Donnerstag, 14. Mai 2009

Gefährlich Überschätzung: Homöopathie gegen "Schweinegrippe"

Unter der banalen Überschrift der Pressemitteilung verbirgt sich m. E. ungeheuerliches: Homöopathische Ärzte behandeln H1N1-Erkrankte.
Es wäre auch schlimm, wenn in Homöopathie ausgebildete Ärzte Grippekranke nicht behandeln würden. Im Ernst: ich bestreite nicht, dass es Mittel im homöopathische Arzneischatz gibt, die, zusätzlich zu einer konventionellen Behandlung gegeben, bei einer Grippe hilfreich sein könnten. Aber darum geht es ja nicht.

Mich stört ganz gewaltig, dass in dieser Pressemeldung Curt Kösters, Vorsitzender des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ), seine Behauptung, diese Infektionskrankheit ließe sich sehr gut homöopathisch behandeln (ausschließlich homöopthisch behandeln, wenn ich ihn richtig verstehe), mit einem Beispiel aus der Zeit der Pandemie der "Spanischen Grippe" von 1918 belegt.
Nicht nur, dass es noch keine Grippeschutzimpfung gab. Eine Impfung gegen die "Schweinegrippe" ist immerhin in Sicht, so dass mit einer Pandemie von dem Ausmaßen der "Spanische Grippe" nicht zu rechnen ist. Außerdem bieten herkömmliche Impfungen gegen H1N1-Viren wahrscheinlich über Kreuzimmunität einen gewissen Schutz.
Von wirksamen virustatische Medikamenten, wie Oseltamivir (Handelname u. A. Tamiflu) oder Zanmirvir (Handelsname u. A. Relenza) konnten damalige Ärzte nicht einmal träumen. Das einzige, was ein Arzt damals machen konnte, war eine symptomatische Therapie. Und auch deren Möglichkeiten, Komplikationen wie etwa eine Lungenentzündung zu verhindern, waren in der Zeit vor den Antibiotika verglichen mit heute bescheiden.

Dr. H. W. Sjögren hatte damals laut Dr. Cösters 805 Fälle von Grippe dokumentiert, die er homöopathisch behandelte, "da die Sterblichkeit bei allopathischer Behandlung abschreckend wirkte." (Allopathisch wäre bei Grippe etwa die Gabe eines fiebersenkenden Mittels - was außer bei lebensgefährlich hohem Fiber bei der Virusgrippe tatsächlich unangebracht ist, damals aber gängige Praxis war.) Dr. Sjögren verzichte offensichtlich auf die im Grunde hilflosen, manchmal sogar schädlichen, Therapieversuche anderer Ärzte - und machte damit gute Erfahrungen.

Aus heutiger Sicht würde aber eine rein homöopathische Behandlung einer schweren Virusgrippe bedeuten, dass dem Patienten eine in den meisten Fällen wirksame Behandlung mit "konventionellen" Medikamenten vorenthalten wird. Ich hoffe sehr, dass die in Homöopathie ausgebildeten Ärzte die Möglichkeiten dieser Methode nicht so überschätzen, wie dies offensichtlich der Vorsitzende des DZVhÄ tut.

Um es ganz deutlich zu sagen: mit dieser Pressemitteilung wirb der DZVhÄ leichtfertig mit Heilungsversprechen, die aus wissenschaftlicher Sicht nicht haltbar sind!

Warum ich lieber blogge als für die Lokalpresse zu schreiben

Neulich wurde ich von einem Leser meines Blogs gefragt, warum ich denn nicht auch mal was für die Zeitung schreiben würde. Ich schriebe doch so gut.
Nun, wer sich einigermaßen mit Journalismus beschäftigt hat, der weiß, dass meine Schreibe hier nicht professionellen Maßstäben entspricht. Davon abgesehen: ich weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, "mal was für die Zeitung" zu schreiben: Viel Ärger, wenig Geld.

Es ist schon einige Jahre her, da bezog ich Arbeitslosenhilfe und verdiente als "freier Mitarbeiter" für Zeitungen und ab und an Zeitschriften ein paar Mark nebenher. Was ich auch brav als "Nebenverdienst" angab.
Das handelte mir Ärger mit dem Arbeitsamt ein. Ich geriet in den Verdacht, das Arbeitsamt zu beschummeln. Eine Sachbearbeiterin bei der Zahlungsabteilung hielt die von mir angegebenen Honorare für zu niedrig, um plausibel zu sein.

Ich habe nie erfahren, was die Sachbearbeiterin unter "plausiblen" Honoraren verstand. Ich vermute, sie ging von den Honorarvereinbarungen etwa des Deutschen Journalisten-Verbandes aus. Diese Honorare sind zwar auch nicht üppig (alter Kalauer: "Honorar" käme von "rar"), lagen aber deutlich über dem, was ich mit meiner Schreiberei verdiente.

