Mittwoch, 17. Februar 2010

Murphys Gesetz und olympische Schadenfreude

Als kleiner Kontrast, und damit das Abendessen wieder schmeckt, ein eher harmloser Fall von "Murphys Gesetz":
Überall hervorragende Pistenbedingungen (t-online vom 17.02.2010).
In den USA meldeten am Valentinstag 50 Staaten Schnee auf ihrem Terrain – eine solche Schneedecke gab es dort zuletzt 1977. Auch Europa kann sich nicht über zu wenig Schnee beklagen. In den meisten Skigebieten der Alpen sind die Bedingungen hervorragend. Sogar im südlichsten Skigebiet Europas, der Sierra Nevada an der spanischen Mittelmeerküste, wurde eine Schneehöhe von vier Metern gemeldet.
Es gibt aber ein Wintersportgebiet, in dem frühlingshafte Temperaturen herrschen, und wo es in niedrigeren Lagen regnet - richtig: Vancouver. Was den Organisatoren der Olympischen Winterspiele einiges Kopfzerbrechen und mir klammheimliche Freude bereitet.
Wieso ich mich ob dieser für Wintersportfans ungünstigen Nachrichten klammheimlich freue, obwohl ich mich durchaus für Wintersport interessiere, wird vielleicht klar, wenn man einen längeren Blick in dieses sehr empfehlenswerte Blog wirft: Annett Vancouver. Darin berichtet eine junge deutsche Autorin und Journalistin über ihr Leben in der westkanadischen Metropole. Und man erfährt interessante Dinge, die es nicht bis in die internationalen Medien schaffen.
Eine kleine Kostprobe:
Montag, 15. Februar 2010 Ich chatte mit einem Bekannten aus Deutschland. Er schaut zeitgleich die Originalübertragung der Wettkämpfe der Snowboarder im deutschen Fernsehen an. Ich überlege einen kurzen Moment, ihm zu erzählen, dass allein dafür, dass der KUNSTSCHNEE im Fernsehen so schön echt aussieht, eine Menge Geld ausgegeben wurde: Man hat ihn für unglaubliche 10 Mio Dollar BLAU färben lassen. Und wie viel hat der Transport bzw. die Erzeugung gekostet? Der Berg Cypress ist seit Mitte Januar wegen Schneemangels gesperrt – der Regen hat vor Wochen schon alles weggewaschen, jetzt sind locker 7 Grad plus und die Osterglocken blühen. Er will, glaub ich, davon nichts hören, sondern guckt nur auf die Loopings der Jungs. Der Chat wird recht schweigsam für eine Weile.
Währenddessen laufen vor dem Fenster der Bibliothek wieder Demonstranten vorbei. Eine weitere Anti-Olympics-Demonstration.
Aber davon wird im Fernsehen sicher nichts berichtet werden …
Oder:
Samstag, 13. Februar Ich wache auf, weil über der Stadt Kampfhubschrauber kreisen. Dazu immer wieder, wie auch in den letzten Tagen, Kampfflugzeuge.
Zu wissen, dass für die Sicherheitsvorkehrungen während der Olympischen Spiele über 100 Mio Dollar ausgegeben werden, verdirbt mir die Laune. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Kulturfonds für die nächsten Jahre um 90 % gekürzt werden, Schulgelder etc. ebenfalls gestrichen. Für diese Spiele wird das Land bitter bezahlen.

Im Fernsehen wird über die ersten Ausschreitungen berichtet. Ich erkenne die Reggaemusiker von der Granvillestreet wieder (und gucke neugierig, ob ich auch auf den Fernsehbildern zu sehen bin). Offensichtlich gehörten sie doch zu den Protestanten. (Hey Jungs, schaut euch mal Kreuzberger Randale an!). Außerdem scheinen ein paar Scheiben bei einem der großen Souvenirläden (Hudson Bay, eine große Kaufhauskette) eingeschlagen worden zu sein. Dafür all die Aufregung?

Mein buddhistischer Freund erzählt mir, dass er zwar auch gegen die Spiele ist und die Protestierenden verstehen kann, aber man darf keinen Groll im Herzen hegen. Man soll gütig und nachsichtig sein … sagt Buddha.
Ich versuche, zu verstehen.
Natürlich ist das sehr subjektiv, und ob es immer den Tatsachen entspricht, kann ich nicht nachprüfen. Es ist aber ein netter - und dabei auch noch gut zu lesender - Kontrast zu der Olympia-Jubel-Berichterstattung; zu einer künstlich befeuerte Euphorie, die weder durch einen tödlichen Unfall noch durch zahlreiche Doping-Skandale gebremst wird.

Bestätigung von Murphys Law - unser Präsi & das Zensursula-Gesetz

"Wenn etwas schief gehen kann, geht es auch schief."
"Murphys Law" ist, dem Ursprung nach, weder ein "Naturgesetz", noch Ausdruck eines tiefen Pessimismus. Es stammt aus dem Denken der Luftfahringenieure, Menschen, für die "Safty First"" aus gutem Grund oberstes Gebot ist (oder jedenfalls sein sollte). Eine pragmatische Erfahrungsregel: "Blindes Vertrauen ist gefährlich".

Dieses Gesetz" ist zumindest in der Politik und zumindest in Deutschland eine zuverlässige Faustregel: man kann sich darauf verlassen, dass unsinnige, bürgerrechtsfeindliche und handwerkliche Gesetze, die wirklich niemand vernüftigerweise wollen will, auch in Kraft gesetzt werden. Diese Gesetze scheitern dann regelmäßig vor dem Verfassungsgericht, was aber nur ein schwacher Trost sein sollte - denn sie werden dann so nachgebessert, dass sie gerade eben noch verfassungsgemäß sind.

Daher kam mir bei dieser Nachricht heute Nachmittag der Kaffee hoch: (Heise) "Bundespräsident unterzeichnet Websperren-Gesetz".
Es wurde wohl es nicht zufällig heute unterzeichnet, denn am "poltischen Aschermittwoch" sind die politisch Interessierten abgelenkt, so dass es möglichst wenige Leute mitbekommen. Das ist der Teil des Ärgernisses, der geplant sein dürfte. Der Rest ist pures Chaos.
Warum hat Köhler das Gesetz unterzeichnet? Er darf die Unterschrift verweigern, wenn das Gesetz dem Grundgesetz nicht entspricht - oder wenn es formal nicht korrekt zu Stande gekommen ist. Tatsächlich hat er von dieser Möglichkeit schon einige Male Gebrauch gemacht.
Hat die Prüfung aber ergeben, dass das Gesetz verfassungsgemäß ist, hat der Bundespräsident es zu unterschreiben. Anderseits war bisher das Gesetz verfassungsrechtlich durchaus umstritten. Tatsächlich hat Köhler ein Gesetz unterzeichnet, das - angeblich - keiner wollte und das bestimmt keiner mehr braucht. Das Gesetz zwingt, wenn es dann entgegen dem Versprechen (den mehr ist es nicht, und es ist meiner Ansicht nach im Ernstfall nichts Wert) doch angewendet werden sollte, die Provider, eine Zensurinfrastruktur aufzubauen. Wobei es sehr fraglich ist, ob das Zensurgesetz überhaupt technisch umsetzbar.

Die einzig sinnvolle Konsequenz aus der
AK Zensur fordert sofortige Aufhebung des Internet-Sperr-Gesetzes und kündigt Verfassungsbeschwerde an.

Darüber sollte eine andere, noch größere Gefahr, über die viel zu wenig diskutiert wird, nicht übersehen werden: Jugendmedienschutz: Internetfilter durch die Hintertür? (netzpolitik)

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