Mittwoch, 16. Dezember 2009

Auf vielfachen Wunsch - ein Auszug aus "Brüder der Küste"

Hier ein Auszug - die ersten Seiten des ersten Kapitels - aus meinem ersten NaNoWriMo-Roman. Ist auch ein netter Kontrast zum feuchtkalten norddeutschen Dezember ...

(...)
1. Flibustiere an der Windward-Passage
„Ja, ich habe den Brüdern der Küste Lebewohl gesagt, damals auf Tortuga.“
In einer schattigen Gemeinschaftshütte eines namenlosen Fischerdorfes an der Port Royal Habour genannte Bucht saßen um einen Mann, der einfach nur Jan genannt werden wollte, ein Dutzend dunkelbrauner Menschen unterschiedlichsten Alters. Sie hörten ihm gespannt zu. Seine einfache Kleidung unterschied sich nicht von der der Dorfbewohner, aber trotz seiner von Wetter und tropischer Sonne tief braun gegerbten Haut sah man ihm den Nordeuropäer deutlich an.
Es war zu heiß für alle Arbeiten, die schwerer als Netzeflicken waren, und die Bewohner des Fischerdorfes wussten, dass Jan ein guter Erzähler war. Heute berichtete er aus seiner Zeit bei den Flibustiers oder Bukaniers von Tortuga.

