung der Problematik gab eine Sendung des Deutschlandfunks vom 14.08.2005, deren Manuskript auch online gestellt wurde: Die Leukämiekinder von Krümmel
Die Möglichkeit, dass am 12. September 1986 einen Unfall gegeben haben könnte, bei dem erhebliche Mengen radioaktiven Matrials freigesetzt wurden, ist nicht von der Hand zu weisen. Leider wird in Teilen der "atomkritischen Öffentlichkeit" (ansatzweise auch im ZDF-Beitrag) aus einem möglichen Atommüllunfall aus Leichtsinn / Schlamperei (mit deutlichen Parallelen zu Vorfällen in der experimentelle WAA Hanau) eine ziemlich gewagte ganz große Verschwörungstheorie:
1986 hätte es einen vertuschten Unfall bei im GKSS-Forschungszentrum gegeben hat - und zwar nicht im kleinen Forschungsreaktor der GKSS oder in der auf dem GKSS-Gelände liegenden Sammelstelle für radioaktive Abfälle, sondern bei illegalen Forschungen an sog. Mini-Nukes.
Den Atomwaffensperrvertrag eindeutig brechende ultra geheime Atomwaffenforschung bei einem auf große Offenheit bedachten Forschungszentrum, das sich in erster Linie mit Materialforschung, Umweltforschung, Meerestechnik u. Ä. beschäftigt - das entbehrt nicht einer gewissen Kühnheit. Auch wenn es einen kleinen Reaktor betreibt (1986 waren es noch zwei), es dort ein Sammellager für radioaktive Abfälle gibt und die GKSS früher mal den Atomfrachter "Otto Hahn" betrieben hatte.
2004 hatte eine Forschergruppe namens Arge PhAM bei Stichproben rund um Krümmel nach eigenen Angaben sog. PAC im Boden gefunden. In den Mikrokügelchen, erklärt Arge PhAM, fänden sich Radionuklide wie Plutonium, Americium oder Curium, aber auch leichte Elemente wie Lithium oder Bor. PAC sind winzige Kügelchen aus Uran- und Thorium-Oxiden. Solche Kügelchen wurden u.a. zur Verwendung im Hochtemperaturreaktor THTR Hamm-Uentrop entwickelt. PAC spielt auch bei der Entwicklung sog. Mini-Nukes eine Rolle. Allerdings: ob das, was die PhAM gefunden hat wirklich PAC sind, ist durchaus zweifelhaft. (Auch nach den Mikroskopaufnahmen im ZDF). Mischoxide aus angereichertem Uran und Thorium wären typisch für Hochtemperaturreaktoren. Die Arge PhAM sah jedenfalls in den Funden einen Hinweis auf illegale Atomwaffenentwicklung bei der GKSS.
Am 31. März hielt die Gesellschaft für Strahlenschutz (GfS), die Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch und die Organisation Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) eine Pressekonferenz ab, in der sie ihre Untersuchungsergebnisse vorstellte. Sowohl Folgen des Tschernobyl-Unglücks als auch natürliche Strahlenquellen oder Atomwaffentests kämen als Ursachen nicht in Frage, sagte Prof. Inge Schmitz-Feuerhake von der Gesellschaft für Strahlenforschung. In den neuen Bodenproben hätten sich "Kügelchen" (die oben genannten PAC) mit angereichertem Uran und große Mengen verschiedener Thoriumisotope in nicht natürlicher Zusammensetzung befunden. Die erhöhte Thoriumkonzentration könne die Erkrankungen verursacht haben. Etwas rätselhaft ist ihre Aussage: "Wir vermuten, dass ein Brennstoff getestet wurde, der die Spaltung und die Fusion in sich vereinen sollte".
Brennstoffe für die Kernspaltung sind die spaltbaren Isotope extrem schwere Elemente, wie Uran, Plutonium, Thorium oder Americium. Für die Kernfusion kommen nur sehr leichte Elemente, wie die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium oder das Helium-Isotop Helium 3 infrage. Lithium, wie es dem Vernehmen nach den Partikeln gefunden wurde, ist ein Material, aus dem Tritium "erbrütet" werden kann. Bor, wie es auch in den "Kügelchen" vorkommen soll, ist hingegen ein "Neutronengift", das eine nukleare Kettenreaktion - egal, ob Fusion oder Spaltung - praktisch ausschließen würde. Bor ist deshalb ein typischer Bestandteil von Kontrollstäben für Kernreaktoren. In einem Brennelement macht es wenig Sinn. Aber in "zusammengeschmolzenem Atommüll" könnte man Bor durchaus finden.
