Mittwoch, 27. Oktober 2010

Fremdlesen: Evolutionsbiologe wünscht größere Achtung vor Naturerbe

Die UN-Artenschutzkonferenz gehört auch meiner Ansicht nach zu jenen gut gemeinten, aber schlecht durchdachten Großkonferenzen, deren magere Ergebnisse im krassen Missverhältnis zum Aufwand, der betrieben wird, stehen.

Auf den ersten Blick wirkt die Aussage des Evolutionsbiologen Josef H. Reichholf im Interview mit D-Radio, dass die gängige These, dass täglich mehrere Dutzend Arten aussterben, nur eine Annahme sei, die sich aber auf Unkenntnis des Artenbestandes der Erde bezöge, empörend. Beim näheren Hinsehen redet Reichholf Klartext, den vor allem Politiker und Wirtschaftslobbyisten "im Norden" nicht gerne hören dürften. Und eine bestimmte Sorte Ökologisten mit geradezu religiöser Vorliebe für apokalyptische Szenarien ebenfalls nicht. Zumal Reichholf ein profilierter Artenschützer ist, und z. B. an der erfolgreichen Wiederansiedlung des Bibers in Bayern beteiligt war.
(...) Karkowsky:Landwirtschaftliche Ausbeutung, die wiederum vom Menschen natürlich verschuldet ist. Da hat diese Artenschutzkonferenz ja drei wichtige Prämissen. Erste: Weltweit sterben täglich Arten aus. Zweitens: Das muss verhindert werden, denn die Biodiversität ist wichtig. Und drittens: Der Mensch hat's verbockt. Da widersprechen Sie ja gleich zweien dieser Prämissen, oder?

Reichholf:Ja, im Grunde genommen allen dreien. Denn der Mensch, das ist mir zu allgemein. Es sind eben bestimmte wirtschaftliche Interessen von reichen Ländern, die Hauptverursacher sind und den Hauptgrund liefern für die Entwicklungen; und dass täglich oder jährlich so und so viele Arten aussterben, ist eine Annahme, eine Art Hochrechnung, die sich aber auf Unkenntnis des Artenbestandes der Erde bezieht. Die Arten, die wir kennen, die können wir erfassen, und nach allem, was mir bekannt ist, ist in den letzten zehn Jahren so gut wie keine einzige bekannte Art ausgestorben. Wir haben also ein großes Missverhältnis zwischen dem tatsächlichen Kenntnisstand, und der besagt, seit dem 19. Jahrhunderts ist die Rate des Aussterbens von Tier- und Pflanzenarten rückläufig und in unserer Zeit fast auf Null gegangen ...
( ...) Wir haben diese Erfolge und wir haben sie bei solchen Arten, die vorher aktiv verfolgt wurden, deren Ausrottung eigentlich jahrhundertelang das Ziel war im Falle der Wölfe oder bei den Adlern und anderen Greifvogelarten oder Raubtieren. Das hat sich geändert, das ist einer der ganz großen Erfolge des Artenschutzes im Speziellen und des Naturschutzes ganz allgemein.

Aber die Vorstellung, dass alles schlechter würde in der Natur, die ist dennoch weit verbreitet gerade in unserem Land, obwohl die Verhältnisse sich nicht bei uns verschlechtern - da sind sie besser geworden -, sondern in Regionen, die wir eben mit unserer Art zu wirtschaften ausbeuten. Und das liegt uns so fern und deswegen schwingt, so mein Eindruck, in solchen Großkonferenzen das schlechte Gewissen ganz entscheidend mit.
Das ganze Interview: Reichholf: Artensterben ist "nicht mehr als eine Vermutung"

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