Der böse, böse "neue" Atheismus
Ein Vortrag von Dr. Kissler:
Galle, Gift und Gotteswahn. Der Neue Atheismus auf dem Vormarsch.
Es ist meiner Ansicht bezeichnend, dass Dr. Alexander Kissler den "Neoatheismus" als "politisches" oder "quasi-religiöse" Bewegung bezeichnet. Damit hebt er diese Denkrichtung auf einen Ebene, die Kissler vertraut ist, mit der er umgehen kann.
Eine scheinbare Nebensächlichkeit ist bezeichnend: Kissler nennt Robert M. Pirsing, der von Richard Dawkins in dessen Buch Der Gotteswahn zitiert wird, einen "Buddhisten, also Atheisten". Denn Pirsing lehnt sich in seiner Philosophie zwar an den Zen-Buddhismus (und den Daoismus) an, damit ist aber noch lange nicht gesagt, dass er tatsächlich Buddhist war. Ob er Atheist war, ist ebenfalls fraglich. Es ist Dawkins, der das Zitat Pirsings
Ich kenne zu viele tief gottgläubige Menschen, die sich zur Religion ähnlich äußern, als das ich darin ernsthaft einen Beweis für Atheismus sehen könnte. (Typischer Spruch: "Mit Gott habe ich keine Schwierigkeiten - aber umso mehr mit seinem Bodenpersonal.") Bissiger Spott über organisierte Religion und Atheismus sind nicht dasselbe. In diesem Missverständnis gleichen sich Dawkins und Kissler.
Das Buch Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten, aus dem das Zitat stammt, enthält eine deutliche Kritik an den dualistischen Philosophien, die laut Pirsing auf Platon und noch mehr Aristoteles zurückgehen.
Es ist genau dieses, von Augustinus noch erheblich verschärftes und schematisiertes, dualistische Denken, dass meiner Ansicht nach viele "neue Atheisten" und fast alle kirchliche Kritiker des "neuen Atheismus" auszeichnet. Nur in diesem Denken ist jemand, der sich vom christlich geprägten, "abendländischen" dualistischen Denken abgewandt und dem Zen Buddhismus zugewandt hat, automatisch Buddhist, und der Buddhismus ist, da er die Existenz eines ewigen, allmächtigen und personalen Gottes bezweifelt, eben atheistisch.
Ich vermute aber, dass Dr. Kisslers auf mich streckenweise in seiner Schwarz-Weiß-Logik absurd wirkender Vortrag für Menschen, die es gewohnt sind, alles in Gegensätzen zu sehen, völlig folgerichtig wirkt. Übrigens denkt Dawkins, ich vermute, weil er als Naturwissenschaftler schon berufsbedingt Zweifel an endgültigen und ewigen Wahrheiten hat, im Großen und Ganzen nicht dualistisch: "Der Gotteswahn" hat Grautöne.
Schon die Abgrenzung zwischen "altem" und "neuen" Atheismus ist meiner Ansicht nach völlig willkürlich. Denn militante Atheisten gab es schon lange vor Dawkins et al., und worin die besondere Militanz zum Beispiel der Girdano-Bruno-Stiftung liegen soll, müsste man mir erst einmal erklären.
Vergleiche ich die tatsächliche Militanz fanatischer Moslems, fanatischer Christen und fanatischer Atheisten miteinander, dann ergibt sich ein Bild, das ziemlich genau dieser Karikatur entspricht:
Der gern gebrachte Hinweis auf die angeblichen Atheisten Hitler, Stalin und Mao stimmt nicht. Bei Hitler, der ständig von der "Vorrrsähungg" und dem "Härrrgottt" redete und ausdrücklich sagte, dass die Ausrottung der Juden ein gottgefälliges Werk sei, von vornherein nicht. Stalin und Mao waren zwar Athetisten, aber der Atheismus war nicht die treibende Kraft und nur ein Bestandteil unter vielen in ihrer völkermörderischen Ideologie. Tatsächlich haben Stalinismus und Maoismus stark religionsähnliche Züge.
