Sonntag, 30. Januar 2011

Kinderfilmnostalgie: Ronja Räubertochter

Als Kind liebte ich die Bücher Astrid Lindgrens. Selbstverständlich liebte auch die Filme und Fernsehserien, die nach ihren Bücher entstanden.
Die meiner Ansicht nach schönste Lindgren-Verfilmung erstand leider erst zu einer Zeit, in der ich nicht mehr Kind war. Zum Glück gehört sie zu jenen Kinderfilmen, die auch Erwachsenen etwas zu sagen haben. Was nicht auf alle Lindgren-Verfilmungen zutrifft, die Fernsehserie "Kinder aus Bullerbü" beschreibt mir, als Erwachsener, eine zu "heile" Welt, andere Lindgren-Filme sind mit zu albern. Für Kinder im passenden Alter sind sie aber genau richtig!

"Ronja Rövardotter" ("Ronja Räubertochter", Schweden / Norwegen 1984, nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Astrid Lindgren) gehört zu den Kinderfilmen, die für Kinder jeden Alters gemacht sind. Regisseur führte Tage Daniellsson, das Drehbuch schrieb Astrid Lindgren selbst.

Ronja ist die Tochter des Räuberhauptmanns Mattis und seiner Frau Lovis. Der Film beginnt in der Nacht, in der Ronjas geboren wird - (Lovis singt, während sie in den Wehen liegt:- "Damit es ein fröhliches Kind wird." Es sind solche Details, für die ich diesen Film liebe!) Ein Blitzschlag spaltet die Burg mitten im Wald, in der Mattis Bande lebt, in zwei Teile.
Ronja wächst inmitten Bande grober aber gutmütiger Räuber auf. Im Hauptteil des Filmes ist sie etwa 10 Jahre alt und ein extrem selbstbewusstes und selbständiges Mädchen, ein echter Wildfang. Sie ist aber auch schlau und erkennt Probleme und hinterfragt Dinge, die für die Erwachsenen "selbstverständlich" sind. (Mit der damals elfjährigen Hanna Zetterberg ist Rolle perfekt besetzt. Ihr Aussehen entspricht genau Astrid Lindgrens Beschreibung, und die junge Schauspielerin wirkt von ihrem ganzen Auftreten selbstsicher und überzeugend.)
Eines Tages zieht die verfeindete Räuberbande von Borka Borkason in die zweite Hälfte der Burg ein, die nun "Borkafeste" genannt wird. Mit Borka auch seine Frau Undis und ihr Sohn Birk.
Ronja und Birk werden rasch beste Freunde, sehr zum Ärger ihrer verfeindeten Eltern, die sich gegen diese tiefe Freundschaft der Kinder stellen. Als der Streit zwischen den beiden Banden eskaliert, ziehen Ronja und Birk gemeinsam in eine Höhle im Wald. Mattis Sehnsucht nach seiner Tochter bewegt ihn schließlich dazu, mit Borka den Streit beizulegen lösen.
ronja

"Ronja Räubertochter" ist meines Wissens der einzige "echte" Fantasy-Film nach einem Roman Lindgrens. Obwohl fast alle Geschichten der schwedischen Schriftstellerin phantastische Elemente enthalten, und oft ausgesprochene Kunstmärchen sind, sind es eher ihre "realistischen" Geschichten, die den Weg auf Leinwand und Bildschirm fanden. Wobei die Rumpelwichte und Wilddruden in "Ronja Räubertochter" ja nicht unrealistisch sind - sie sehen genau so aus und verhalten sich so, wie sich echte Wilddruden und Rumpelwichte nun einmal aussehen und sich verhalten. Lindgren knüft eng an die skandinavische Volkssagen an, ohne sie einfach zu kopieren. In dieser Hinsicht erinnert sie mich an Tolkien.
Sehr schön setzt Lindgren die Themen "Feindschaft" und "Freundschaft" um - und zwar ohne "pädagogischen Zeigefinger" und ohne den Versuch, den jungen Zuschauern eine bestimmte Weltanschauung aufzudrängen. Als Autorin war sie deshalb in Schweden lange Zeit umstritten - ihre Geschichten würden Kinder zu Ungehorsam, Disziplinlosigkeit und krassem Individualismus verführen. Wenn Astrid Lindgren eine Botschaft mit ihrer Geschichte hat, dann die, wie wichtig Freundschaft ist, dass echte Freundschaft sich in Notzeiten erweist, und dass es im wohlverstandenen eigenen Nutzen jedes Menschen ist, im Notfall auch über "alte Feindschaften" hinweg zusammenzustehen.

Eine wichtige "Rolle" spielt die herrliche, aber "wilde" Landschaft, die endlosen Wälder, die Moore und Heiden, die klaren Seen und reißenden Bäche, die strengen, schneereichen Winter und die heißen Sommer. Diese Wildnis hebt "Ronja Räubertochter" von den meist in Südschweden oder im städtischen Umfeld Stockholms spielenden anderen Lindgren-Filmen ab. Zum Abenteuer gehört, dass die Helden durchaus auch in Lebensgefahr geraten. Ronja und Birk sind sogar in Lage, für geraume Zeit ganz ohne Erwachsene auszukommen und in der Natur zu leben. Sie machen Fehler, aber lernen auch aus diesen Fehlern. Das Gefühl, ein echtes Abenteuer mitzuerleben, ist genau das, was Generationen von Kindern auch an Indianergeschichten fasziniert. Als Zehnjähriger wäre ich sicher gern so selbstsicher und unerschrocken wie Ronja gewesen.

Kurz und gut: ich liebe diesen Film und bedauere alle Kinder, die ihn nicht kennen. Allerdings ist der Film nichts für Kinder im Vorschulalter und auch Kinder im Grundschulalter sollten ihn nicht alleine ansehen. Es gibt doch einige gruselige Szenen.

Bei der Vorstellung des Buches "Ronja Räubertochter" äußerte sich Astrid Lindgren 1981 vor Journalisten:
Ihr fragt immer soviel danach, was ich meine und was dahintersteckt. Wisst ihr, ich werde euch mal etwas sagen. Ich denke überhaupt nicht so viel. Ich denke gar nicht. Ich schreibe einfach. (...) Das Einzige, worauf ich zu hoffen wage ist, dass meine Bücher den Kindern vielleicht ein wenig zu einer menschenfreundlichen, lebensbejahenden und demokratischen Einstellung verhelfen.

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