Donnerstag, 13. Mai 2010

Die deutschen Biedermänner und der brandstiftende Koch

Einen wichtigen und an sich richtigen Beitrag auf "Spon" Kochs Kriegserklärung an die Jugend ergänzt SvenScholz um eine entscheidende Feststellung:
Es ist nicht “die” Jugend, an die diese Kriegserklärung geht, sondern ein bestimmter Teil der Jugend: die Ausländer, die HartzIV-Verliererkinder, die Nichts-Haber-Kinder, die Arbeiterkinder, die Nicht-Akademiker-als-Eltern-habe-Kinder - Kurz alle, die den Blagen der eigenen immer kleiner werdenden aber nach wie vor über das Geld und die Mittel verfügenden Klientel “gutbürgerlich” auf dem immer kleiner werdenden Arbeitsmarkt gut bezahlter Jobs in der Zukunft zur Konkurrenz würden, ließe man ihnen eine Chance auf gute Bildung und Entwicklung.

Es geht einer (Möchtegern-)Elite ausschließlich darum: dem eigenen Nachwuchs Konkurrenz vom Hals halten.
An "Die Jugend"? Nein: An eine "ganz bestimmte Jugend"

Sven zieht ein bitteres Fazit, dem ich nicht widersprechen kann:
Und genau deshalb ist Koch letztlich nur der der die Forderungen ausspricht - es besteht schon längst Einigkeit diese Form des Klassenkampfes von oben nach unten durchzuführen. Genau genommen stecken wir schon seit Jahren mitten drin. Vielleicht sogar schon so lange, dass man sagen muss, dass die sogenannten “bildungsfernen” - besser wäre “von der Bildung entfernten” - Schichten den Kampf schon lange verloren haben.
Wie konnte, obwohl die Anhänger eines "neuen" "Konservativismus" wie die Propagandisten eines radikalen Kapitalismus ohne Bremsen ("Neoliberale") aus ihren Plänen der "Elitenbildung" nie ein Hehl machten, das an der "öffentlichen Meinung" vorbeigehen? Im Gegenteil, die Vertreter von Lobbybuden wie der "Initivative" "neue" "soziale" Marktwirtschaft sprachen und sprechen genau so wie ihre Fans unter den politischen Entscheidern in zahlreichen Talkshows und Leitartikeln aus, was sie wollen, nur schwach durch wohlklingende Hohl-Phrasen getarnt.

Vielleicht gibt ein über 50 Jahre altes "Lehrstück ohne Lehre" eine mögliche Antwort:
"Scherz ist die drittbeste Tarnung. Die zweitbeste: Sentimentalität. Aber die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Die glaubt niemand."
Max Frisch: Biedermann und die Brandstifter

Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Und darum wird, was nicht ins Bild passt, verdrängt.

Ergänzung:
Der wesentliche Denkfehler der "Verschwörungstheoretiker" ist, dass es da eine verborgenen Gruppe von Drahtzieher gäbe, die finstere Ziele verfolgen. Was stimmt: das Weltfinanzsystem hängt im modernen Kapitalismus von einer verhältnismäßig kleinen, mächtigen Gruppe ab, gegen die die "politischen Entscheider" (nicht jeder Politiker ist Entscheider, und nicht jeder Entscheider hat ein politisches Amt) nichts zu tun wagen. Aber das geschieht weitgehend öffentlich.

Im Heft 4/2010 der bild der wissenschaft gab Klaus Wiegant, ehemaliger Vorstandssprecher des Großkonzerns Metro AG und nach seinem "Ausstieg" Gründer der Stiftung Forum für Verantwortung, ein aufschlussreiches Interview. Darin heißt es zur andauernden Finanzkrise:
(...) [Frage:] Öffentliches Geld hat das System genug verschlugen.
Um das Wirtschaftssystem vor dem Zusammenbruch zu schützen, wurden wir alle zur Kasse gebeten. Die Verluste wurden sozialisiert. Dabei gibt es Riesengewinner im Weltspielcasino. Doch von ihnen spricht niemand.
Wer gehört denn beispielsweise zu den Gewinnern?
Die Eliteuniversitäten der USA: Harvard, Yale, Stanford. 2003 verfügte Harvard über 18 Milliarden Dollar Stiftungskapital. Ende 2007 war das auf 38 Milliarden gestiegen. Die Universität hat also bei der Anlage ihres Stiftungskapitals in diesem kurzen Zeitraum ihre Mittel mehr als verdoppelt und rund 18 Prozent Jahresrendite gemacht. Das geht nur, wenn man in diesem Weltspielcasino mitzockt. Übrigens betrug das Stiftungskapital von Harvard selbst Mitte 2009 noch 26 Milliarden Dollar.
"Eliteunis" sind nicht auf öffentliche Mittel angewiesen (noch nicht einmal auf Studiengebühren, weshalb z. B. Harvard auch relativ großzügig talentierte Studenten aus nicht privilegiertem Haus fördern kann - wohl gemerkt: handverlesene Studenten), sie kratzt deshalb die Einschränkung des öffentlichen Bildungswesen nicht - was übrigens auch auf Elite-Privatschulen zutrifft.
Da die künftigen "Entscheider" aus diesen Bildungseinrichtungen hervorgehen - tatsächlich ist ein Abschluss dort die "Eintrittskarte" zur "Funktionselite" - stabilisiert sich das System selbst. Es wird umso stabiler, je enger das Bildungsoligopol der Eliteunis wird. Also ist es, aus der Perspektive eines Politikers, dessen "Hausmacht" sich auf seine guten Beziehungen zur wirtschaftlich Starken stützt, "sinnvoll", die öffentlichen Unis und Schulen "auszuhungern".

Ergänzung 17. Mai:
Auch Frank Schirrmacher hat erkannt, was Koch da macht:
Er ist ein Meister der Zielgruppendemokratie, und er hat ein Gespür für Mehrheitsmeinungen, die sich so lange nicht trauen, Meinung zu sein, ehe einer nicht den Aufreger spielt.
Allerdings vermutet Schirrmacher, dass die "Zielgruppe" die älteren Wähler seien, die "ihre" Ausbildung und die ihrer Kinder längst hinter sich hätten.

Angriff auf die Zukunft - Roland Kochs Wette

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Geheimauftrag MARIA STUART...
Krisenfall Meuterei Der dritte Roman der Reihe "Geheimauftrag...
MMarheinecke - 9. Apr, 19:42
Urlaubs-... Bräune
Das "Coppertone Girl", Symbol der Sonnenkosmetik-Marke...
MMarheinecke - 1. Aug, 08:34
Geheimauftrag MARIA STUART...
Ahoi, gerade frisch mit dem Postschiff eingetoffen. Der...
MMarheinecke - 26. Mär, 06:48
Kleine Korrektur. Man...
Kleine Korrektur. Man kann/sollte versuchen die Brille...
creezy - 11. Nov, 11:29
strukturell antisemitisch
Inhaltlich stimme ich Deinem Text zwar zu, aber den...
dummerle - 5. Jun, 11:12

Suche

 

Status

Online seit 6725 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Credits


doof-aber-gut
Gedankenfutter
Geschichte
Geschichte der Technik
Hartz IV
Kulturelles
Medien, Lobby & PR
Medizin
Persönliches
Politisches
Religion, Magie, Mythen
Überwachungsgesellschaft
Umwelt
Wirtschaft
Wissenschaft & Technik
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren