Windenergie braucht nicht mehr Fläche als Braunkohle

Ein häufiger Einwand gegen den Einsatz von Windkraftwerken ist der enorme Flächenbedarf. So sehr ich für regenerative Energiequellen bin, so sehr graust es mir bei dem Gedanken an völlig mit Windrädern "verspargelte" Landschaften - dass, um überhaupt einen nennenswerten Anteil an der Elektrizitätsversorgung zu erreichen, alle Gegendenmit guten Windverhältnissen verstellt werden müssten.

Tatsächlich sieht es so aus, als ob mit Windenergie betriebene E-Werke für dieselbe Leistung nicht mehr Fläche als Braunkohlekraftwerke brauchen würden: Energieertrag pro Hektar. Demnach beträgt der durchschnittliche Energieertrag pro Hektar Fläche, wenn 6 MW-Anlagen eingesetzt werden, 1 Mio kWh - was genau dem Flächenbedarf beim Einsatz von Braunkohle entspricht.
Nun soll nicht verschwiegen werden, dass die diese Informationen von der Website der ENERTRAG - AG, also einem Betreiber von Windkraftanlagen, stammen. Auch hat Braunkohle von allen fossilen Energieträgern den mit Abstand größten Flächenverbrauch - man muss sich nur mal einen Braunkohle-Tagebau ansehen, dann weiß man, wieso.
Immerhin lässt sich sagen, dass der Wirkungsgrad moderner Windkraftwerke so gut ist, dass eine "Totalverspargelung" der Landschaft nicht notwendig ist. Außerdem erscheint der Bau von Offshore-Anlagen sinnvoll, schon weil der Wind auf See konstanter und stärker als auf dem Lande ist.
Es geht auch etwas anderes aus dem Vergleich hervor: ein Hektar normaler Solarstrom-Dachanlagen (mit monokristallinen Zellen) kommt ebenfalls auf durchschnittlich 1 Mio kWh Ertrag.
Ein geeigneter Standort sowohl für Wind- wie Solarkraftwerke, bei dem keine neuen Fläche verstellt werden würden, wären Autobahnen, die sich zu "Energiealleen" ausbauen ließen: Eurosolar schlägt Ausbau der A7 zur Energiealle vor

Es gibt allerdings ein Problem beim Einsatz dezentraler Energieanlage: das heutige Hochspannungs-Leitungsnetz ist auf Großkraftwerke ausgelegt. Daran, dass großen Netzbetreiber an einem Umbau interessiert sind, darf durchaus gezweifelt werden.
Das zweite, noch schwieriger zu lösende Problem ist das der Energiespeicherung, ohne die eine wirklich umfassender Umstellung auf erneuerbare Energieträger kaum möglich sein wird. Bei dezentrale Kleinanlagen können Kondensatoren, Schwungradspeicher oder vor allem Akkumulatoren eingesetzt werden. Die Idee, mit Wind- oder Solarstrom die Batterien von Elektroautos zu laden, hat dabei einen besonderen Charme.
Wenn es darum geht, große Energiemengen für einige Stunden zu speichern, können Pumpspeicheranlagen oder Druckluftspeicher verwendet werden.
Für die Langzeitspeicherung großer Energiemengen zu geringen Kosten bringt ENERTRAG Methan und Wasserstoff, als mittels Elektrolyse mit Wind- und Sonnenstrom synthetisch hergestelltem "Zwischenträger", in die Diskussion. Methan und Wasserstoff können in Kavernen gespeichert werden, wie sie heute schon als Erdgasspeicher verwendet werden. Das Erdgasnetz mit seinen Speicherkavernen ist nach der Darstellung von ENERTRAG der ideale Stromspeicher. Es verfüge heute bereits über eine Speicherfähigkeit von 60% des jährlichen Stromverbrauches.

Was man sich bei all dem vor Augen halten sollte: alle dafür notwendigen Techniken sind längst erfunden und erprobt.
Aurisa - 9. Okt, 20:10

Ich bin ja auch sehr für den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Leider gibt es da mindestens noch zwei andere ganz große Probleme...

Erstens sind auch die Rohstoffe, die dafür benötigt werden, vor allem die sogenannten "seltenen Erden" knapp...

Daß auch nur wir in den Industrieländern, geschweige denn die ganze Welt mit deren Hilfe einfach so weiterleben können dürfte wohl ausgeschlossen sein.

Eine Milliarde Elektroautos als Ersatz für die derzeitigen Benzin/Diesel-PkW der Welt wird es nicht geben... geschweige denn von vier oder fünf Milliarden... wenn die ganze Welt bei wachsender Bevölkerung so mobil sein wöllte wie wir in Deutschland...

Und das vielleicht noch größere Problem...
Die Umstellung auf erneuerbare Energien würde sehr lange dauern... viele Jahrzehnte... eher 100 oder 200 Jahre als 10 oder 20...

Und dafür bräuchte es neben Rohstoffen und dem politischen Willen auch ein intaktes Finanzsytem zur Finanzierung... und billige Energie, sprich billiges Öl... für die Herstellung all dieser schönen neuen Solarzellen, Windkraftanlagen, E-Mobile usw...

Außer den knapp werdenden Rohstoffen und dem fehlenden politischen Willen fehlt uns aber auch noch ein Finanzystem, das wirklich funktioniert und nicht nur sinnlos virtuelles Geld erzeugt, umverteilt und dann irgendwann mit einem großen Crash vernichtet... sondern vor allem wird auch Öl bald knapp... und damit teuer... ebenso Gas, Uran und sogar Kohle...

Wenn Energie teuer wird, wird aber auch die Herstellung von Solarzellen usw. zur Erzeugung alternativer Energien teu(r)er...

Und wenn das Öl alle ist... dann bricht sowieso unser ganzes Wirtschaftssystem zusammen... und dann gibt es auch keine Möglichkeit mehr die Energieerzeugung noch auf alternative Energien umzustellen.

Und leider wird das Öl garantiert keine hundert oder zweihundert Jahre mehr reichen, bis wir mit den alternativen Energien vielleicht mal irgendwann zu potte kommen...

Ich fürchte auch die alternativen Energien werden uns darum nicht retten können... zumindest unseren heutigen verschwenderischen Lebensstil nicht...

MMarheinecke - 10. Okt, 11:55

Es gibt immer eine Alternative

Auf der rein wissenschaftlich-technischen und der organisatorischen Ebene halte ich die von Dir angesprochenen Probleme für lösbar.
Kritische Rohstoffe.
Die erwähnten Metalle der "Seltenen Erden" sind, anders als der historisch erklärbare Name suggeriert, nicht unbedingt selten. Einige (Cer, Yttrium und Neodym) kommen häufiger vor als Blei, Molybdän oder Arsen. Thulium, das seltenste Element der "Seltenen Erden" ist immer noch häufiger vorhanden als Gold oder Platin! Als Legierungsbestandteile, Katalysatoren oder Bestandteile von Leuchtstoffen werden sie typischerweise in eher kleinen Menge gebraucht.
Selbstverständlich darf man das Rohstoffproblem auch bei den "regenerativen Energieträgern" nicht aus den Augen verlieren. Aber es ist für die "Regenerativen" bei weitem nicht so kritisch, wie für die "Fossilien" oder die "Kernigen".

Dann enthält Deine Argumentation einen Denkfehler - es gibt nämlich nicht nur einen Weg ein Problem zu lösen: "Mobilität" bedeutet ja nicht automatisch "autofahren". In Ballungsräumen - in denen schon heute der größte Teil der Weltbevölkerung lebt - ermöglichen öffentliche Verkehrsmittel und Fahrräder (!) eine effektivere Mobilität als Autos, mit denen man erschreckend viel Zeit im Stau steht oder auf Parkplatzsuche ist. Für die Fälle, in der man in der Stadt doch ein Auto braucht, wäre schon die jetzige Generation der Elektroautos völlig ausreichend - bei denen hapert es nämlich vor allem bei der Reichweite.
Wenn es nur darum ginge, schnell und bequem von A nach B zu kommen, kämen wir in Deutschland m. E. locker mit einem Zehntel der Autoflotte aus - und davon könnten über 4/5 Kleinwagen sein. Klar, das ist eine Veränderung des Lebensstil, weg von der Verschwendung. Aber eine Veränderung ohne Verlust an Lebensqualität. (Gut, die Autoindustrie wird nicht begeistert sein ...)

Dann - Gedankenexperiment - mit einem großen "Plopp" sind alle, aber wirklich alle, fossilen Energieträger weg. (Was für die CO2-Bilanz übrigens großartig wäre.) Das größte Problem wäre, dass die Kunstdüngerproduktion - etwa 1,4 % des Weltenergieverbrauchs auf das Haber-Bosch-Verfahren - erst einmal einen erheblichen Einbruch erleben würde - Hungersnöte wären die Folge. (Ganz ausfallen würde sie nicht - schließlich werden z. B. in Deutschland bereits 7,1 % des gesamten Energiebedarfs (berechnet nach dem Wirkungsgradprinzip) regenerativ gedeckt. In einem Notfallprogramm könnte zumindest die Nahrungsmittelproduktion und Verteilung gesichert werden. Wobei das größte praktische Problem nicht Haber-Bosch wäre, sondern der Antrieb der Traktoren.)
Die Rohstoffversorgung der chemischen Industrie müsste auch auf regenerative Quellen umgestellt werden. Was sogar im Falle der Kunststoffproduktion möglich wäre (allerdings unter der Maßgabe, dass z. B. Polyethylen nur noch für Kabelisolierungen, nicht aber für Verpackungen verwendet wird). Der Bau einer Windkraftanlage oder eines solarthermischen Kraftwerks ist mit geringem Primärenergieeinsatz möglich - bei photovoltaischen Anlagen muss erst mal ziemlich viel Energie aufgewendet werden, aber auch da ist der Entefaktor hoch genug, dass eine solarenergiebetriebene Solarzellenfabrik (ein "Sonnenbrüter" sozusagen) nicht nur machbar, sondern u.U. sogar ökonomisch sinnvoll wäre.
Wohlgemerkt: Selbst in den allerschlimmsten Szenarien ist sind nicht alle fossilen Energieträger mit einem Schlag alle. Sie werden mittelfristig immer teurer werden, langfristig zu teuer, um verfeuert zu werden - zugunsten der "Erneuerbaren".

Aber in einem Punkt teile ich Deinen Pessimismus: Der Grund, wieso überhaupt noch ein Mensch auf dieser Erde hungert, liegt in der Ökonomie, nicht etwa in der Agrarproduktion.
Die Faktoren, die einem rasanten Umstieg auf "regenerative Energien" behindern - mit denen ohne Weiteres ein Mehrfaches des derzeitigen Energiebedarf der Menschheit gedeckt werden könnte - sind die relativ hohe Investitionskosten - und auch beim notwendigen Technologietransfer gibt es noch Probleme.

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