Was ist Ehre? Ist das Ehre?

Die Ehre ist, objektiv, die Meinung anderer von unserem Wert und subjektiv, unsere Furcht vor dieser Meinung.
Arthur Schopenhauer

Es gibt Bluttaten, bei denen ich mich innerlich weigere, zur "Tagesordnung" überzugehen. (Bei anderen Verbrechen widert es mich eher an, dass sie bis zum letzten Detail ausgewalzt und bis ins Intimste ausdiskutiert werden.)

Das Opfer, das ich hier wie die Presse Morsal O. nenne, obwohl ich ihren Familiennamen kenne, war eine 16-jährige Hamburger Schülerin, eine Deutsche afghanischer Herkunft. Sie war in Hamburg beinahe so etwas wie eine "kleine Berühmtheit", jedenfalls bei Menschen, die sich für das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen interessieren. Vor eineinhalb Jahren erhielt Morsal O. einen Preis der Alfred-Toepfer-Stiftung für ein Projekt, das respektvolles und freundliches Miteinander an ihrer Schule fördern sollte.

Der Tatort war ein Parkplatz am Lübeckertordamm im Stadtteil St. Georg, gleich beim Campus der Hochschule für angewandte Wissenschaften und ganz in der Nähe vom Allgemeinen Krankenhaus St. Georg, an einer viel befahrenen Straße und bei einer U-Bahn Station. Ich erwähne das auch, damit nicht wieder die Klischees vom "Ghetto" und vom "verschwiegenen Hinterhof" zuschlagen. Aber in erster Linie deshalb, weil der Täter offensichtlich zu seiner Tat stand - alle sollten es sehen.

Die Täter war ihr eigener Bruder. Ahmad O. (23) rief am Donnerstagabend seine Schwester an und bestellte sie zum Parkplatz. Der 23-Jährige kam in Begleitung eines Freundes. Als Morsal O. auf dem Parkplatz erschien, zog er sofort sein Messer.
Die Ärzte zählten später mindestens 20 Wunden.

Anwohner und Passanten hörten die verzweifelten Schreie des Mädchens und riefen die Polizei. Als der Notarzt den Tatort erreichte (es kann sich nur um wenige Minuten gehandelt haben, sowohl ein großes Krankenhaus wie die Hauptfeuerwache befinden nur wenige hundert Meter entfernt) waren Ahmad O. und sein Freund bereits geflüchtet. Gut eine Stunde versuchten die Helfer, die 16-Jährige zu reanimieren - vergeblich. Kurz nach dem Mord stellte sich der Begleiter des Täters auf einer Polizeiwache. Er war offenbar nicht in das Vorhaben seines Freundes eingeweiht. Schockiert erzählte er den Beamten, wer der Täter war. Als Ahmad O. festgenommen wurde, leistete er keinen Widerstand und gestand die Tat. Aus dem Motiv machte er keinen Hehl, er gestand seine Schwester getötet zu haben, weil sie sich "von der Familie abgewandt" habe.
Hamburger Abendblatt: Sie wollte Freiheit - und musste dafür sterben

Das Motiv: "Ehrenmord". Was bei "Islamophoben" und selbsternannten Hütern des christlichen Abendlandes erwartungsgemäß die entsprechenden "Beissreflexe" auslöst. Andere verweisen auf die "archaischen Stammesgesetze" des wilden Afghanistans.
Sie vergessen: Verbrechen im Namen der "Ehre" geschehen in nahezu allen Teilen der Welt und in allen soziokulturellen Milieus. Sie sind laut der Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" kein religiöses Phänomen, obwohl sie häufig in islamischen Ländern begangen werden. Auch in vielen anderen Ländern kommen solche Verbrechen vor, etwa in Brasilien, Ecuador oder sogar in Italien. Auf den Koran können sich "Ehrenmörder" nicht berufen, ebenso wenig wie auf die Bibel.
Entgegen einem anderen Klischee hat Ahmad O. wahrscheinlich nicht mit Wissen der Familie gehandelt, sozusagen als "Vollstrecker des Familienwillens".

Der Bluttat ging ein langer Streit mit der Familie voraus. Morsal O. hatte sie auf eigenen Wunsch verlassen. Sie fühlte sich als Deutsche - die sie seit fünf Jahren je auch war.
Sie kam auf die strengen, patriarchalischen Sitten ihrer Familie nicht mehr klar - und ihr großer Bruder kam, so sieht es aus, auf die Emanzipation seiner Schwester von dieser Familientradition nicht klar.
Das Mädchen suchte Hilfe bei mehreren Sozialeinrichtungen. Doch die völlige Abkehr von der Familie, die vor 13 Jahren aus Afghanistan nach Deutschland kam, gelang ihr nicht. Zuletzt lebte sie im offenen Jugendhaus Feuerbergstraße.

Offenbar sah ihr Bruder Ahmad O. deshalb die Ehre der Familie verletzt. Noch vor Kurzem hatte das Mädchen ihn angezeigt, weil er es zusammengeschlagen hatte. Bei der Verhandlung verweigerte sie allerdings die Aussage. Der gewalttätige Bruder konnte deshalb nicht zu einer Haftstrafe verurteilt werden.
Es war nicht das erste Mal, dass gegen ihn ermittelt wurde. Ahmad O. ist als "Intensivtäter" polizeibekannt, mehrmals ermittelte die Kripo wegen Körperverletzung gegen ihn, auch Urteile gab es.

Was ist Ehre? Einfach gesagt: die Konsequenz aus dem Zusammengehörigkeitsgefühl. ("Alle für einen, einer für alle!")
Wird seine Gemeinschaft (Familie, Fanclub, militärische Einheit, Heimatdorf, Religionsgemeinschaft usw. usw.) missachtet, wird der Einzelne getroffen, durch Missachtung des Einzelnen wird seine Gemeinschaft getroffen. (Wenn ich hier die männliche Sprachform benutze, dann heißt das für mich nicht, dass "Ehre" ein in erster Linie "männliches Prinzip" oder gar ein "patriarchalisches Konstrukt" sei.)
Die "persönliche Ehre" beruht, da stimme ich Schopenhauer zu, auf dem Ansehen des Einzelnen in den Gemeinschaften, denen er angehört, und der Gesellschaft, in der er sich bewegt. Sie überschneidet sich mit dem "guten Ruf".

Der "Verlust der Ehre", der "Gesichtsverlust", ist der Verlust von Ansehen innerhalb der Gemeinschaft oder der Gesellschaft.

Es heißt manchmal, dass "verletzte Ehre" in Kulturkreisen, in denen das Ansehen eines familiären, ethnischen oder religiösen Kollektivs über den Wert des Einzelnen gestellt würde, unter offener Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien auf gewaltsame Weise "wiederhergestellt" würde - als Rache, Selbstjustiz oder Ehrenmord. Der Begriff etwa der "Familenehre" stünde dem staatlichen Gewaltmonopol entgegen. Daraus könnte man schließen, dass ein ausgeprägter "Ehrenbegriff" unweigerlich zu zahlreichen, rasch eskalierenden Konflikten führt.

Schon ein Blick in unsere eigene ("abendländische") Kultur zeigt, dass das nicht der Fall ist. Ein intakter "Ehrbegriff" - in Verbindung mit einem Gefühl für persönliche "Würde" - kann sogar Konflikte verhindern. Kommt noch ein intaktes Selbstbewusstsein hinzu, verhindert das Bewusstsein für Ehre und Würde das Gefühl "dauernden Beleidigtseins", das so anfällig für Provokationen macht. Angriffe aus Zorn, Neid oder Unwissenheit werden ignoriert, "tuen wir so, als hätte wir es nicht bemerkt" - oder: "was kümmert es die Eiche, wenn eine Sau sich an ihr kratzt" und bestimmte Menschen ("niederer Gesellschaftsschicht" oder Fremde) gelten den Ehrenregeln ohnehin nicht unterworfen, als "nicht satisfaktionsfähig", wie es früher im Adel hieß. Ist aber das Selbstbewusstsein schwach und der "Ehrbegriff" unklar, dann ist die "Ehre" oft nur noch Vorwand, jede Verletzung, Beleidigung oder Missachtung maximal zu "vergelten".

Die Ehre kann auch dazu beitragen, Konflikte zwischen Personen, Gemeinschaften oder Institutionen ohne Gewaltanwendung auszutragen. Gerade in den Stammeskulturen, auf die viele "Abendländer" so hochnäsig herabblicken, wird bei Streitfällen sorgfältig darauf geachtet, offenen Streit möglichst zu vermeiden oder zu verschleiern, da ein offener Streit einen Ehrverlust des Gegners zur Folge haben könnte.
In Stammeskulturen ist man sich des Eskalationspotenzials von "Ehrenhändel" durchaus bewusst. Ein buchstäblich lebensgefährliche Potenzial birgt die Blutrache, weshalb zu den frühesten und heiligsten Gesetze (geschrieben und ungeschrieben) Vorschriften gehören, die verhindern, dass gegenseitige Rache eskaliert. Das oft missverstandene biblische "Auge um Auge, Zahn um Zahn" ist eine Vorschrift gegen die Eskalation - Entschädigung oder Rache müssen dem Anlass angemessen sein, dass heißt, es darf ein ausgeschlagener Zahn nur mit dem Gegenwert eines Zahnes vergolten werden, nicht etwa mit dem Leben.
Noch älter und in vielen Stammeskulturen noch heute zu finden ist das "Wergeld" (von althochdeutsch "wer" = "Mann"). Es ist eine Entschädigung, die an jene ausgezahlt wird, die sonst die Blutrache an einem Totschläger hätten ausüben müssen, in der Regel an nächsten Verwandten. Diese Regelung auf Schadenersatz kann auch auf andere Vergehen angewandt werden. Besonders das germanische Volksrecht unterschied dabei sorgfältig zwischen "Totschlägern" (ohne Heimtücke - also auch Tötung im Kampf oder im Duell) und "heimtückischen Mördern", die als "feig", also ehrlos, galten.

Weil man sich in Stammeskulturen darüber im Klaren ist, wie leicht Streit in Ehrensachen eskalieren kann, wird darauf geachtet, dass der Konflikt so ausgetragen wird, dass beide Seiten "das Gesicht wahren" können. Eine dieser Möglichkeiten ist das Duell, dass man nicht in jedem Fall als "Überbleibsel aus Zeiten vor dem staatlichen Gewaltmonopol" abtun sollte. Die Sitte, dass bei einem Streit um die Ehre in der Öffentlichkeit die Kontrahenten "vor die Tür" gehen, und die Sache "unter sich" austragen, verdeutlicht das: der Konflikt bleibt auf die Kontrahenten begrenzt, ihre jeweilige Gemeinschaft und deren Ehre ist nicht betroffen, und die Kontrahenten unterwerfen sich Regeln, die eine Eskalation, etwa zum bewaffneten Kampf oder zur Massenschlägerei, ausschließen.

Zurück zum Fall des "Ehrenmordes". Meiner Ansicht nach ging es bei dieser Bluttat weniger um die "Familienehre", als um verletzten Stolz und das Gefühl des "großen Bruders", ihm würden "traditionelle Vorrechte" verweigert werden. Außerdem scheint er zu jenen Menschen zu gehören, die Konflikte gerne mit offener Gewalt austragen - aus Gründen, die wahrscheinlich nicht in der traditionellen afghanischen Familie begründet liegen. Wie ich weiter oben schrieb, ist bei schwachem Selbstbewusstsein und unklarem Ehrbegriff die "Ehre" oft nur noch Vorwand, jede Verletzung, Beleidigung oder Missachtung zu "rächen".
(Wobei ich hier nicht aus "Multikulti"-Romantik der aus Afghanistan stammende Familie einen "Opferstatus" oder gar aus ihre Situation bedingte "Sonderrechte" zubilligen will. Sie muss akzeptieren, dass Selbstjustiz hierzulande nicht als ehrenwert gilt, und dass es zur persönlichen Ehre einer Frau gehört, sich für ihre Rechte einzusetzen.)
Wer die Familienehre dagegen hoch hielt, dass ist das Opfer, Morsal O. . Sie blieb ihrer Familie gegenüber loyal, als sie die Möglichkeit hatte, durch ihre Aussage ihren Bruder hinter Gitter zu bringen. Sie versuchte offensichtlich, einen klaren Schnitt zwischen sich und ihrer Familien und ihren streng patriarchalische "Gesetzen" zu machen - und damit, beabsichtigt oder nicht, ihrer Familie die "Schande" einer rebellischen Tochter zu ersparen.

Update, 19. 05:
Einen Einblick in den Hintergrund des "Ehrenmordes" gibt dieser Artikel, der heute im "Hamburger Abendblatt" erschien: Er nahm sich alle Freiheiten - Sie musste für ihre sterben.
Es sieht so als, als ob die Haltung der Familie entgegen meiner Annahme für die Bluttat entscheidend war - zwar nicht im Sinne einer Mittäterschaft, aber doch in dem Sinne, dass Ahmad O. das Gefühl haben konnte, völlig im Sinne der Familie zu handeln.
Nebenbei sieht es so aus, als ob religöse Motive oder ein "stammesgesellschaftlicher" Begriff von Familienehre keine Rolle spielten, extrem patriarchalisches Denken, sprich massiver Männlichkeitswahn, eine große:
Die Nachbarn von Ahmad O. an der Hammerbrookstraße haben von dessen Leben mehr mitbekommen. Denn er genoss in vollen Zügen die Freiheiten, die er seiner Schwester verbieten wollte. Er trieb sich in Bordellen herum, feierte wild, trank exzessiv. "Seine Fahne konnte ich riechen", sagt eine Nachbarin. Sie wollte sich bei Ahmad O. wegen des ständigen Lärms beschweren. Seine Reaktion: "Halt die Klappe. Mit Frauen rede ich nicht."
Nicht gerade der Lebenswandel eines frommen Moslems ... und auch nicht gerade typisch für einen "Mann von Ehre".
Londo (Gast) - 18. Mai, 11:01

Ein sehr guter Beitrag

Du hast dich sowohl gegen Islamophobie (zumal die Tat mit dem Islam nichts zu tun hat) als auch gegen "Multikulti-Romantik" ausgesprochen.

Morsal O. tut mir unendlich leid.

Was Ahmad O. betrifft, so bin ich mir unsicher, was mit ihm passieren sollte. Verdient hätte er lebenslänglich mit anschließender Sicherheitsverwahrung, aber falls er psychisch schwer gestört sein sollte, gehört er in den Hochsicherheitstrakt einer entsprechenden psychiatrischen Einrichtung.

distelfliege - 18. Mai, 11:34

ich muss gestehen..

