Samstag, 24. Oktober 2009

NaNoWriMo - in einer Woche wird's ernst

Noch eine Woche bis zum 1. November.
Dann werde ich den ersten Satz meines NaNoWriMo-Projektes (aus dem hoffentlich ein Roman wird) mit dem Arbeitstitel "Brüder der Küste" niederschreiben.

Mit einem wichtigen Teil der Vorbereitung, nämlich den der Recherche der Fakten und Hintergründe, bin ich, soweit ich es überblicken kann, fertig. Übrigens blieben die Recherchen nicht ohne Auswirkungen auf den Plot. Ein Beispiel: ursprünglich hatte ich angenommen, dass das größere der beiden Kaperschiffe, eine Pinas niederländischer Bauart, ca. 280 Tonnen, ca. 30 m Rumpflänge, ruhig mit 9-Pfünder-Kanonen, d. h. mit Kanonen, die eine eiserne Vollkugel von 9 Pfund engl. (4,1 kg) verschießen können, bewaffnet sein könne.
Die Recherchen ergaben, dass so ein Schiff historisch glaubwürdig allenfalls 6-Pfünder getragen haben könnte. Das hat erhebliche Auswirkungen darauf, wie die Taktik der Seegefechte beschrieben werden muss. Überhaupt: Ich habe die beiden "Hauptschiffe" meines Projektes, die "Schwalbe" und die "Aphrodite" so gründlich durchdacht wie den Hauptcharakter, auch wenn ich garantiert nicht alle Details verwenden werde. Von der ausgearbeiteten Biographie des sich "Jan Ackermann" (ein falscher Name, soviel sei verraten) nennenden Protagonisten, wird bestimmt auch nur ein Teil ins fertige Werk einfließen. Ebenso wenig wie von seinem "Psychogramm". Aber so weiß ich genau, wie er in einer bestimmten Situation reagiert. Genau so ist das bei den Schiffen - ich weiß z. B., dass sich der über 1,80 m lange Smut den Kopf am Decksbalken stoßen wird, wenn er beim Verlassen seiner Kombüse nicht aufpasst, oder wie gut die "Schwalbe" einen Hurrican abreiten kann, oder dass die "Aphrodite" ein gutes, seetüchtiges Schiff ist, aber dazu neigt, ein bisschen leegierig zu sein, oder, dass die "Aphrodite" nicht den Hauch einer Chance hätte, einem niederländischen 52-Kanonen Konvojschiff zu entkommen (der Konvojer hat nämlich weitreichende 24-Pfünder und ist schneller), hingegen die noch schwächer bewaffnete und langsamere "Schwalbe" unter Umständen schon (weil sie höher an den Wind gehen kann und dank ihres geringen Tiefgangs über Untiefen hinwegsegeln kann, die für den Konvojer unpassierbar sind). Ich könnte die Schiffe jederzeit malen - und werde das auch bestimmt tun. (Wahrscheinlich im Dezember.)

Notizen über die sozialen, politische und geographischen Verhältnisse in der Karibik des Jahres 1672 und über den "Holländischen Krieg" (ein brutaler Raubkrieg des Frankreichs Louis XIV. gegen die Niederlande) liegen bereit, und ich weiß auch, wo ich weitere Fakten nachschlagen kann, wenn ich sie brauche. (Und noch ein Klischee fällt - von wegen "Zeitalter der Kabinettskriege", bei denen "nur" Söldner starben!) In der Karibik herrschte im 17. Jahrhundert praktisch ständig Krieg, mit wechselnden Koalitionen.
Sklaverei war übrigens selbstverständlich.
Natürlich habe ich mich über die Bukaniere / Flibustiere / Freibeuter der damaligen Zeit gründlich schlau gemacht. Alexandre Olivier Exquemelins "The Buccaneers of America" aus dem Jahr 1684 ist dafür meine Hauptquelle. Übrigens ist mein Hauptprotagonist (nicht "Held", dazu ist er nicht "edel" genug - manchmal ist "Jan Ackermann" ein ganz schönes Ekel und ausgesprochen rücksichtslos) wie Exquemelin (oder wie Rafael Sabatinis fiktiver, aber nahe an den Tatsachen angelehnter "Captain Blood") Wundarzt. Die damaligen Methoden der Wundbehandlung sind - nun ja, interessant. "Knochensäger-Jan" ist zwar ein erfahrener Praktiker, der locker den meisten studierten Ärzten seiner Zeit fachlich überlegen ist - aber er ist kein "Medicus" mit seine Epoche überragenden medizinischen Kenntnissen. Ich gestehe ihm aber zu, dass er weiß, welche Lebensmittel gegen Skorbut helfen - das wussten damals überraschend viele. (Sauerkraut war z. B. die "Geheimwaffe" der Niederländer, die auch deshalb mit viel kleineren Mannschaften auskamen, als etwa die Engländer.)

Die Handlung ist im Groben ausgearbeitet, im Groben deshalb, weil zu detaillierte Plots den Fluss der Phantasie eher hemmen (spreche da aus Erfahrung). Ich weiß, worauf es hinausläuft, aber die dazwischen liegenden Schritte kenne ich noch nicht.
Jemand, der es wissen musste, nämlich der Kriminalschriftsteller Raymond Chandler, meinte, dass die Fähigkeit, improvisierte Szenen plausibel wirken zu lassen, die Grundlage des raschen Schreibens sei. (Und Chandler hatte nach eigenen, glaubwürdigen, Angaben, manchmal 5000 Worte auf einen Sitz geschrieben.) Außerdem war er fest davon überzeugt, dass einem Schreiber in dem Augenblick, in dem er anfängt über Technik zu reden, totsicher die Einfälle ausgegangen wären, und meinte, dass diejenigen, die am meisten vom Schreiben verstünden, diejenigen seien, die nicht schreiben könnten.

Allerdings hätte Chandler Jack London, der riet, nicht auf die Inspiration zur warten, sondern mit der Keule hinterher zu jagen, wahrscheinlich nicht zugestimmt. Er schrieb:
Ich bekomme dauernd Aufsätze zu Gesicht, in denen Schriftsteller sich darüber auslassen, dass sie grundsätzlich nie auf Inspiration warten; sie setzen sich einfach jeden Morgen um acht an ihren kleinen Schreibtisch, ob’s regnet oder ob die Sonne scheint, ob sie einen Kater haben oder einen gebrochenen Arm oder was weiß ich sonst, und knallen ihr bisschen Pensum hin. Wie leer ihr Kopf auch sein mag und wie öde alles, was ihnen durch die Gedanken trudelt, mit solchen Quatsch wie Inspiration haben sie nichts im Sinn. Ich entbiete ihnen meine Bewunderung und gehe ihren Büchern sorgfältig aus dem Weg.
Auch wenn es beim NaNoWriMo auf Quantität, nicht Qualität, ankommt - ganz ohne Einfälle geht es nun mal nicht. Auch Jack London, ein extrem einfallsreicher, aber auch sehr sachkundiger Autor, schrieb nicht ohne Inspiration. Und auch Chandler wartete nicht einfach ab, bis eine Muse sich bequemte, ihn zu küssen.

Ich gehöre zu den Menschen, die in einen kreativen "Flow" geraten können, einen Schaffensrausch. Wenn mir das im November ein paar mal gelingt, schaffe ich die 50000 Wörter locker. Ohne "Flow", aber mit "täglichem Pensum", ist es eher fraglich.

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