Freitag, 28. November 2008

Claude Lévy-Strauss wird heute 100

Claude Lévi-Strauss ist schon lange der "große alte Mann" der Ethnologie bzw. Kulturantropologie,und wurde berühmt als einer der Begründer des Strukturalismus (obwohl er sich dagegen verwehrt, zu dieser philosophischen Richtung gezählt zu werden) und als Vorkämpfer der Kolonialismus- und Zivilisationskritik.

Die "Bricolage" (Bastelei), ist ein zentraler Begriff in Lévi-Strauss' Werk. Mit dem Bild des Bastlers, erklärt er die Entstehung und Weitergabe von Mythen. Ein Bastler erfindet nicht etwas völlig Neues, sondern improvisiert, er kombiniert das, was er gerade zur Hand hat. Statt radikal anzufangen, transformiert der Bastler das Bestehende, indem er es auf originelle Art und Weise zusammensetzt. Ein, wie ich finde, großartiges Bild.

Lévi-Strauss nennt die Psychoanalyse die moderne Form der schamanischen Technik. Dafür könnte ich ihn umarmen.

Es heißt, er hätte von Grund auf unser Bild vom Menschen verändert. Mag sein. Er hätte das "primitive" Denken rehabilitiert und dazu beigetragen, den Eurozentrismus zu überwinden. Wenn damit gemeint ist, dass Lévy-Strauss gegen ein zu einseitiges Verständnis der menschlichen Rationalität hinwies, und die fruchtbaren Funktionen von Mythen, Bräuchen und Traditionen ins Bewusstsein rückte, stimmt das. Aber der Eurozentrismus, die kulturelle Arroganz gegenüber den "Primitiven" ist leider noch nicht überwunden.
Lévy-Strauss tritt dafür ein, gegenüber allen Bräuchen und Sitten eine neutrale Haltung einzunehmen. Für die Kulturwissenschaften ist das richtig und wichtig, aber es stellt sich meiner Ansicht nach die Frage, ob sein extremer Kulturrelativismus, in Verbindung mit seinem Universalismus der Strukturen, nicht auch die politischen, ökonomischen und kulturellen "Eliten" dazu verführen könnte, sich vor moralischer Verantwortung zu drücken.
Auch seinen Kulturpessimusmus halte ich für nachvollziehbar, aber nicht immer für angebracht. Aber dafür, dass "Antiwestler" bis ins neurechte Lager seine Ansätze instrumentalisieren, kann er meiner Ansicht nichts.

Seine Werke werden, denke ich, nicht nur deshalb bestand haben, weil er ein hervorragender Schriftsteller ist. Mir wurde, wie vielen anderen auch, Lévy-Strauss durch seinen Bestseller "Traurige Tropen" bekannt. Es ist schon über ein halbes Jahrhundert her, dass sein sehr persönlich gefärbter Reisebericht erschien. Er berichtet darin von seinen in den 1930er-Jahren unternommenen Expeditionen zu den Indio-Stämmen der Boróro, Nambikwara, Mundé und Tupí-Kawahib in Brasilien.

nzz: Der Blick der Katze

taz: Mythen, Musik, Bastelei

Die Presse: Claude Lévi-Strauss: Auf der Spur des nackten Menschen

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