Montag, 4. Februar 2008

Ein Sender, den die Welt nicht braucht - auch nicht in Afrika

Im westafrikanischen Staat Benin leben rund 7,5 Millionen Menschen. Davon sind geschätzte 50 Prozent Anhänger von "Naturreligionen", vor allem des besser unter dem Namen Voodoo bekannten Vodun, einer polytheistischen Tradition mit magischen Zügen, rund 30 Prozent sind (mehr oder weniger) Christen (offiziell 42,3 %, aber das ist ein sehr theoretischer Wert) und rund 20 Prozent (mehr oder weniger) Muslime. Mit anderen Worten: ein Staat, nach dem sich Missionare sozusagen die Lippen lecken.

Während sich die Missionare der großen christlichen Kirchen noch einigermaßen "zivilisiert" verhalten (zumindest solange sie kontrolliert werden) gehen kleinere, meist evangelikale, allermeist fundamentalistische, Kirchen sozusagen mit dem Treibnetz auf Seelenfang. Die Zeiten, in denen Missionare noch als "Einzelkämpfer Gottes" mit Bibel, Buschmesser, Chinin und Schlangenserum durch Dschungel und Sümpfe von Dorf zu Dorf wanderten, sind auch in den abgelegeneren Teilen Benins seit Jahrzehnten passé. Heute kommt die "Frohe Botschaft" auch im tiefsten Tropenwald meistens aus dem batteriebetriebenen Radio.

Daher kommt diese Meldung des christlichen Nachrichtenportals idea.de nicht gerade überraschend: Trans World Radio startet neuen Sender für Westafrika.
"Trans World Radio", eine evangelikanische Organisation mit Hauptsitz in Cary, North Carolina, betreibt ein Netzwerk leistungsstarker Sender, die vor allem christlich-fundamentalistische Religionspropaganda senden - oft mit stark anti-islamischen, anti-katholischen und vor allem anti-aufklärerischen Tönen.

Nach der Darstellung von idea hatte der christliche Staatspräsident Mathieu Kérékou TWR im Jahr 2003 um den Bau einer Sendestation gebeten und eine Lizenz für einen Kurz- und einen Mittelwellensender erteilt. Am 1. Februar wurde der Sender in Betrieb genommen.

Die Station verbreitet christliche Programme für die gesamte Region Westafrika, auf Französisch und in den Landessprachen. Zum Sendegebiet gehören, außer Benin, auch Staaten wie Algerien, Burkina Faso, Ghana, Mali, Mauretanien, Niger, Nigeria, und Togo, die meisten mit überwiegend islamischer Bevölkerung und oft mit einer schon seit Jahrhunderten tief muslimisch geprägten Kultur.
Neben "Verkündigungssendungen" werden auch Programme im Rahmen des Projektes "Afrika soll leben" produziert, die Hilfe im Umgang mit und zur Prävention von Aids vermitteln. Leider verschweigt "Afrika soll leben", darin den sonst spinnefeinden katholischen Programmen gleichend, dass Kondome einen wirksamen Schutz vor Ansteckung bieten. (Via Brights Blog)

Zum Ausgleich - mal eine Kinderbibel

Etwas näher angesehen, bzw. aus Neugier aus der Bücherei ausgeliehen, habe ich mir die Bibelbearbeitung "Komm, freu dich mit mir", die relativ neu ist (1999), sich an Vorschul- und Grundschulkinder wendet und sich anscheinend großer Beliebheit erfreut. (Bei Amazon: Komm, freu dich mit mir. Die Bibel für Kinder erzählt.)

Sie gehört nicht zu den (märchenbuchhaften) Nacherzählungen biblischer Geschichten, sondern ist eine Art "Religionslehrbuch", d. h. sie enthält Glaubensbelehrung in einem zwar "kindgerechten" aber deutlich predigerhaften Stil. Meiner Ansicht nach ermuntert sie weder Eltern noch Kinder dazu, sich ein eigenes Urteil zu bilden, eigenen Maßstäbe zu entwickeln - "Komm freu Dich mit mir" gibt eine feststehende Moral vor. Wer anders denkt, denkt eben falsch, bzw. "unchristlich". "Komm freu dich ..." orientiert sich übrigens nicht an der biblischen Chrolologie, sondern am Jahreskreis der christlichen Feste.

Dabei ist "Komm freu ... " keine wirklich schlechte Kinderbibel - es gibt weder die "Drohpädagogik", die Kinderbibeln fundamentalistischer Herkunft auszeichnet, noch versteckten Antisemitismus (etwa in dem Sinne, dass "die Juden" schuld am Tode Jesus gewesen seien). Sehr viel tragen neben den fröhlich-bunten Illustrationen die Bastelanleitungen und Mitmach-Spiele zur großen Beliebheit dieser "Kindergarten-Bibel" bei. (Ich habe ein klein wenig den Eindruck, dass sie eine "christliche" Antwort auf die umstrittenen "Jahreskreis"-Bücher von Diana Monson sein könnte.) Aber auch die vorgeschlagenen Gebetstexte kommen bei Rezensenten gut an. Gebete als "Pflichtübungen", selbst in "spielerischer" Form, hinterlassen bei mir grundsätzlich einen üblen Nachgeschmack. Tendenziell begünstigt so etwas Heuchelei und Scheinheiligkeit.
Für problematisch halte ich, dass dieses Buch straffe Richtlinien der "christlichen Früherziehung" vermittelt: das Lernziel ist eben nicht "Selbstbestimmung". Aber genau nach diesen straffen Richtlinien scheinen sich viele Eltern und Erzieher zu sehnen. Ganz bestimmt aber sehnt man sich in konservativen Kirchenkreisen und unter christlich-konservativen Politikern danach.

Wenn das Buch "Wo bitte geht es zu Gott?" manipulativ ist und deshalb nicht ins Kinderzimmer gehört, dann gilt das im weitaus stärkerem Maße für diese beliebte Kinderbibel

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