Vor 20 Jahren: Space Shuttle CHALLENGER explodiert

Heute vor 20 Jahren, am 28. Januar 1986, explodierte 73 Sekunden nach dem Start die CHALLENGER, OV-099, (Mission STS-51-l). Sieben Astronauten - Richard Scobee, Michael Smith, Judith Resnik, Ellison Onizuka, Ronald McNair, Gregory Jarvis und Christa McAuliffe - kamen ums Leben.

Die Unfallursache waren poröse Dichtungen am rechten Feststoffbooster. Die NASA war offensichtlich von ihrem Grundsatz "safety first" abgewichen, denn man hatte eine Reihe von Sicherheitsvorschriften missachtet. Eigentlich hätte die CHALLENGER an diesem Januartag gar nicht starten dürfen, denn am Morgen hatte Frost in Cape Canaveral geherrscht. Aufgrund der Kälte versprödeten die Dichtungen. Durch die plötzlich durch die Triebwerkszündung einsetzende Erwärmung wurde eine der Dichtungen undicht. Durch das Leck schlugen Flammen auf den Haupttank über, der mit flüssigem Sauerstoff und Wasserstoff gefüllt war. Der Tank fing Feuer und explodierte, Trümmer des Space Shuttles verteilten sich weit über die Bucht. NASA-Taucher sammeln noch monatelang Teile der CHALLENGER aus dem Wasser. Erst im März 1986 konnte auch das Cockpit mit den sterblichen Überresten der Insassen geborgen werden.

Weitere Informationen über die CHALLENGER -> Challenger (OV-099)- Neun erfolgreiche Flüge und ein Totalverlust.

Der CHALLENGER-Unfall war weder die erste noch die größte Katastrophe in der Geschichte der Raumfahrt -> wikipedia: Katastrophen der Raumfahrt.
Dennoch zog sie eine öffentliche Diskussion nach sich, die ungleich tiefgreifender und erbitterter war, als beispielsweise nach dem Absturz des Space Shuttles COLUMBIA am 1. Februar 2003, als ebenfalls sieben Astronauten umkamen. ->Trauer um die Columbia Zwar gab es auch 2003 eine Grundsatzdiskussion zur Raumfahrtpolitik, aber im Gegensatz zu 1986 zog jedoch kaum jemand den Sinn bemannter Raumflüge ernsthaft in Zweifel, geschweige denn den Sinn der Raumfahrt an sich.

Wieso gab es nach dem CHALLENGER-Unglück derartige heftigen, zum Teil hysterische, Debatten?
Einer der Gründe war sicherlich, dass der Space Shuttle in der ersten Hälfte der 1980er Jahre schlechthin DAS „High Tech“-Symbol war. An die Raumtransporter knüpften sich viele, aus heutiger Sicht naive, Hoffnungen auf eine „Industrialisierung des Weltraums“. Auch in der Bundesrepublik Deutschland knüpften sich mancherlei Hoffnungen an das Space-Shuttle-Programm, und das in der BRD gebaute Raumlabor Spacelab. Nicht zuletzt schlug die damalige Bundesregierung politisches Kapital aus den Raumfahrerfolgen, zu denen die erste von Deutschland aus geleiteten Space-Shuttle / Spacelab Mission 1985 gehörte. (Allerdings erreichte die offizielle Raumfahrtbegeisterung in der BRD niemals auch nur annähernd das Niveau der Siggi Jähn Hysterie in der DDR nach dem ersten Raumflug eines deutschen Kosmonauten.)
Der CHALLENGER-Absturz war ein Absturz auf trügerischen technischen Erwartungen und wirkte deshalb wie ein lähmender Schock.

Es gab aber auch speziell in (West-)Deutschland noch weitere Gründe, weshalb auf „CHALLENGER“ erbitterte Grundsatzdiskussionen folgten.
Die Friedensbewegung war 1986 noch eine Massenbewegung, zu den Ostermärschen 1986 kamen buchstäblich hunderttausende Demonstranten. Die lange öffentliche Auseinandersetzung über den NATO-„Nachrüstungs“-Beschluss war noch nicht abgeschlossen, die Stationierung einer neuen Generation atomwaffenfähiger Mittelstreckenraketen und ebenfalls atomwaffenfähiger Marschflugkörper auf deutschen Boden war voll im Gange. Zugleich lief das von US-Präsidenten Ronald Reagan angeregte , milliardenschwere (und wenig später „gefloppte“) Programm einer weltraum-gestützten Raketenabwehr (SDI) an.
In der Folge dachte nicht wenige „Friedensbewegte“ beim Stichwort „Raumfahrt“ ausschließlich an „militärische Raumfahrt“, wobei sie in erster Linie nicht an Spionage- und Kommunikationssatelliten, sondern an Strahlenwaffen und im Orbit stationierte Atombomben dachten. Ich erinnere mich lebhaft an eine Diskussion, die ich am Rande einer der zahlreichen Friedens-Demos dieser Zeit an einem Info-Stand führte. Sie begann damit, dass die den Stand betreuende Frau sich ausgesprochen erfreut über das CHALLENGER-Unglück zeigte, weil damit die Weltraum-Kriegspläne der Amis wenigstens etwas verzögert würden. Meinen Einwand, er gäbe doch auch eine zivile Raumfahrt, wischte sie als „hoffnungslos naiv“ vom Tisch: das sein alles Augenwischerei und Propaganda, so etwas wie nichtkriegerische Raumfahrt gäbe es nicht, selbst die von mir vorsichtig erwähnten Wettersatelliten dienten fast ausschließlich der Kriegvorbereitung, dafür hätte sie Beweise.

Etwa zeitgleich gab es in der Umweltschutz-Bewegung und vor allem innerhalb der Partei der GRÜNEN eine Debatte um „Risikotechnologie“: ab einem bestimmten Grad an Kompexität und Kompliziertheit sei jede Technologie praktisch unbeherrschbar. CHALLENGER bot sich als „Paradebeispiel“ geradezu an.

Nur drei Monate später „überstrahlte“ allerdings der Reaktorunfall von Tschernobyl buchstäblich die Explosion der Raumfähre.

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