..daß ich deinen Artikel nicht durchgelesen habe, ich hatte die letzten Tage die Nachrichten nicht verfolgt und bin einfach nur traurig und schockiert über Morsals Tod.
Naja, was die Ehrenmorde angeht, über diese wird im Grunde nur als solche berichtet, wenn sie von Immigranten begangen werden, wenn das "Blutsdeutsche" machen, dann heisst gibt es dafür den Euphemismus "Familiendrama" - als wäre das etwas, was dem Täter "passiert". Wenn ein Österreicher seine Familie mit der Axt abschlachtet, um ihr die "Schande zu ersparen" weil er das gesamte Geld verspekuliert hat, dann nennt das niemand einen Ehrenmord.
Naja, trotzdem, ich finde es so bitter daß es dieses engagierte, fitte Mädchen nicht geschafft hat - es ist einfach so ungerecht, unnötig und traurig.

MMarheinecke - 18. Mai, 14:01

Vorsicht beim "Familiendrama"

Ich stimme Dir darin zu, dass bei Bluttaten unter Einwanderern (vor allem solchen islamischer Religion) oft vorschnell von "Ehrenmorden" die Rede ist.

"Familiendrama" ist in der Tat ein Euphemismus, und auch bei Amoktaten, Beziehungsmorden oder zum Totschlag eskaliertem Familienstreit schwerstens verharmlosend. Und es ist ein verräterisches Wort, verräterisch für die boulevardjournalistische Aufbereitung solcher Taten: ein "Drama" ist ein Schauspiel, ein spannendes fiktives Geschehen, dass man sich zu Unterhaltungszwecken ansieht. Genau so werden uns Straftaten "im familären Umfeld" sehr oft präsentiert, wobei "Bild", "Super Illu" oder "Bunte", "Explosiv", "Brisant" oder "Brennbar" nur die Spitze des in Ausläufern bis ins "Heute Journal" und die "Tagesthemen" reichenden Boulevards sind.

Allerdings gehören nur wenige der "Familiendramen" unter "eingesessenen Deutschen" tatsächlich in die Kategorie "Bluttaten aus fehlverstandenem Ehrgefühl", um "sich und der Familie die Schande zu ersparen".

Wie ich schon in meinem Artikel schrieb: so etwas kommt in allen Kulturen und allen Gesellschaftsschichten vor.

Allerdings geht es in unserer, der Stammesgesellschaft schon lange entfremdeten Kultur sehr in Richtung "Gesichtsverlust" (darin scheint "der Westen" den noch länger der Stammesgesellschaft "entwachsenen" Kulturen Chinas und Japans mit einigen Jahrhunderten Abstand zu folgen).
distelfliege - 18. Mai, 19:13

Nä...

..ich habe nicht sagen wollen, daß vorschnell von Ehrenmorden geredet wird. Ich wollte vielmehr sagen, daß vor der eigenen Haustür nicht in gleichem Maße gekehrt wird.
Ob der Gesichtsverlust durch den Mord abgewendet werden kann oder nicht, das ist wohl der Unterschied zwischen Ehrenmord und "Familientragödie" - im letzteren Fall geht das nicht, daher bringen sich die Kerle, die durch den Wegfall von Weib, Wohlstand oder Ähnlichem nicht mehr blicken lassen können, oder das befürchten, mit Vorliebe selbst um - und beziehen ihre Familie da grosszügig mit ein. Oder sie bringen ihre Familie um und beziehen sich selbst mit ein. Da ist nämlich die Frage, ob das erweiterter Suizid ist oder erweiterter Mord, und wer den Gesichtsverlust ausgelöst hat.
Ob das eine z.b. türkisch-deutsche Frau ist, die sich nicht gemäss den Familienregeln verhält oder ob das eine deutsche Frau ist, die mit Trennung droht, und dafür sterben muss, weil sonst der Kerl sein Gesicht verliert - für mich besteht da eben der Unterschied, daß der türkisch-deutsche Kerl nach dem Mord stolz in den Knast gehen kann und die Familie befriedigt ist, und der deutsche Kerl darf mit nicht soviel Verständnis rechnen. Wenn auch mit einigem Verständnis.
Ich will nicht alle "Familientragödien" darauf reduzieren, aber aus meinem Blickwinkel sind es nicht wenige, wo es diese Ähnlichkeit gibt. Bzw. die Gemeinsamkeit, daß Frauen und Kinder als Besitztümer angesehen werden und entsprechend damit geschaltet und gewaltet wird - zwar nicht bewusst und rein rechtlich gesehen auch nicht, aber das ist so ein kultureller Subtext, äh... irgendwas kollektiv Unbewusstes eben, das sich angesichts dem Verhalten der Mitglieder dieser Gesellschaft durchaus ablesen/rauslesen lässt.

Selbstverständlich sind die Maßstäbe andere, also was erlaubt ist, was "drin ist", was "im Rahmen ist" und was nicht, aber die Selbstjustiz von Männern bei Übertretung der jeweiligen Maßstäbe durch Frauen (und Kinder) - da gibts für mich nicht viel Unterschied. Aus meiner Perspektive - auch nur einer von mehreren möglichen Perspektiven.