„Ich war, wie ihr ja wisst, damals Wundarzt auf einem Flibustier-Schiff. Ihr wisst auch, dass ich es nicht ungern war. Bis ich dann auf einen Schlag fast alle meine Kameraden verlor.“
Er setzte sich bequem zurecht. Eine bleiche Sonne schien von einem Himmel wie aus geschmolzenem Blei, die Luft war schwül und heiß. Die Seitenwände waren zum Teil niedergelegt, so dass ein wenig kühlender Wind die große Hütte durchstreichen konnte.
„Seid ihr damals von einem Kriegsschiff erwischt worden?“ wollte ein schlanker, junger Mann wissen und sah von dem Netz, das er gerade Masche für Masche auf Schäden kontrollierte, auf.
„Nein, Pedro. Es war eine ganz dumme Sache.“ Jan trank einen Schluck kühlen Wassers aus einen Tonkrug.
„Es ist jetzt ziemlich genau sechs Jahre her,“ berichtete er, „aber es steht mir vor Augen, als ob es erst gestern passiert wäre. Damals gehörte ich zu Michelons Mannschaft. Er war ein feiner Kerl, auf seine Art, auch wenn er ziemlich grob werden konnte, wenn er voll war. Es gibt natürlich Menschen, die das anders sahen, was ich ihnen nicht verdenken kann. Immerhin, er war kein brutaler Mörder, wie L‘Olonais. Wir waren kleine Fische unter den Flibustiers, gerade mal 16 Mann, und fuhren auf einer kleinen, alten, wurmstichigen spanischen Tartane namens ‚Bonito‘. Außerdem hatten wir eine verdammt schnelle Walfangschaluppe.
An diesem Tag lagen in einer winzige Bucht im Westen von Hispaniola auf der Lauer. Es war Vormittag und nur ich und der junge Lars waren auf den Beinen. Am Vorabend war es wieder mal so spät geworden, dass es wieder früh war. Ich und der Junge hatten uns beim Trinken zurückgehalten und übernahmen die Morgenwachen. Der Junge ganz oben im Großtop – er war absolut schwindelfrei und kletterte leidenschaftlich gern in der Takelage herum - ich auf Deck, wobei ich auch die Ankerwache übernahm.
Ich spähte also ziemlich übernächtigt auf die tiefblaue See der Windward-Passage. Fast wäre ich eingenickt, hätte Lars nicht gerufen: ‚Beute, Beute!‘
Ich schnappte mir ein Fernrohr und blickte in die Richtung, in die der Junge wies. Ich sah nichts – war auch kein Wunder, die 40 Fuß Höhe über Deck machen schon was aus, und Lars hatte phantastisch gute Augen. Es dauerte also eine Weile, bis auch ich den winzigen weißen Fleck, nicht größer als ein Staubkorn, an der glitzernden Kimm entdeckte. Ein Segel!
Unter Deck war noch alles ruhig, bis auf das Schnarchen der Männer. Die meisten der Männer schliefen wohl noch.
‚Mal wieder typisch‘, dachte ich mir, ‚abends saufen bis zum Umfallen, und sich morgens die fetten Brocken entgehen lassen.‘ Ein Schiff auf diesem Kurs, in dieser Ecke der Windward-Passage konnte eigentlich nur ein Spanier sein.
‚Kannst du erkennen, ob es ein gut bewaffnetes Schiff ist?‘ - Einzelfahrer haben meistens ungesund viele Geschütze an Bord.
‚Nein‘ rief er von oben. ‚Kein Kriegsschiff, kein großer Kauffahrer. Aber leider auch keine keine ganz so fette Beute. Sieht mir nach einem kleinen Schnellsegler aus. Sehr moderne Takelage – Brigantinentakelung niederländischer Art. Könnte ein Flame sein.‘
Nicht unwahrscheinlich, denn die besten Schiffe der spanischen Flotte kommen aus den spanischen Niederlanden, also Flandern. Ich hielt es für einen kleinen spanischen Kauffahrteifahrer auf Westkurs, Richtung Kuba oder vielleicht auch Neu-Spanien. Es könnte natürlich auch ein kleines Kriegsschiff auf Patrouille sein, aber das war unwahrscheinlich, denn deren Besatzungen machten sich ihren Dienst gern leicht und mieden möglichst unsere Schlupfwinkel.
Unter Deck rührte sich immer noch nichts. Noch einmal rief Lars mit äußerster Lungenkraft: ‚Beute, Beute!‘. Ich turnte runter, um die Kerle auszupurren.”
Jan nahm noch einen tiefen Schluck und fuhr in seinem Bericht fort: „Endlich hatte ich Michelon und die anderen halbwegs wach. Ich erzählte kurz, was ich und Lars gesehen hatten und riet: ‚Ich denke, ein Angriff könnte sich lohnen.‘
‚Bei solchen Entscheidungen verlasse ich mich nicht auf den Knochenflicker. Was du denkst, ist mir ziemlich egal!‘ murmelte Michelon. Er war noch nicht so richtig munter.
Unserem Quartiermeister, Dänen-Anders, hatte die Aussicht auf Beute aber schon die Augen weit geöffnet. ‚Du, Mik, der Friesendoc hat recht!‘
Auf Anders hörte Michelon, nun wachte er richtig auf und änderte sofort seine Meinung: ‚Gut. Weckt die Leute auf! Macht die Schaluppe klar zum Angriff!‘
Nun ging auf einmal alles ganz schnell - selbst bei der Royal Navy hätte es nicht flotter gehen können. Jeder wusste, was zu tun war, jeder von uns kannte seinen Platz. Als Chirurgus blieb ich auf unseren alten ‚Bonito‘ zurück und bereitete schon mal den Operationstisch vor. René, ein Hüne aus der Bretagne, übernahm die Deckswache. Leider hatte er einen Verstand, der so kurz war, wie seine Beine lang waren. Deshalb ließ Michelon ihn bei komplizierten Einsätzen gerne an Bord zurück. René störte das nicht. Ihn störte eigentlich nie etwas.
Ich betete wie jedes Mal, dass es ohne schwer Verletzte oder sogar Tote abgehen würde. Diese Gebete wurden meistens nicht erhört.
Die alte ‚Bonito‘ blieb vor Anker in der Bucht zurück. Die Schaluppe, ein schnittiges offenes Boot, mit 14 Mann, allen außer mir und René, verließ die kleine Bucht und ging hinter einer felsigen Landzunge in Deckung.
‚Flauer Wind ist gut für uns! Der Segler kommt kaum vom Fleck‘, versuchte ich René die Situation zu erklären. Wegen der vielen kleinen Inseln mit ihren Korallenriffen weiter draußen und der englischen Kriegsschiffen noch weiter draußen segelten die spanischen Schiffe hier meistens dicht unter der Küste. Da war kaum Raum zum Kreuzen; bei ungünstigem Wind mussten die Segler oft lange Zeit warten und waren den Angriffen von uns Bukaniers hilflos ausgeliefert. Michelon konnte zwar kaum lesen und schreiben und verstand nichts von astronomischer Navigation – die machte meistens ich – aber er hatte ein Naturtalent darin, die örtlichen Besonderheiten taktisch geschickt auszunutzen.“
Der Wind war eingeschlafen. Die Schwüle wurde immer drückender Der Schweiß lief in Strömen und seine Zuhörer wurden immer träger und schläfriger. Befriedigt stellte Jan fest, dass trotzdem keiner der um ihn Herumsitzenden eingenickt war.
„Ja, Michelon hatten wir nicht von ungefähr zum Kapitän gewählt. Unser kriegerisches Handwerk - denn wir waren Kämpfer gegen die spanische Tyrannei, für unsere Freiheit, auch wenn wir natürlich gegen fetten Prisen nichts hatten - lohnte sich hier an der Küste der großen Insel Hispaniola. Mit Tortuga hatten wir einen sicheren Hafen in bequemer Reichweite. Natürlich mussten wir immer damit rechnen, dass uns ein Patrouillenschiff der spanischen Flotte zu einem langen Hals verhelfen könnte, denn unsere Kaperbriefe war in solchen Situationen nicht das Papier wert, auf dem sie ausgestellt waren. Aber die meisten der schlecht bezahlten spanischen Leutnants, die die kleinen Schiffe kommandierten, waren gegen eine kleine Aufmerksamkeit nicht abgeneigt und hatten lieber einige schöne, goldene Dublonen in der Hand als einige Piraten im fernen Cádiz am Galgen. Mehr Sorgen machten wir uns um gut bewaffnete Konvoischiffe. Die dicken Geleitschiffe konnten uns mit ein paar gut gezielten Kanonenschüssen in den Grund bohren – was ihre Kapitäne auch viel lieber machten, als Freibeuter mühsam gefangen nehmen zu lassen.
Die am Ende der Regenzeit und vor der Hurrikan-Saison unzuverlässigen Winde sind günstig für Kaperer. Deshalb hatten wir auch die für einen Walfänger in Dänemark gebaute Schaluppe vom alten Ed Mansfeld abgekauft. Das offene Langboot segelte mit seinem Lugger-Rigg nur mittelmäßig, aber unter Riemen war es blitzschnell.
Es wurde immer stiller. Jetzt regte sich kaum noch ein Lüftchen mehr. Ich beobachtete mit dem Fernrohr, wie die Schaluppe in ihrer Deckung lag. Da die ‚Bonito‘ ohne Segel da lag und es kaum ein weniger kriegerisch aussehendes Schiff gab, machte es nicht viel, dass sie gesehen werden konnte. Außerdem führten wir die spanische Flagge.
(...)

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