Vermutlich meint Prof. Feuerhake, dass die PAC Teil eines experimentellen Reaktors gewesen seien, in dem sowohl Spaltungs- wie Fusionsprozesse ablaufen. Ein Beispiel wäre die Wasserstoffbombe: eine Kernspaltungreaktion, nämlich eine explodierende Plutonium-Bombe, dient als "Zünder" für die erheblich stärkere Fusionsreaktion. Sie sagte eindeutig: "Es ging um geheime kerntechnische Experimente" (und nicht "nur" um einen Unfall mit Atommüll). Womit sie der seit Jahren grassierenden Atomwaffen-Verschwörungstheorie recht nahe kommt.
Eindeutig auch die Aussagen des Landtagsabgeordneten Uwe Harden (SPD): "Es wurde ein Atomunfall mit weitreichender Kontamination vertuscht".
Einige Pressestimmen:
taz: Hinweis auf Leukämie durch Atomunfall
Saar Echo: Boden um Geesthacht hochradioaktiv verseucht (Was im übrigen nicht der Fall ist! In diesem Zusamenhang suggerierte übrigens der ZDF-Bericht - vielleicht aus Unkenntnis - schlimmere Zustände, als sie - schlimm genug! - wohl wirklich sind.)
Ein ausgesprochen "kämpferischer" Artikel im "Neuen Deutschland":
Gab es 1986 einen Atomunfall in Geesthacht?
Noch "kämpferischer" und m. E. verschwörungstheoretischer - die "Junge Welt": Mininukes und Leukämie
Um es noch einmal zu betonen: ich habe auch keine Antwort auf die Frage, wieso sich die Fälle kindlicher Leukämie in der Elbmarsch häufen. Dass es einen vertuschten schweren Unfall im AKW Krümmel gegeben hat, halte ich für so gut wie ausgeschlossen - dazu waren die Untersuchungen zu gewissenhaft. Einen Unfall bei der GKSS - etwa bei der Untersuchung von Brennelementen aus dem Hochtemperaturreaktor Hamm-Uetrop - hingegen kann ich nicht ausschließen. Ich sehe aber keinen, aber auch wirklich keinen Grund, anzunehmen, dass bei der GKSS im nennenswerten Umfang Kernwaffenforschung betrieben wurde.
In den folgenden Tagen werde ich mich kritisch mit der Mini-Nuke-Theorie auseinandersetzen. Dabei stütze ich mich auf die auf den ersten Blick "solide" wirkende Gesamtdarstellung bei anti atom aktuell: Grauzone.
2. Teil
MMarheinecke - Montag, 3. April 2006
Cluster können Zufallsprodukte sein
Von daher verstehe ich z. B. die Schleswig-Hosteiner Landesregierung (damals noch Rot-Grün), dass sie die Akten geschlossen hat.
Interessant sind allerdings die "Kügelchen", die eindeutig künstliche Isotope enthalten und die nach Analyse von Heinz-Werner Gabriel von der ArgePham den in Hanau gefundenen gleichen. Wobei es in Haunau keine Leukämiehäufung gibt.
Was mich nicht erstaunt, denn z. B. in Hiroshima und Nagasaki gab es ebensowenig Leukämiehäufungen wie in der Nähe von Tschernobyl. Auch bei Uran-Arbeitern (Alpha-Strahler - wie die erwähnten "Kügelchen"!) gibt es zwar extrem viele Fälle von Lungenkrebs, aber kaum Leukämien.
Ein recht eindeutiger Hinweis auf Krebs durch radioaktive Partikel wären (kindlicher) Lungenkrebs, evt. auch aufällig häufiger Leber-, Darm- und Knochenkrebs. Wäre ein Ansatzpunkt für Recherchen, die allerdings die Möglichkeiten eines schlichten "Senfbloggers" überschreiten.