Bücherverbrennung 2.0 - wie DRM in der Praxis wirkt

Vorweg: ich bin kein Feind des technischen Fortschritts, und ich habe im Prinzip auch nichts gegen elektronische Bücher, eBooks.

Allerdings traute ich von Anfang an dem eBook-Lesegerät "Kindle" und dem Buchhändler Amazon nicht über den Weg. Weil beim Kindle "dank" DRM (Digital Rights Management) Privatkopien des eBooks nicht möglich ist. Ein Modell, das auch weiten Teilen der Musikindustrie vorschwebte, als Musikdatenträger mit DRM eingeführt wurden. Zum Glück hat das dort bisher nicht so recht funktioniert.
Der Kindle-Nutzer kann sich also bei Amazon Texte beschaffen - nicht etwa kaufen, so wie man ein herkömmliches Buch kauft, das man auch verschenken oder sogar gebraucht verkaufen kann. Im Geschäftsmodell von Amazon erwirbt man nur das Recht, einen Text zu lesen. Ein Recht, das einem jederzeit ohne Warnung wieder entzogen werden kann.

Genau das ist jetzt passiert: Aufgrund von Rechtsunsicherheiten hat Amazon Texte von George Orwell von den Kindles seiner Kunden entfernen lassen. Einfach so: "We recently discovered a problem with a Kindle book that you have purchased". Dass es sich dabei ausgerechnet um Orwells Dystopien "Animal Farm" und "1984" handelt, ist dabei weniger bittere Ironie als ein sinnvoller Zufall.

Man sollte auch nicht vergessen: die Amazon-Kindle-Löschaffäre ist nur die Spitze des DRM-Eisbergs. Zwar ist es um DRM als vermeintliche Wunderwaffe gegen "Raubkopierer" still geworden, aber das ist wahrscheinlich nur den technischen Unzulänglichkeiten des bisherigen Ansatzes geschuldet. Das Modell "Kindle" könnte auch bei Videos und im Audio-Bereich Schule machen: Spezialgeräte mit straffem DRM statt Universalgeräten. Und - natürlich möchte man sagen - dürften die Freunde der gut gemeinten Bevormundung über solche Möglichkeiten begeistert sein.

Amazon löscht gekaufte Kindle-eBooks

Some E-Books are more equal than others"

Geistreiche Überlegungen zum Fall bei den Stützen der Gesellschaft.
Köppnick - 19. Jul, 22:23

Bereits vor ein paar Jahren habe ich mit Freunden über den notwendigen Paradigmenwechsel für all diejenigen gesprochen, die im erweiterten Sinn mit Informationen handeln: Filme, Musik, Bilder, Texte. Vor dem digitalen Zeitalter war die Benutzung der Informationen an den Besitz eines Trägers gebunden. Im digitalen Zeitalter ist der Besitz des Trägers weitgehend bedeutungslos geworden. Es gibt keinen qualitativen Unterschied, wenn man ein Lied von einer 20-Euro-CD oder von einem selbst gebrannten 1-Euro-Rohling hört. Aber es macht einen Unterschied im Konsum, ob jemand ein Lied einmal oder hundertmal hört. Was zuerst die Musikindustrie erwischt hat und dann den Film (technischer Fortschritt: CD -> DVD), betrifft nun den Buchhandel.

Man muss die Bezahlung an den Konsum der Informationen und nicht an den Besitz der Träger koppeln. Vor ein paar Jahren war das noch visionär (oder illusionär, je nach Standpunkt), heute ist es technisch aufwändig, in ein paar Jahren wird es Standard sein: das Evernet. Warum soll man etwas kaufen und sich damit die Wohnung (oder die Festplatte) zumüllen, wenn man nur am Konsum der Informationen interessiert ist?

Man braucht tatsächlich ein Rechte-Management, aber ein vollkommen anderes, in etwa ein solches, natürlich automatisch und mit Micropayment, wie es heute mit den GEMA-Gebühren passiert. Man hat immer und überall Zugang zu jeglichen Informationen, nur dass halt bei jedem Zugriff Microcents fließen und gar nichts auf einem eigenen Datenträger gespeichert werden kann.

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