1969 - "Perry Rhodan - der Hitler des planetarischen Zeitalters"
Ja, das waren noch Zeiten, damals, vor 40 Jahren, als noch Schundhefte unsere Jugend verdarben! (Heute würden einige Politiker vielleicht von "Killerheften" reden):
Gefunden bei Nyarla.
Die in Rede stehende Perry-Rhodan-Heftserie erscheint noch heute. Allerdings käme heute sicher kaum noch jemand auf die Idee, die Serie in die Nähe faschistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts zu rücken.
Der Gerechtigkeit halber sollte allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass "Perry Rhodan" in seinen Anfangsjahren deutlich "militaristischer" war als später.
Der damalige Exposé-Autor und "Chef" der Serie, Karl Herbert Scheer hatte eine Vorliebe dafür, Konflikte in seinen Romanen militärisch zu lösen, was ihm nach Initialen seiner Vornamen den Spitznamen "Kanonen-Herbert" eintrug; seine Vorliebe für die Schilderungen von militärischen oder geheimdienstlichen "Kommandounternehmen" zog den Spitznamen "Handgranaten-Herbert" nach sich. In etwa war "Perry Rhodan" damals ähnlich kriegerisch wie die "Star Wars"-Filme. Obwohl sich die Autoren seinerzeit (zu) wenig Gedanken über die politischen Strukturen der Zukunft machten, erforderte es allerdings schon einigen bösen Willens oder einige Ignoranz, in Perry Rhodan einen Diktator, gar einen "Hitler des planetarischen Zeitalters" zu sehen.
Die Parallelen zur Berichterstattung über Computerspiele ist auffällig. Der Unterschied von "damals" zu "heute" besteht in erster Linie darin, dass das Interview mit K. H. Scheer brav, geduldig und nicht durch eingeschnittene "Kampfszenen" oder ähnliches "aufgelockert" gesendet wurde. Dieser zivilisierte Zug ist vermutlich allein den damaligen Sehgewohnheiten geschuldet, denn ansonsten wird "Perry Rhodan" nach allen Regeln des Skandaljournalismus verhackstückt. Vom geduldigen "Scheer"-Interview abgesehen, arbeitet der alte "Monitor"-Bericht mit genau den gleichen Mitteln wie heutige Berichte über "gefährliche Computerspiele". Dazu gehören ein entrüsteter Kommentator, unterlegt mit suggestiven Bildern und Geräuschen, und Äußerungen von Lesern / Spielern, bei denen ein Kontext suggeriert wird, der, würden die Äußerungen für sich stehen, nicht unbedingt nahe liegt. (Einen versilberten Fan-Ansteckbutton als "Verdienstorden" zu bezeichnen, ist schon dreist!) Typisch für solche Berichte ist auch der "Blick hinter die Kulissen". Im Falle des "Perry Rhodan"-Berichts filmte das "Monitor"-Team nach Aussagen Scheers eine mehrstündige Redaktionssitzung mit. Der gezeigte Ausschnitt, in dem es um die Transformkanonen des Raumschiffs INTERSOLAR ging, war offensichtlich das brisanteste, was diese Geduldsprobe hergab. Unmittelbar vorangegangen war eine Diskussion über die Freizeiteinrichtungen auf der INTERSOLAR - allerdings wäre ein Ausschnitt über Schwimmbäder nicht annähernd so wirkungsvoll gewesen, wie einer über Waffensysteme.
Bemerkenswert war die Frechheit der "Monitor"-Redaktion: Scheer wies ausdrücklich darauf hin, dass man den PR-Autoren etwas in den Mund legt, was diese niemals beabsichtigt hätten - und "Monitor"drehte gleich im Anschluss Scheer das Wort im Mund herum. Das Interview endet mit folgenden Sätzen Scheers:
Man darf bei all dem den zeitgeschichtlichen Hintergrund nicht vergessen: Damals war die NPD in sieben (von damals 11) Landesparlamenten der Bundesrepublik Deutschland vertreten, mit Wahlergebnissen, von denen ein Udo Voigt heute nur noch feucht träumen kann - bei der baden-württembergische Landtagswahl 1968 lag die NPD bei 9,8 %. Es ist sicher auch der Aufklärungsarbeit von Journalisten zu verdanken, dass sie schon bei der Bundestagswahl 1969 den Sprung über die 5 %-Hürde verfehlten.
Kurz vor den Bundestagswahlen 1969 konnten die damaligen "Monitor"-Reporter Erich Potthast und Ulrich Wickert enthüllen, dass die NPD eine SA-ähnliche Schlägertruppe mit Kampfausbildung und -ausrüstung hatte. Schon bei der Gründungsversammlung der Aktion Widerstand waren sie mit ihren Kamerateams dabei, später entdeckten sie Trainingslager der Wiking-Jugend in der Rhön (und wurden von den Rechtsradikalen tätlich angegriffen).
Dass die "Monitor"-Redakteure einen besonderen "Antifa-Eifer" entwickelten, verwundert angesichts dessen wenig.