Im Übrigen ist dein Blog einer der wenigen Orte im Netz, an dem ich solche Gedanken überhaupt schreibe. Andernorts würde ich mir sowas gleich klemmen, da ich nicht mit großartiger Akzeptanz dieser zugegeben radikaleren Perspektiven rechne - fällt mir nur grad am Rande auf. Mit Akzeptanz meine ich jetzt nicht Zustimmung, sondern allein die Aussicht darauf, daß die eigene Perspektive (und andere) als eine Möglichkeit bestehen kann, wie man etwas sehen kann.
MMarheinecke - 18. Mai, 21:41

Nennen wir das Problem beim Wort: "Patriarchat"

Weiter oben schrieb ich, dass ich den Begriff "Ehre" nicht für ein Resultat oder eine "Erfindung" des Patriarchats halte - mir sind nämlich die Überlegung einiger feministischer Soziologinnen und Historikerinnen, die in diese Richtung argumentieren, durchaus bekannt.
Aber ich kann Dir nicht darin widersprechen: "die Gemeinsamkeit, daß Frauen und Kinder als Besitztümer angesehen werden und entsprechend damit geschaltet und gewaltet wird - zwar nicht bewusst und rein rechtlich gesehen auch nicht, aber das ist so ein kultureller Subtext, äh..." - Mal in meine Worte übersetzt: ohne patriarchalisch bestimmtes Denken gäbe es weder "Ehrenmorde" noch "Familientragödien wegen Gesichtsverlust".

Wobei Kulturen, in denen es eine Tradition des "ehrenvollen Suizids" wegen "Gesichtsverlust" gibt, auch strenge Regeln dagegen haben, dass dabei andere zu Schaden kommen. Ich denke da an Japan - hohe Suizidrate, aber meistens "saubere" Selbstmorde. Zugespitzt gesagt: ein typischer Lebensmüder in Japan fährt sich nicht absichtlich mit dem Auto tot oder wirft sich einfach vor den Zug - geschweige denn, dass er eine Selbsttötungsart wählt, bei der er "noch welche mitnimmt". "Familientragödien" der genannten Art sollen in Japan sehr selten sein - trotz eines nach unseren Begriffen völlig überkandidelten (ungeschriebenen) Ehrenkodex' und einer noch stark von patriarchalischen Vorstellungen durchdrungenen Gesellschaft.

Zurück zum Patriarchat: in einer Gesellschaft, die das Patriarchat überwunden hat, gäbe es sicherlich noch Selbstmorde "wegen Gesichtsverlust" und sicher auch manche üble Fälle von Selbstjustiz - aber den "Ehrenmorde" oder "Familientragödien" würde m. E. die kulturell-psychologische Grundlage fehlen; es gäbe sie wahrscheinlich nicht mehr.
distelfliege - 19. Mai, 01:06

Hmjo..

...also - dadurch daß das Konzept "Ehrenmord" so wenig erläutert werden muss, und hier so gut verstanden wird, äussert sich ja auch daß diese Gesellschaft strukturmässig ebenfalls ein Patriarchat ist.

Ich hatte das wohl nicht richtig verstanden beim Lesen, was du mit dem Satz meintest, daß das Patriarchat den Begriff der Ehre nicht erfunden hätte. Also, als Verweis auf feministische Soziologie habe ich das nicht kapieren können und jetzt versteh ich es zugegeben immer noch nicht ganz.

Also rein strukturell seh ich z.b. keinen Unterschied zwischen Wergeld zahlen und eine abtrünnige Frau umbringen - in beiden Fällen verliert die Sippe etwas von ihrem "Besitz" und danach ist wieder alles palletti. Also, Regelungen, damit kein Gesichtsverlust eintritt oder um einen solchen abzuwenden, das fand ich gut beschrieben von dir, doof nur, wenn, wie du auch schon sagtest, der Einzelne unwichtig genug ist, um im Zuge solcher Regelungen abgemurkst zu werden.

Also, wenn das Selbstbewusstsein schwach ist, hattest du geschrieben, dann wird wegen jedem Geschiss ein Bohei gemacht. So weit korrekt, nur ist so ein Anlass, daß das Mädel einfach auszieht und meint ein eigenes Leben zu haben, doch durchaus ein althergebrachter, regelkonformer Grund, sie umzulegen - nach manchem althergebrachten System. Also auch bei starkem Selbstbewusstsein hätte die Familie sie umlegen (lassen) müssen/können. Nur lebte die Familie nicht in so einem System und was die individuellen Gründe, die den Bruder zu der Tat verleitet haben mögen, angeht, stimme ich dir voll zu.
MMarheinecke - 19. Mai, 11:41

Du machst es mir wirklich nicht leicht

aber ich finde Deine Einwände interessant.