Was "neu" ist - und von Dr. Kissler auch benannt wurde - ist das breite Medienecho, das die neuen Atheisten genießen. Das dürfte aber nicht allein an Autoren wie Dawkins, Hitchins oder Schmidt-Salomon liegen, sondern daran, dass militanter religiöser Fundamentalismus seit einigen Jahren an Bedeutung gewinnt.
Trotz allem gebe ich Dr. Kissler in einem Recht: beim "neuen Atheismus" steht nicht die Religionskritik im Mittelpunkt. Wenn es sie gibt, wirkt sie nur da schlüssig, wo es um konkrete Missstände, etwa in den Kirchen, geht. Ich vermute, weil viele neue Atheisten sich gar nicht vorstellen können, wie ein religiöser oder spritueller Mensch - das ist nicht dasselbe - eigentlich denkt. (Außer, dass einige von ihnen gläubigen Menschen einen massiven Dachschaden zuschreiben.)
Bei der Auseinandersetzung mit religiösen Fanatismus und dem Phänomen des Fundamentalismus ist Dawkins jedenfalls ebensowenig hilfreich oder erhellend wie z. B. Schmidt-Salomon.
Das Buch Heilige Einfalt von Olivier Roy könnte, wenn ich "Gregor Keuschnigs" ausführlichen Rezension folge, vielleicht genau die Religionskritik sein, die ich in der hektischen Auseinandersetzung mit dem religiösen Fanatismus so sehr vermisse.
Galle, Gift und Gotteswahn. Der Neue Atheismus auf dem Vormarsch.
Der Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. kritisierte den Bundespräsidenten für seine öffentliche Wertschätzung der Bibel scharf und Richard Dawkins will Papst Benedikt wegen Verletzung der Menschenrechte festnehmen lassen. Die Aktionen des „Neuen Atheismus“ werden immer aggressiver und medienwirksamer.Ein durchaus hörenswerter Vortrag, weniger, weil Kissler die Tricks des neuen Atheismus entlarvt, als dadurch, dass er ungewollt die Tricks der alten Theologen entlarvt.
Es ist meiner Ansicht bezeichnend, dass Dr. Alexander Kissler den "Neoatheismus" als "politisches" oder "quasi-religiöse" Bewegung bezeichnet. Damit hebt er diese Denkrichtung auf einen Ebene, die Kissler vertraut ist, mit der er umgehen kann.
Eine scheinbare Nebensächlichkeit ist bezeichnend: Kissler nennt Robert M. Pirsing, der von Richard Dawkins in dessen Buch Der Gotteswahn zitiert wird, einen "Buddhisten, also Atheisten". Denn Pirsing lehnt sich in seiner Philosophie zwar an den Zen-Buddhismus (und den Daoismus) an, damit ist aber noch lange nicht gesagt, dass er tatsächlich Buddhist war. Ob er Atheist war, ist ebenfalls fraglich. Es ist Dawkins, der das Zitat Pirsings
Leidet ein Mensch an einer Wahnvorstellung, nennt man es eine Krankheit. Leiden viele Menschen an einer Wahnvorstellung, nennt man es Religion.in einen atheistischen Kontext stellt.
Ich kenne zu viele tief gottgläubige Menschen, die sich zur Religion ähnlich äußern, als das ich darin ernsthaft einen Beweis für Atheismus sehen könnte. (Typischer Spruch: "Mit Gott habe ich keine Schwierigkeiten - aber umso mehr mit seinem Bodenpersonal.") Bissiger Spott über organisierte Religion und Atheismus sind nicht dasselbe. In diesem Missverständnis gleichen sich Dawkins und Kissler.
Das Buch Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten, aus dem das Zitat stammt, enthält eine deutliche Kritik an den dualistischen Philosophien, die laut Pirsing auf Platon und noch mehr Aristoteles zurückgehen.