Wieso aber ausgerechnet "Perry Rhodan" ins Visier geriet, kann aber nur durch eine ähnliche "Logik" erklärt werden, wie sie der heute in der "Killerspiel"-Debatte entspricht: irgendwo müssen die jungen Leute ja ihre Vorlieben für Nazi-Ideologie her haben. Die populärste Antwort, damals wie heute: "Aus den Medien". Ein Medium mit schlechtem Ruf war der damals bei jungen Menschen ungeheuer populäre Heftroman. Ein beliebtes Negativbeispiel war die (auch heute noch erscheinende), als kriegsverherrlichend und NS-verharmlosend geltende Heftreihe
"Der Landser". Aber da gab es noch eine Serie, weitaus populärer als "Der Landser", die dazu noch im selben Verlag erschien: Perry Rhodan.
Vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund des Jahres 1969 ist auch der heute etwas seltsam klingende Ausspruch eines der Fans von der "friedlichen Eroberung des Weltraums" zu verstehen. Heute würden viele einwenden: "Hat man je von einer friedlichen Eroberung gehört?" - Damals, wenige Monate, bevor erstmals Menschen auf dem Mond landeten, war das eine Phrase, die buchstäblich in aller Munde war.
Gefunden bei Nyarla.
Die in Rede stehende Perry-Rhodan-Heftserie erscheint noch heute. Allerdings käme heute sicher kaum noch jemand auf die Idee, die Serie in die Nähe faschistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts zu rücken.
Der Gerechtigkeit halber sollte allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass "Perry Rhodan" in seinen Anfangsjahren deutlich "militaristischer" war als später.
Der damalige Exposé-Autor und "Chef" der Serie, Karl Herbert Scheer hatte eine Vorliebe dafür, Konflikte in seinen Romanen militärisch zu lösen, was ihm nach Initialen seiner Vornamen den Spitznamen "Kanonen-Herbert" eintrug; seine Vorliebe für die Schilderungen von militärischen oder geheimdienstlichen "Kommandounternehmen" zog den Spitznamen "Handgranaten-Herbert" nach sich. In etwa war "Perry Rhodan" damals ähnlich kriegerisch wie die "Star Wars"-Filme. Obwohl sich die Autoren seinerzeit (zu) wenig Gedanken über die politischen Strukturen der Zukunft machten, erforderte es allerdings schon einigen bösen Willens oder einige Ignoranz, in Perry Rhodan einen Diktator, gar einen "Hitler des planetarischen Zeitalters" zu sehen.
Die Parallelen zur Berichterstattung über Computerspiele ist auffällig. Der Unterschied von "damals" zu "heute" besteht in erster Linie darin, dass das Interview mit K. H. Scheer brav, geduldig und nicht durch eingeschnittene "Kampfszenen" oder ähnliches "aufgelockert" gesendet wurde. Dieser zivilisierte Zug ist vermutlich allein den damaligen Sehgewohnheiten geschuldet, denn ansonsten wird "Perry Rhodan" nach allen Regeln des Skandaljournalismus verhackstückt. Vom geduldigen "Scheer"-Interview abgesehen, arbeitet der alte "Monitor"-Bericht mit genau den gleichen Mitteln wie heutige Berichte über "gefährliche Computerspiele". Dazu gehören ein entrüsteter Kommentator, unterlegt mit suggestiven Bildern und Geräuschen, und Äußerungen von Lesern / Spielern, bei denen ein Kontext suggeriert wird, der, würden die Äußerungen für sich stehen, nicht unbedingt nahe liegt. (Einen versilberten Fan-Ansteckbutton als "Verdienstorden" zu bezeichnen, ist schon dreist!) Typisch für solche Berichte ist auch der "Blick hinter die Kulissen". Im Falle des "Perry Rhodan"-Berichts filmte das "Monitor"-Team nach Aussagen Scheers eine mehrstündige Redaktionssitzung mit. Der gezeigte Ausschnitt, in dem es um die Transformkanonen des Raumschiffs INTERSOLAR ging, war offensichtlich das brisanteste, was diese Geduldsprobe hergab. Unmittelbar vorangegangen war eine Diskussion über die Freizeiteinrichtungen auf der INTERSOLAR - allerdings wäre ein Ausschnitt über Schwimmbäder nicht annähernd so wirkungsvoll gewesen, wie einer über Waffensysteme.