Dass unsere Gesellschaft von der kulturellen Struktur her immer noch ein Patriarchat ist, ist, denke ich, unstrittig. Frauen haben in Deutschland erst seit 1918 das Wahlrecht, noch in den 50er und 60er Jahren konnte von einer juristischen Gleichberechtigung der Geschlechter in der BRD, Grundgesetz hin, allgemeine Deklaration der Menschenrechte her, keine Rede sein (die DDR war da tatsächlich weiter) - und was die ökonomische Gleichstellung angeht, gab es in den letzten Jahren eine Reihe herber Rückschläge. Auch wenn wir eine Bundeskanzlerin haben, steckt das Patriarchat noch tief in der deutschen Kultur.
Aber wem sag ich das ...
Jedenfalls ist das "nationalkonservative Familienbild", wie ich es mal nennen will, wieder en vogue ("konservativ", weil die Frau darin in erster Linie Mutter und Hausfrau zu sein hat - und der Mann "Herr im Haus" ist, "national", weil es den Fans dieses Familienbildes auf möglichst zahlreiche Kinder in dieser Familie ankommt, die dann zu Disziplin und Fleiß zu erziehen sind - damit Deutschland weder die Rentenbeitragszahler noch der Fachkräftenachwuchs ausgehen).
Typisch jedenfalls, dass die Kinder in diesem Familienbild (wieder) nicht als Individuen, sondern quasi zunächst als "Eigentum der Eltern (in der ökonomisch bestimmten Praxis meistens "Vaters") und später als "Volkseigentum" gesehen werden. "Verdinglichung" und "Vernutzung" des Menschen, der am Ende nur noch "Menschenmaterial" oder moderner "Humankapital" ist.

Unter dieser modernen Prämisse wäre das Wergeldsystem in der Tat nichts anders, als eine Entschädigungsleistung für zerstörtes oder beschädigtes "Humankapital" der Familie / Sippe / Gemeinschaft. Das sah in einer Stammesgesellschaft durchaus anders aus. (Konzepte des "Heils", der "Hammingja", der spirituellen Gemeinschaft usw. usw., die sich nicht so ohne weiteres in die anders strukturierte Moderne transplantieren lassen. Abgesehen davon war die reale germanische, keltische, slawische oder sonstige Stammesgesellschaft alles andere als ein "goldenes Zeitalter" intakter Sitten und geordneter Familienverhältnisse. Weshalb ich auch dringend davor warne, Bräuche aus "heidnischer Vorzeit", die sich einst bewährten, unkritisch auch die Gegenwart übertragen zu wollen. ) Zwar wird das Patriarchat z. B. bei den Germanen- egal, was einige völkische Schreiberlinge und kulturell konservative Historiker meinen - sehr viel weniger ausgeprägt gewesen sein, als in der frühen europäischen Neuzeit oder heute noch in Ostanatolien oder Afghanistan. Aber es war ein Patriarchat, "Vaterrecht". Wie groß der Wert des einzelnen Lebens ist bzw. war, ist kulturell sicherlich sehr unterschiedlich. Den Kelten wird z. B. ein starker Hand zum Individualismus nachgesagt, was ja auch in Sagen und Mythen seinen Ausdruck findet - ungeachtet des ebenso wichtigen Denkens in Clans und Sippen. Ähnlich war es wohl auch bei den Germanen. Was bedeutet, dass das Konzept der "Familienehre, Sippenehre, Clanehre" usw. einschließlich blutiger Bräuche wie Blutrache, Duell auf Leben und Tod, Wergeld, Morden aus gekränkter Ehre, bis hin zu Kriegen als "Ehrensache" auch in Gesellschaften "funktioniert", in denen es nicht heißt: "Du bist nichts, Deine Sippe (Deine Familie, Dein Clan, Dein Stamm, Dein Volk usw.) ist alles!"

Heide Goettner-Abendroth meint, wenn ich sie richtig verstehe, der typische Begriff von "Ehre" - die "Mannesehre" sei - sei eine Folge der Deformation älterer, matriarchaler Vorstellung von Männlichkeit unter patriarchalischen Machtverhältnissen. "Ehrverlust" wäre also mit einem (gefühlten) Macht- bzw. Prestigeverlust des "Familienherrschers" (Vaters bzw. Sippenältesten) gleichzusetzen - und unter diesen Prämissen ist es in der Tat "innerlich logisch", wenn die "Rebellion" einer Tochter als "verletzte Familienehre" gesehen wird. Ebenso "logisch" ist, dass sich der älteste Sohn (als "Kronprinz" in der kleinen patriarchalen Familienmonarchie) um die "Dreckarbeit" des Umbringens der rebellischen Tochter zu kümmern hat - der Patriarch macht sich nicht die Hände selber schmutzig, außerdem wird ist er in der Regel schon zu alt, um sich erfolgreich herumzuprügeln.
Wie gesagt, ich halte es für falsch, den Ehrbegriff, den ich sehr "in Ehren" halte, auf solche patriarchalischen Machtstrukturen zu reduzieren. Aber sie dürfte tatsächlich das eigentliche Motiv der "Ehrenmorde" wie auch der "Familendramen" sein. (Zu Frau Heide Göttner-Abendroth meine ich, dass sie ein "Wunsch-Matriarchat" zurechtkonstruiert hat, ein verlorenes "goldene Zeitalter" der Harmonie: agonale (kämpferische, konkurrierende) Gegensätze zwischen den Geschlechtern zu konstruieren widerspräche den integrativen Fähigkeiten der matriarchalen Frau. Aber schon damals sei das männliche Prinzip das "heroische" gewesen: die Kraft zum Selbstopfer, die Fähigkeit zur vollkommen Integrität. Nachdem das Patriarchat die Macht errungen hatte, hätte die "Ehre" des Mannes auf diesen "absolut" gesetzten heroischen Tugenden beruht. (So ganz verstehe ich das auch nicht, dürfte an meinem nicht-integrativem männlichen Verstand liegen *ggg*.)
MMarheinecke - 19. Mai, 12:24