Nun ist es nichts Neues, dass die Artikel in Lokalblättern vor allem von Studenten, Hausfrauen, Rentnern, Arbeitslosen (wie mir) oder anderen nicht-hauptberuflichen Journalisten geschrieben werden. Daraus, aus Pressemitteilungen der Vereine und der örtlichen Unternehmen sowie aus Agenturmeldungen besteht fast der ganze "redaktionelle Inhalt" einer typischen Lokalzeitung. Auch bei der "Yellow Press" (den "Klatschblättern") und bei vielen Spezialzeitschriften ist der Anteil von Nebenerwerbs-Journalisten traditionell groß.
Einige Lokalblätter zahlen Zeilenhonorare von nur 10 Cent pro Zeile. Das glaubt einem ein Branchenfremder nicht so ohne Weiteres. Nun gut, mag mancher denken, für Schreibe auf meinem Niveau ist das vielleicht angemessen. Es gibt aber auch einige hauptberufliche Journalisten, die solche Hungerlöhne erhalten. Oftmals parallel zu Arbeitslosengeld II.

Interessante Einblicke in die Honorarsituation der freien Lokal-Reporter und die Gründe dieser Misere geben zwei Artikel auf Meedia, einem Medien-Portal:
Honorare 2009: Leben mit 10 Cent pro Zeile
und
„Honorare sind unterirdisch niedrig“.
Letzter ist besonders interessant, weil der "Nordkurier"-Chefredakteurs Michael Seidel in einem offenen Brief diese sonst von den Verlagen eher verschleierte Tatsache offen anspricht.

Gestoßen bin ich auf diese Artikel übrigens durch einen Blogbeitrag Thomas Knüwers: Real existierender Bürgerjournalismus.

Warum ist das so?
Aus Sicht der kleinen Lokalblätter und auflagenschwachen Spezialzeitschriften sind die raren Honorare oft ein aus finanziellen Zwängen geborenes Übel: sie können oft nicht besser zahlen, selbst wenn sie es wollen.
Das ist sozusagen ein traditioneller Missstand. Ein anderer, neuerer Grund liegt meines Erachtens darin, dass, egal ob auf "totem Baum" oder Online, zwar sehr viel von "Qualitätsjournalismus" die Rede ist, aber in der Praxis möglichst preiswerter "Content", Seitenfüllstoff, gefragt ist. Entsprechend sehen dann auch die Honorarverhandlungen aus: im Zweifel schreibt die Praktikantin billiger. Und Pressemeldungen sind umsonst.

Ein Problem bei den von Gewerkschaften aushandelten Honorarsätzen liegt darin, dass ein echter "freier Journalist" für mehrere Auftraggeber arbeitet und deshalb niemals als "fester Freier" in Kategorie "arbeitnehmerähnlich" fällt. Für die meisten Nebenerwerbs-Journalisten ist das, was VerDi oder DJV aushandeln, ohnehin schlicht irrelevant. Und der gern von gewerkschaftlicher Seite gegebene Hinweis, freie Journalisten müssten eben auf die vereinbarten Honorarsätze pochen, ist in der Praxis nicht durchsetzbar.

Ein sehr wichtiger Grund dafür, warum Hungerhonorare auch außerhalb der Lokalpresse üblich geworden sind, ist: Der Markt für freie Journalisten - für Journalisten insgesamt - ist überbesetzt. Nachdem viele Verlage ihre Redaktionen drastisch verkleinert haben, schlagen sich viele professionelle Journalisten auf dem Markt der "Freien" durch.

Deshalb verzichte ich heutzutage darauf, für Lokalzeitungen zu schreiben.
Es lohnt sich nur dann, wenn man Idealist ist. Dieser Idealismus vergeht einem aber schnell, wenn man merkt, wie stark die Rücksichtnahme auf Anzeigenkunden, auf die örtlichen Politiker und auf "Lokalgrößen" in Behörden, Wirtschaft und Vereinswesen in Lokalredaktionen ist. Der einzige andere Grund für die Lokalpresse zu schreiben, wäre der, z. B. als Pressesprecher eines Unternehmens oder Vereins, "PR im Kleinen" zu betreiben.
Mir ist auch bewusst, dass ich als "Amateurjournalist" faktisch "Honorardrücker" für die "Profis" bin.

Um mich "selbst schreibend zu verwirklichen", ist ein Blog sowieso das geeignetere Medium. Denn zum "Modeberuf Journalist" oder dazu, unbedingt "irgendwas mit Medien" zu machen, hat es mich nie gedrängt. Auch meine Zeitungs- und Zeitschriftenartikel damals waren Nebenprodukte meiner Hobbys.

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