Widerstandsrecht? Augenwischerei!

Jan Schejbal schrieb etwas ebenso kluges wie desillusionierendes:
Über die Wertlosigkeit des Widerstandsrechts (Art. 20 Abs. 4 GG).

Jan weist überzeugend nach, dass das Widerstandsrecht im Falle einer funktionierenden Justiz nicht anwendbar und im Falle einer nicht funktionierenden Justiz wertlos ist. Es ist also ein schönes Schmuckelement in der Verfassung, direkten praktischen Nutzen hat es nicht.
Köppnick - 15. Jul, 22:37

Leseempfehlung

Gut zum Thema passt: "Martin Cohen: 99 moralische Zwickmühlen". Oder natürlich wie häufig: "Watzlawick: Wie wirklich ist die Wirklichkeit". Alles, was nicht natur- sondern gesellschaftsgesetzlich ist, unterliegt dem Glaubensvorbehalt. Es funktioniert nur, wenn eine ausreichend große Anzahl von Menschen daran glaubt.

Das Widerstandsrecht ist zwar nicht logisch einwandfrei, aber praktisch nützlich: Friedlicher Widerstand erhöht die Kosten der Durchsetzung bestimmter Pläne der Regierigen. Das lässt sie von bestimmten Vorhaben Abstand nehmen und nach Alternativen suchen.

MMarheinecke - 16. Jul, 10:43

Stimmt, das Widerstandsrecht ist ein "symbolisches Recht"

was im positivem Fall bedeutet: es stärkt jenen den Rücken, die gegen verfassungswidrige Bestrebungen von Regierung, Justiz oder Hilfsorganen des Staates (Polizei, Militär) vorgehen. Tatsächlich wurde das Widerstandsrecht ja im Zuge der damals sehr umstrittenen Notstandsgesetze in das Grundgesetz aufgenommen; als "Anti-Putsch"-Recht, was auch den "Putsch von oben", also den Fall, dass sich eine Regierung während eines Notstandes Befugnisse anmaßt, die die Grundrechte außer Kraft setzen. (Beispielsweise: die Regierung lässt alle Angehörigen einer bestimmten politischen Partei (damals dachte man an die Kommunisten) "auf Verdacht" internieren. Dagegen ist Widerstand geboten.)

Im negativen Sinne ist das Widerstandsrecht eine "Beruhigungspille", eine Art juristisches Placebo.
Allerdings: auch Placebos können wirken - im Sinne einer Ermutigung lange vor der Situation der "kalten Putsches" zur de facto Außerkraftsetzung der Verfassung gegen die verfassungswidrigen Aktivitäten z. B. der Regierung einzuschreiten.
Sven (Gast) - 15. Jul, 23:43

Ich finde Feynsinns Entgegnung (inkl der Kommentardiskussion) da recht sympathisch und stimme zu, dass Jan, da den Charakter/Intention des Artikels zu einseitig im "juristischen Funktionalismus" verortet und andere Aspekte nicht bzw. zu gering wertet/wahrnimmt

Gregor Keuschnig - 16. Jul, 09:01

Genauso gut

kann man einen Beitrag über die Wertlosigkeit des Artikels 1 des Grundgesetzes schreiben. Dieser verkommt in einem totalitären Staat natürlich auch zur reinen Floskel (mehr zur Floskelhaftigkeit von Verfassungen s. beispielsweise in der DDR-Verfassung).

Ich möchte sogar etwas provozierend behaupten, dass eine Verfassung per se immer auch "Schmuckelement" ist - ihr Funktionieren ist nicht durch das Aufschreiben der hehren Imperative an sich gewährleistet. Das macht es ja auch so unsinnig, irgendwelche "Staatsziele" aufzunehmen.

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