Noch mal zum Problem "Ehrenmorde" unter Einwanderern

Die deutschtürkische Juristin und Publizistin Seyran Ates hat dazu einige, wie ich finde, sehr wichtige Gedanken, die gut zu der Hypothese stammen, es ginge bei "Ehrenmorden" weniger um eine gekränkte "Familienehre", als um patriarchalische Machtverhältnisse - und wie solche Morde diese Machtverhältnisse zementieren:
"Es ist zynisch, wenn behauptet wird, es handele sich hier nur um Einzelfälle", sagt Ates. "Die Wahrheit ist: Es würden viel mehr Ehrenmorde geschehen, wenn die Frauen nicht Angst hätten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen." Jeder einzelne Fall schüchtert massenhaft Frauen ein. "Weil sie nach derartigen Fällen ja auch oft ganz konkret von männlichen Mitgliedern der Großfamilie bedroht werden: Willst du endlich gehorchen oder willst auch so enden?"
Ates bezieht sich dabei auf eine Umfrage unter männlichen Studenten in der Türkei. Junge Leute also, bei denen man eigentlich modernes Denken voraussetzen könnte. Doch rund 30 Prozent der Befragten hätten Ehrenmorde befürwortet. In Berlin, schätzt Ates, sei der Anteil mit hoher Wahrscheinlichkeit noch weitaus größer.
(aus dem Artikel Ehrenmorde lösen nicht überall Entsetzen aus aus der "Welt", dessen "Weltbild" ich ansonsten nicht unbedingt teile - vor allem nicht die mitschwingende leichte, aber deutliche Islamophobie - nicht im Sinne einer anti-islamischen Ideologie, sondern wörtlich verstanden: Angst vor einer bedrohlichen "fremden" Religion und Kultur.)

In die Kommentaren fand ich folgendes Zitat, das die "andere Seite" des Problems treffend umreißt - die Tendenz, Probleme einfach unter den Teppich zu kehren:
„Diese Menschen mit ihrer vielfältigen Kultur, ihrer Herzlichkeit und ihrer Lebensfreude sind eine Bereicherung für uns alle”
Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer
- Es ist dabei egal, ob Frau Böhmer da aus Zweckoptimismus oder aus Multi-Kulti-Seeligkeit sprach.
Klar ist: wenn unterschiedliche Traditionen zusammentreffen, gibt es Konflikte. Es kommt darauf an, diese Konflikte unblutig zu regeln. Es wäre dabei wenige ehrenvoll, solchen Konflikten "des lieben Friedens willen" auszuweichen oder sich mit Formelkompromissen zufrieden zu geben. Auch der gern bemühte Hinweis auf die "sozialen Schieflagen" als "eigentlicher Ursache" solcher Bluttaten, für die "wir", die Mehrheitsgesellschaft, natürlich den meisten Schuldanteil tragen, gehört in diese Ecke - es fällt nämlich auf, dass prinzipielle gleiche "soziale Schieflagen" nicht bei allen Einwanderergruppen zur einem ähnlichen Ausmaß an "Ehrenmorden" bzw. "Familientragödien" führt. Auch wenn der Islam, als Religion und Moralkodex, "Ehrenmorde" nicht billigt, trägt eine religiöse Tradition, dass "göttliches Recht" mit dem althergebrachten Stammesrecht identisch sei, und dass "göttliches Recht" in jedem Falle den Vorrang von "irdischem Recht" (das außerdem noch von "Ungläubigen" stammt) hätte, sehr, sehr viel zum ruhigen Gewissen eines "Ehrenmörders" aus gekränkter patriarchalischer Eitelkeit bei.

Das Ziel, seitens der "deutschen Gesellschaft" muss ganz klar auf die Rechte - und die Ehre! - der familiär unterdrückten Frauen gerichtet sein. Und um es auch noch dem letzten "Streiter fürs christliche Abendland" klar zu machen: "so etwas" - Behandlung von Frauen und Kinder als "Untertanen" und "Eigentum" des "Familienoberhauptes" gibt es auch bei "einheimischen" Deutschen. Dass solche Verhältnisse "bei uns" inzwischen nicht mehr die Regel sind, ist nicht von Himmel gefallen, dass haben wir auch nicht unserer tollen christlich-abendländischen Kultur zu verdanken, sondern einem jahrhundertelangen, mühsamen und noch längst nicht gewonnenen Kampf für die Emanzipation, gegen die "kulturellen Traditionen", gegen "selbst verschuldete Unmündigkeit" und überkommene Institutionen!
Ich bin auch ganz klar der Ansicht, dass Integration nicht nur ein unverbindliches "Angebot" ist - wer hier lebt, muss sich an hier geltenden Gesetze halten und muss sich an das erzieherische Konzept, das hier im "Westen" erstritten wurde, anpassen!
(Gilt nicht nur für "islamische Einwanderer", sondern für alle, die glauben, aufgrund ihrer Herkunft, ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihrer Religion, ihre überkommenen Sitten, ihrer Gene, ihres Horoskops, ihres Karmas, ihrer bevorzugten Lektüre oder die Götter wissen, was sonst noch, "Sonderrechte" beanspruchen zu können.)

distelfliege - 20. Mai, 13:28

Noch ein Kommentar....