Bemerkenswert war die Frechheit der "Monitor"-Redaktion: Scheer wies ausdrücklich darauf hin, dass man den PR-Autoren etwas in den Mund legt, was diese niemals beabsichtigt hätten - und "Monitor"drehte gleich im Anschluss Scheer das Wort im Mund herum. Das Interview endet mit folgenden Sätzen Scheers:
Es ist niemals gesagt worden, in keinem einzigen Perry Rhodan-Roman, dass sich der Terraner, der Mensch, als übergeordnet über Alles betrachtet und sich demnach benimmt. Selbstverständlich trifft Rhodan auf Völkerschaften - den Begriff Rassen will ich gar nicht gebrauchen, denn es sind Völker, egal wie sie körperlich aussehen, wie sie denken und handeln, wie sie geistig eingestellt sind. Es gibt welche darunter, die nun der Menschheit nicht sehr wohlgesonnen sind, die auf alle politischen Verhandlungsversuche eben so reagieren, wie man an und für sich nicht reagieren sollte, die letzte Entscheidung ist dann naturgemäß im Romanzyklus die bewaffnete Auseinandersetzung.Unmittelbar darauf der Sprecher:
Die bewaffnete Auseinandersetzung! Zweifel sind ihm fremd. Die Eroberung des Weltraums á la Rhodan ist gerecht und gut. Die Monster fremder Planeten lassen sich nur selten ohne Widerstand dem Reich des unsterblichen Menschheitsführers einverleiben - (elektronische Geräuschuntermalung) - und das alles, die bewaffnete Auseinandersetzung, das große Weltraumwürgen, findet in Deutschland millionenfachen Beifall.Es fehlte auch nicht der obligatorische "Experte" - der damals sehr populäre und noch heute angesehene Zukunftsforscher Robert Jungk. Das Dumme war nur, dass Jungk kein Fachmann für Science-Fiction-Literatur war, wahrscheinlich niemals einen "Perry Rhodan"-Roman gelesen hatte und sich offensichtlich mit der Popkultur wenig auskannte:
Die Perry Rhodan-Serie in Deutschland ist eigentlich ein Zeichen für eine gewisse mentale Rückständigkeit in Deutschland. In Amerika hat es auch den Superman gegeben, aber der Superman ist heute durch bessere Formen von Science Fiction abgelöst. Man lacht nur noch über Superman, während man in Deutschland leider Gottes Perry Rhodan noch sehr ernst nimmt. Und ich frage mich, ob hier nicht eben eine heimliche Führersehnsucht immer noch schlummert. Ob nicht der deutsche Mensch sich nach einem Perry Rhodan sehnt.Das Prinzip, alles, was nicht ins Konzept passt, zu ignorieren, trifft auch auf die Bildauswahl zu: Überwiegend sind es tatsächlich Titelbilder von "Perry Rhodan"-Heften, allerdings hätten Bilder etwa des freundliche Mausbibers Gucky oder Seite an Seite zusammen arbeitender (und auch kämpfender) Menschen und "Monstren" den suggerierte Eindruck, es ginge um die Vernichtung von "Monster fremder Planeten", gestört.
Man darf bei all dem den zeitgeschichtlichen Hintergrund nicht vergessen: Damals war die NPD in sieben (von damals 11) Landesparlamenten der Bundesrepublik Deutschland vertreten, mit Wahlergebnissen, von denen ein Udo Voigt heute nur noch feucht träumen kann - bei der baden-württembergische Landtagswahl 1968 lag die NPD bei 9,8 %. Es ist sicher auch der Aufklärungsarbeit von Journalisten zu verdanken, dass sie schon bei der Bundestagswahl 1969 den Sprung über die 5 %-Hürde verfehlten.
Kurz vor den Bundestagswahlen 1969 konnten die damaligen "Monitor"-Reporter Erich Potthast und Ulrich Wickert enthüllen, dass die NPD eine SA-ähnliche Schlägertruppe mit Kampfausbildung und -ausrüstung hatte. Schon bei der Gründungsversammlung der Aktion Widerstand waren sie mit ihren Kamerateams dabei, später entdeckten sie Trainingslager der Wiking-Jugend in der Rhön (und wurden von den Rechtsradikalen tätlich angegriffen).
Dass die "Monitor"-Redakteure einen besonderen "Antifa-Eifer" entwickelten, verwundert angesichts dessen wenig.
Wieso aber ausgerechnet "Perry Rhodan" ins Visier geriet, kann aber nur durch eine ähnliche "Logik" erklärt werden, wie sie der heute in der "Killerspiel"-Debatte entspricht: irgendwo müssen die jungen Leute ja ihre Vorlieben für Nazi-Ideologie her haben. Die populärste Antwort, damals wie heute: "Aus den Medien". Ein Medium mit schlechtem Ruf war der damals bei jungen Menschen ungeheuer populäre Heftroman. Ein beliebtes Negativbeispiel war die (auch heute noch erscheinende), als kriegsverherrlichend und NS-verharmlosend geltende Heftreihe
"Der Landser". Aber da gab es noch eine Serie, weitaus populärer als "Der Landser", die dazu noch im selben Verlag erschien: Perry Rhodan.
Vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund des Jahres 1969 ist auch der heute etwas seltsam klingende Ausspruch eines der Fans von der "friedlichen Eroberung des Weltraums" zu verstehen. Heute würden viele einwenden: "Hat man je von einer friedlichen Eroberung gehört?" - Damals, wenige Monate, bevor erstmals Menschen auf dem Mond landeten, war das eine Phrase, die buchstäblich in aller Munde war.
MMarheinecke - Donnerstag, 9. April 2009
Klasse video! Danke fürs posten!
Der text sprengt aber miene web2.0 aufmerksamkeitsspanne ;-) Vielleicht lese ichs später mal.
Frohe Ostern
MM aus wien