Samstag, 14. März 2009

"Auf den Spuren des Schema-Fs - ein Gruselkrimi"

In "Schreiben nach Schema F" erwähnte ich, dass MomoRulez richtig wütend wäre, irgendwann beim Stöbern in einer Buchhandlung bei so vielen Büchern immer wieder auf die gleiche Skizze zu treffen.

Ob tatsächlich 98% der Bücher nach den immergleichen Mustern geschrieben sind, wie MomoRulez vermutet, mag ich zwar nicht bestätigen, aber für abwegig halte ich diese Vermutung nicht. Ich habe nicht den Eindruck, dass die "98% Schema-F"-Formel auf alle innerhalb der letzten 5 Jahre veröffentlichten Bücher zutrifft. Aber mein Eindruck ist sehr stark, dass 98% der abverkauften Auflage aus Büchern besteht, die einem erprobtem Rezept folgen (um es mal positiv auszudrücken).

Es ist zum Glück auch nicht so, dass "Schema F"-Bücher automatisch langweilig wären. Gekonnte Schreibe und ironischer Umgang mit den üblichen Klischees können viel retten. Es gibt ja auch genießbares und gesundes Fast-Food. Man muss nur wissen, wo.
Mir fällt, als Leser, der ab und an zu literarischem Fast-Food greift, aber auf, dass es literarische Parallelen zu geschmackserdrückendem Salatdressing oder ranzigem Frittierfett gibt, also Zutaten, die unweigerlich genusstötend und brechreizstimulierend wirken. Das sind, im Roman, z. B. Charaktere, die so glaubwürdig sind wie eine Schlange mit Schuhen, oder Klischees, die es an Abgegriffenheit mit einer Haltestange aus einem ausrangierten Linienbus aufnehmen können - und die dann zu allem Überfluss auch noch mit der spritzigen Ironie einer Umsatzsteuererklärung präsentiert werden. Wirksame Genusskiller sind für mich Recherchen von BILDhafter Oberflächlichkeit - ich weiß, andere stören sich nicht an sachlichen und logischen Fehler, und es gibt sogar Kritiker, die selbst Dan Brown oder "Mr. Anachronism" Noah Gordon für "glänzende Rechercheure" halten.

Allerdings - Autoren haben es nicht leicht, vor allem, wenn sie es sich nicht zu leicht machen.

Nehmen wir mal an, ich würde einen Verschwörungs-Thriller nach bewährtem Rezept schreiben. Ist ja auch nichts dagegen zu sagen. Kann man ja auch machen, ohne ein gewisses Niveau zu unterschreiten. Immerhin sind solche Romane, wegen (oder trotz?) Dan Brown sehr populär, und immerhin eignen sich Verschwörungstheorien hervorragend dazu, Spannung zu erzeugen. Wie, steht sogar schon in der Wikipedia.
Der Held dringt mit dem Leser immer tiefer in die Geheimnisse einer ungeheuerlichen Konspiration ein, gerät eben dadurch mehrfach in größte Gefahr und entkommt den finsteren Geheimbündlern nur knapp, wenn überhaupt.
Das Problem dabei - ich will ja ein gewisses Niveau nicht unterschreiten: Wenn man es nicht bei brownschen Munkelmännern belässt, ergeben sich hinsichtlich der Art der Verschwörung und Auswahl der Verschwörer und ihrer Helfershelfer Probleme, die sich in ähnlicher Form auch bei Krimis ab einer gewissen Realitätsnähe ergeben.
Es ist normalerweise - gerade in Deutschland - nicht ungefährlich, reale Personen, Unternehmen, Institutionen oder Orte in schlechtem Licht darzustellen.
Stellen wir uns vor: Die Fäden der finsteren Verschwörung scheinen im Bundesministerium des Inneren zusammenzulaufen. Der Held dringt, um ein paar Dinge zu aufzuklären, in das Haus des Bundesinnenministers ein. Dabei bleibt ihm nichts übrig, als den Wachhund mittels eines Big Mac, in dem er einige Rohypnol-Tabletten eingearbeitet hat, außer Gefecht zu setzen.
Damit hätte ich aller Wahrscheinlichkeit das Innenministerium, die CDU, McDonalds, Roche, und todsicher auch den Tierschutzverein am Hals - und vielleicht auch noch die Behinderten-Vertreter.
Ein um Realismus bemühter Thriller-Autor steht also immer mit einem Bein im Gerichtssaal, und sei es wegen unerlaubter Benutzung von Markennamen.

Deutschland ist ein besonders schlechtes Pflaster für allzu realistische Krimis oder Politthriller. Was sich auch daran ablesen lässt, dass sozialkritische Krimis bei uns zumeist aus Schweden und Politthriller aus den USA kommen.
Da das auch den Verlage nicht verborgen bleibt, benutzen sie die Kopfscheren ihrer Außenlektoren, und sondern Manuskripte aus, die in irgendeiner Form Ärger machen könnten.
Nun kann man, nach der in unzähligen "Tatort"-Krimis bewährten Methode, Namen vermeiden und allzu offensichtliche Bezüge verschleiern. Das funktioniert aber nicht immer, und vor funktioniert es nicht sicher. "Sicher" ist das entscheidende Wort.

Also doch sicherheitshalber "brownsche Munkelmänner" - wobei wahrscheinlich so mancher deutscher Lektor wegen der Dinge, die Brown der katholischen Kirche unterstellt, so phantastisch sie auch seien mögen, abgelehnt hätte. (Im deutschen Fernsehen, stets um Imagepflege für die Kirchen und um ein gutes Verhältnis selbst zu völlig paranoiden Moslems bemüht, läuft so etwas erst recht nicht. Weshalb dann etwa ein Kinderschänderring lieber im Satanisten-Milieu statt - was nur realistisch wäre, siehe diverse Skandale - im Kirchenmilieu angesiedelt wird.)

Dann gäbe es noch ein weiteres, oft unterschätztes Problem: Wenn man nicht gerade einen der so beliebten "Kinderkrimis" schreibt, gibt es kaum ein vernichtenderes Urteil für einen Schreiber als das Wort "Jugendbuch".
Das kann nämlich bedeuten, jemand (wenn man als Schreiber Pech hat, der Lektor) argwöhnt eine "pädagogische Absicht" in dem Roman. (Ungeachtet der Tatsache, das echte Jugendbücher seit Jahren nicht mehr den erzieherischen Zeigefinger weit und sichtbar erheben, weil die Kids, die so was schnell merken, sonst den Stinkefinger zeigen würden.)
"Jugendbuch-Autor" kann aber auch heißen: "Der Autor wird wohl nie richtig erwachsen." Bei Fantasy-Schreibern lässt man eine gewisse Verspieltheit und Weltflucht noch gelten, aber im Verschwörungs-Thriller? Da müssen die "erwachsen sein"-Klischees erfüllt werden, da sind die Männer noch richtige Männer, die Frauen noch richtige Frauen und ... nein, kleine pelzige Wesen von Alpha Centauri wären Science Fiction. Dafür darf ein Verschwörungs-Thriller alberne Behauptungen, z. B. über die Fähigkeiten von Computer-Hackern, enthalten, über die jeder aufgeweckte Teenager kichert.

Ich habe da eine Vermutung. Ich vermute schon lange, dass "komplettes Erwachsensein" - sprich: völlige Abwesenheit von "kindlichen" oder "pubertären" Verhaltensweisen - eine Persönlichkeitsstörung ist.
So gesehen ist ein über jeden Verdacht, ein "Jugendbuch" zu sein, erhabener Unterhaltungsroman ein Roman für Leser mit gestörter Persönlichkeit.

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