Hi Martin,

Danke für die Antwort, jetzt hab ich verstanden, was du meinst.
Der Einwand mit dem Wergeld ist korrekt, das ist natürlich aus der heutigen Perspektive bewertet worden von mir, was so eh nicht ganz rund läuft.

Also - zu der Geschichte mit "Ehre als bösen Patriarchatsbegriff" - daß du damit auf Heide Göttner-Abendroth anspieltest, hatte ich nicht gerafft. Du hattest ja nicht genau benannt, gegen was speziell du dich verwahrst, und es kam bei mir so an, als würdest du irgendwie so ein wenig die Geschlechterverhältnisse vom Phänomen Ehrenmord abkoppeln, aber ich sehe jetzt, daß du das nicht gemeint hast.

Der Wikipedia-Eintrag zum Thema Ehrenmord/Fememord ist da imho recht deutlich, also dem habe ich auch wenig hinzuzufügen.
Beim Ehrenmord ist das Problem, wie wir schon etwas herausgeschält haben, daß - zwecks Zementierung der herkömmlich-patriarchalen Machtverhältnisse - die Familienehre am Verhalten der Frauen der Familie gemessen wird, d.h. die Frauen sowas wie ein Ehren-Seismograph sind. Zu unserer Kultur besteht lediglich ein Unterschied in der Intensität oder Quantität der Reaktion auf eine Ehrverletzung, aber die Vorstellungen sind ähnlich, z.b. daß der Mann, der viele Frauen hat, ein toller Hecht ist, und die Frau gilt dann als eine Schlampe.

Bei der WM letztens, als Zidane im Finale den Italiener da ausgeknockt hat, hatten diejenigen deutschen Männer, mit denen ich gesprochen habe, durch die Bank Verständnis für seine Reaktion, nachdem gemunkelt wurde, daß der Italiener zu Zidane gesagt haben soll, seine Mutter oder Schwester (genau weiß ich das nicht mehr) sei eine Schlampe o.Ä. Für die Freizügigkeit seiner Mutter oder Schwester hat man sich zu schämen, wenn der Bruder oder Vater freizügig ist, nicht in gleichem Maße.

Na, damit möchte ich das wiederum nicht alles gleich machen oder einebnen, aber ich finde für mich, der beste Weg gegen "Mit dem Finger zeigen auf Andere" sowie gegen "Multikulti-Romantik" ist, wenn man das, was man kritisiert, auch versucht im Eigenen zu erkennen, so daß irgendwo eine Weiterentwicklung möglich ist, die in beide Richtungen nachwirkt, also wo sich nicht "die Immigranten" einseitig zu ändern haben, sondern sich auch die "eingesessene Kultur" hinterfragen lassen muss, was denn in ihr dazu beiträgt, daß sich zu Ehrenmord-Konzepten keine Alternativen bieten, und daß hier Frauen eingeschüchtert in abhängigen Verhältnissen leben müssen.

Naja gut, das führt jetzt auch sehr weit, aber mein Gedanke ist jetzt auch, daß z.b. die "Befreiung der Sexualität" durch die Hippies leider zu einer solchen nur sehr bedingt geführt hat, sondern daß vielmehr das soeben "Befreite" kapitalistisch genutzt wird, und Sexualität stark kommerzialisiert wurde. Was die deutsche/westliche/kapitalisitische Gesellschaft hierdurch konservativen Einwanderern als "Alternative" vorlebt, ist dadurch auch sehr fragwürdig und unattraktiv. Dadurch, daß der Wegfall der Prüderie nicht mit einer Emanzipation der Frauen aus dem Status des Sexualobjekts einherging, muss doch bei Vielen der Eindruck entstehen, daß nur die Alternative für Frauen besteht, entweder monogam einem zu "gehören" und "anständig" zu sein, oder "unanständig" und dann eben jedem dahergelaufenen Typen zu Selbstbedienung freisteht.
Daß eine Frau, die wirklich frei und emanzipiert ist, sich selbst gehört, das wäre das, was auch tatkräftig vorgelebt gehört, sonst kommt der erhobene Zeigefinger sehr, sehr unglaubwürdig rüber..
Individuell wird das auch von einigen/vielen Frauen vorgelebt, aber guck ich mal so ins Internet, in die Werbung, in die Medien... da seh ich, daß es von Frauen immer noch GEGEN (oder trotz) ein Konzept der Frau als Objekt gelebt wird, nicht als "Leitkonzept" (blödes Wort)

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