Gedanken anläßlich eines erlegten Bären

Symbolfoto ©Pixelquelle.de
Nun ist er tot: Man kann es politisch sehen, wie Marian Wirth: Mein Freund, der Problembär
Es geht hier nicht um den Umgang mit Bären, wie Herr Lapide bei S&W meint, sondern um den Bär als Symbol für die Schwierigkeiten der Politik, Probleme anders als maximalinvasiv zu lösen.Man kann es unter Artenschutzgesichtspunkten sehen "Problembär" Bruno ist tot . Oder über die Boulevardisierung der Medien räsonieren, denn eigentlich ist die Jagd auf "Bruno" ein "klassisches Sommerlochthema" - wir haben zwar Sommer, aber beleibe keine nachrichtenarme Zeit.
Nun ist er also in den Ewigen Jagdgründen, der Problembär Bruno. Und wir sind wieder mit unseren Problempolitikern allein.
Wenn ich daran denke, wie gelassen man in Skandinavien (und vermutlich auch in Norditalien, wo Bruno herkam) mit Bären - einschließlich Schafe reißenden “Problembären” umgeht, dann wirkt die deutsche Reaktion hysterisch. Was bestimmt nicht allein daran liegt, dass es bei uns normalerweise keine Braunbären mehr gibt.
Ich weiß noch genau, wie mir zumute war, als in einem mittelschwedischen Wald Beeren (die mit "ee") sammelte und plötzlich frische Bärenspuren (mit "ä") entdeckte. Verdammt große Tatzen! Aber nach dem ersten Schrecken war mir klar, dass das Tier mehr Angst vor mir hatte, als ich vor dem Bären. Von da an war teilte ich die Gelassenheit der Einheimische in Bezug auf "wilde Tiere". Bären haben Angst vor Menschen. Selbst "Bruno", der ja angeblich "die Scheu vor den Menschen verloren hatte":
Gegenteilig äußerte sich der Wirt des 1700 Meter hoch gelegenen Rotwandhauses, wo der Bär am Sonntagabend gegen 20.30 Uhr wenige Meter an der Hütte vorbei marschiert war. Die Gäste hätten gerade beim Abendessen gesessen, sagte Hüttenwirt Peter Weihrer der dpa. "Ich habe die Leute beruhigt und gebeten, nicht aus dem Haus zu gehen." Schließlich sei er selbst vor die Türe gegangen und habe den Bären angeschrien, der daraufhin geflüchtet sei. "Er hat vor uns Angst gehabt."Die Ausnahme sind Bärenmütter, die aus gutem Grund wirklich agressiv sind: Bärige Taktik der Bärenmütter.
Vor Wildschweinen habe ich mehr Respekt. Das bisher einzige Mal, dass ich wirklich Angst vor wildlebenden Tieren hatte, war, als zwei Bachen mit ihren Frischlingen vor mir einen Waldweg überquerten. Selbst ein einzelner Keiler kann, wenn er einen schlechten Tag hat, erhebliche "wirtschaftliche Schäden" anrichten. Wie ein Garten nach den "Besuch" einer Wildschweinrotte aussieht, konnte ich ganz bei mir in der Nähe bewundern: wie ein Schlachtfeld. Selbst den Geräteschuppen hatten die lieben Tierchen flachgelegt.
Trotzdem stellt sich kein, äh, Ministerpräsident vor die Presse und stammelt etwas von "Problemschweinen" ins Mikro.
Es war auch ein Wildschwein, dass mir das gestörte Verhältnis einiger meiner Mitmenschen zu Fragen wie "Wildtieren" und "Jagd" zeigte. Ein mir bekannter Revierförster erzählte mir davon. Er wurde von der Polizei zur Hilfe gerufen; ein angefahrener und verletzter Keiler "belagerte" regelrecht das Auto, dass ihn angefahren hatte, die Insassen konnte ihr Fahrzeug nicht verlassen. Der Förster fuhr zur Unfallstelle, sah, dass in dieser Situation nichts anderes half, nahm eine schwerkalibrige Büchse und erlegte den Keiler.
Zur seiner Verwunderung versuchte die Fahrerin des Autos ihn wegen "Tierquälerei" anzuzeigen. Da half auch kein Hinweis auf die Gefährlichkeit des verletzten und wütenden Tiers und darauf, dass der Schuß ihn nur von seinem Leiden erlöst hätte. Eine sentimentale "Tierliebe" hinderte die Frau, die Situation realistisch zu sehen.
Vielleicht war es vernünftig, als "letzte Möglichkeit" den Bären zu schießen. Auch der WWF akzeptierte diese Entscheidung.
Nicht vernünftig war die Selbstinszenierung einiger Problem-Politiker als unverzichtbare “Retter aus höchster Not”, die bei Lichte besehen gar nicht so groß war. Weil aber jede pragmatische und unaufwendige Lösung die die Illusion des “Notfalls” zerstören würde, muß mit a) maximalem Mitteleinsatz (finnische Bärenjäger) und b) mit maximaler Rücksichtlosigkeit (abschießen) gehandelt werden.
Und völlig durchgeknallt sind Morddrohungen gegen Jäger. Sie verraten ein extrem gestörtes Naturverständnis - und blanke Menschfeindlichkeit.
MMarheinecke - Dienstag, 27. Juni 2006
Das ist die tägliche Ration Wahnsinn.
Tausende Blogger drücken ihr Mitgefühl wegen eines Bären aus, aber kaum jemand mit den tausenden Kindern, die jeden Tag an ein vermeidbaren Krankheiten sterben. Vor ziemlich genau einem Jahr riefen viele dazu auf Make Poverty History. Jetzt ist wird es Zeit, die G8 an ihre Versprechen zu erinnern und nachzusehen, was Live8 und die Make Poverty History Kampagne bewirkten, aber stattdessen wird lieber ueber Bruno gebloggt.
Z.Zt findet eine UN Konferenz über Kleinwaffen statt. Diese sollte auch kritisch begleitet werden, da Kleinwaffen die eigentlichen Massenvernichtungswaffen sind. Denn heute werden mehr Menschen mit einer Kalaschnikov umgebracht werden als mit A-, B- oder C-Waffen. Der Iran sollte daher nicht unser einziges Problem sein.
Aber stattdessen wird lieber über Bruno gebloggt. Oder über die Fussball-WM. Wir haben zumindest die Fussball-WM mit dem World Refugee Day, der letzte Woche stattfand, kombiniert.
Den Schuh zieh ich mir nicht an
Außerdem benutzt mein Artikel den toten Bären als Aufhänger meiner Überlegungen zu einer, wie ich finde, nicht ganz unwichtigen Erscheinung: dem gestörten Verhältnis zur "Natur".
Und zu guter Letzt: eine kleine Archivsuche zeigt, dass ich sehr oft sehr ernsthafte, sehr wichtige und leider sehr wenig beachtete Themen aufgreife.