Es ist genau dieses, von Augustinus noch erheblich verschärftes und schematisiertes, dualistische Denken, dass meiner Ansicht nach viele "neue Atheisten" und fast alle kirchliche Kritiker des "neuen Atheismus" auszeichnet. Nur in diesem Denken ist jemand, der sich vom christlich geprägten, "abendländischen" dualistischen Denken abgewandt und dem Zen Buddhismus zugewandt hat, automatisch Buddhist, und der Buddhismus ist, da er die Existenz eines ewigen, allmächtigen und personalen Gottes bezweifelt, eben atheistisch.
Ich vermute aber, dass Dr. Kisslers auf mich streckenweise in seiner Schwarz-Weiß-Logik absurd wirkender Vortrag für Menschen, die es gewohnt sind, alles in Gegensätzen zu sehen, völlig folgerichtig wirkt. Übrigens denkt Dawkins, ich vermute, weil er als Naturwissenschaftler schon berufsbedingt Zweifel an endgültigen und ewigen Wahrheiten hat, im Großen und Ganzen nicht dualistisch: "Der Gotteswahn" hat Grautöne.
Schon die Abgrenzung zwischen "altem" und "neuen" Atheismus ist meiner Ansicht nach völlig willkürlich. Denn militante Atheisten gab es schon lange vor Dawkins et al., und worin die besondere Militanz zum Beispiel der Girdano-Bruno-Stiftung liegen soll, müsste man mir erst einmal erklären.
Vergleiche ich die tatsächliche Militanz fanatischer Moslems, fanatischer Christen und fanatischer Atheisten miteinander, dann ergibt sich ein Bild, das ziemlich genau dieser Karikatur entspricht:
Der gern gebrachte Hinweis auf die angeblichen Atheisten Hitler, Stalin und Mao stimmt nicht. Bei Hitler, der ständig von der "Vorrrsähungg" und dem "Härrrgottt" redete und ausdrücklich sagte, dass die Ausrottung der Juden ein gottgefälliges Werk sei, von vornherein nicht. Stalin und Mao waren zwar Athetisten, aber der Atheismus war nicht die treibende Kraft und nur ein Bestandteil unter vielen in ihrer völkermörderischen Ideologie. Tatsächlich haben Stalinismus und Maoismus stark religionsähnliche Züge.
Was "neu" ist - und von Dr. Kissler auch benannt wurde - ist das breite Medienecho, das die neuen Atheisten genießen. Das dürfte aber nicht allein an Autoren wie Dawkins, Hitchins oder Schmidt-Salomon liegen, sondern daran, dass militanter religiöser Fundamentalismus seit einigen Jahren an Bedeutung gewinnt.
Trotz allem gebe ich Dr. Kissler in einem Recht: beim "neuen Atheismus" steht nicht die Religionskritik im Mittelpunkt. Wenn es sie gibt, wirkt sie nur da schlüssig, wo es um konkrete Missstände, etwa in den Kirchen, geht. Ich vermute, weil viele neue Atheisten sich gar nicht vorstellen können, wie ein religiöser oder spritueller Mensch - das ist nicht dasselbe - eigentlich denkt. (Außer, dass einige von ihnen gläubigen Menschen einen massiven Dachschaden zuschreiben.)
Bei der Auseinandersetzung mit religiösen Fanatismus und dem Phänomen des Fundamentalismus ist Dawkins jedenfalls ebensowenig hilfreich oder erhellend wie z. B. Schmidt-Salomon.
Das Buch Heilige Einfalt von Olivier Roy könnte, wenn ich "Gregor Keuschnigs" ausführlichen Rezension folge, vielleicht genau die Religionskritik sein, die ich in der hektischen Auseinandersetzung mit dem religiösen Fanatismus so sehr vermisse.
MMarheinecke - Mittwoch, 25. August 2010