Tierfreundliche Nazis?
Neulich hatte ich ein Deja-Vu-Erlebnis der besonderen Art. Ich hörte einen Spruch, denn ich seit Jahrzehnten nicht mehr gehört hätte, und von dem ich dachte, dass ihn heutzutage außerhalb des politischen Kabaretts und politisch kackbrauner Kreise niemand in den Mund nehmen würde.
Als ich noch ein kleiner Junge war, das ist schon gut 40 Jahre her, da redete meine Oma - oder besser: sie verplauderte sich - über die Nazizeit. Anders als meine andere Großmutter, die sich über die Zeit "damals" keine Illusionen machte, und anders als meine beiden hinsichtlich ihreres Verhaltens in der Nazizeit sehr verschiedenen Großväter plauderte sie naiv den einen oder anderen Propagandaspruch von "damals" nach. Der Spruch von den Autobahnen, die Hitler "erfunden" hätte, wurde jedesmal besonders peinlich aufgenommen. Und regelmäßig kam der Spruch, dass die Nazis sich als erste so richtig um die Tiere gekümmert hätten und die besten Tierschutzgesetze der Welt erlassen hätten.
Zur Verteidigung meiner längst verstorbenen Großmutter muss ich erwähnen, dass ihre Äußerungen einer Mischung aus politischer Naivität und einer beginnender paranoiden Schizophrenie entsprangen, an der sie später auf tragische Weise erkrankte: Bruchstücke der Nazi-Ideologie passten zu ihrer immer stärker werdenden Angst vor gegen sie gerichteten Machenschaften.
Hingegen sind die Tierrechtler, mit denen ich mich unterhielt, wahrscheinlich nicht paranoid im klinischen Sinne, sie wirkten auch nicht naiv, und wie "klassische" Neonazis wirkten sie auch nicht - eher wie menschen- und tierfreundliche Spät-Hippies. Mit Hitler hatten sie allenfalls den Vegetarismus gemein.
Deshalb war ich über das große Lob für den "vorbildlichen Tierschutz der Nazis" doch leicht verwundert. Besonders erstaunlich aus dem Munde eines vegan lebenden Menschen fand ich das Lob für das Nazi-Verbot des "tierquälerischen" Schächtens (das andere Schlachtmethoden, auch brutale, ausdrücklich zuließ).
Das Schächten von Tieren - also das Schlachten mittels Durchtrennung der Halsschlagader, wie es Judentum und Islam vorschreiben - war schon im April 1933 verboten worden. Das Verfahren wirkt brutal, ist es aber nicht: korrekt ausgeführt, ist es ein da Leid des Tieres gering haltendes Verfahren. Der Schnitt muss durch Hin- und Herfahren ohne Druck und ohne die geringste Unterbrechung mit einem rasiermesserscharfen, glatten und schartenfreien Messer ausgeführt werden. Der Tod tritt innerhalb von 3-4 Sekunden ein. Das Tier muss, gemäß den religiösen Vorschriften, vollständig ausbluten.
Obwohl sachgemäßes Schächten also keineswegs grausamer ist als andere Schlachtmethoden, ist es immer noch unter Tierschützern umstritten, und in Deutschland nach wie vor nur mit Ausnahmegenehmigung möglich.
Unter Antisemiten und Moslemfressern ist das "grässliche Tieropfer" nach wie vor ein beliebtes "Argument".
Dass historische Sensibilität nicht gerade zu den Stärken radikaler Tierrechter zählt, ist spätestens seit der berüchtigten Werbekampagne der Tierrechtler von "PeTA" bekannt, die 2004 Massentierhaltung und Holocaust gleichsetzte ("KZ-Hühner").
Aber auch bei den weniger radikalen Tierfreunden gilt das Reichstierschutzgesetz von 1933 nach wie vor als Meilenstein des Tierschutzes. In der Bundesrepublik blieb es bis 1972 unverändert in Kraft - einschließlich seiner Präambel, in der es hieß:
Das bedeutet, dass die "Tierliebe", anders als mutmaßlich bei den meisten Tierschützer, bei den Nazis nur eine sekundäre Erscheinung war. Was übrigens nicht bedeutet, dass die Tier- und Naturfreundlichkeit der Nazis nur gespielt war, schließlich wurzelte die "Bewegung" auch im "völkischen" Zweig der Lebensreform.
Adorno und Horkheimer erkannten, dass hinter der betonten Kinder- und Tierfreundlichkeit der "Faschisten" (womit sie in erster Linie Nazis meinten) wohl mehr steckte als der alter Werberspruch "Kinder und Tiere gehen immer":
Eine besondere Rolle im "Tierkult" der Nazis nahmen Hunde ein, "natürlich" besonders die "Gebrauchs-" und "Diensthund"-Rassen, allen voran der Deutsche Schäferhund. Nicht nur Hitler, Himmler und Göring liessen sich gern als Hundefreunde präsentieren (auch wenn viele der Filmaufnahmen, die Hitler mit seiner Schäferhündin Blondi zeigten, eher die Unbeholfenheit des Diktators dokumentierten). Heiko Gebhardt schrieb im damals Aufsehen erregendem Buch "Du armer Hund", in dem der engagierte Hundefreund 1978 die heile Welt der deutschen Hundehalter, -züchter und -vereine kritisch unter die Lupe nahm:
Als ich noch ein kleiner Junge war, das ist schon gut 40 Jahre her, da redete meine Oma - oder besser: sie verplauderte sich - über die Nazizeit. Anders als meine andere Großmutter, die sich über die Zeit "damals" keine Illusionen machte, und anders als meine beiden hinsichtlich ihreres Verhaltens in der Nazizeit sehr verschiedenen Großväter plauderte sie naiv den einen oder anderen Propagandaspruch von "damals" nach. Der Spruch von den Autobahnen, die Hitler "erfunden" hätte, wurde jedesmal besonders peinlich aufgenommen. Und regelmäßig kam der Spruch, dass die Nazis sich als erste so richtig um die Tiere gekümmert hätten und die besten Tierschutzgesetze der Welt erlassen hätten.
Zur Verteidigung meiner längst verstorbenen Großmutter muss ich erwähnen, dass ihre Äußerungen einer Mischung aus politischer Naivität und einer beginnender paranoiden Schizophrenie entsprangen, an der sie später auf tragische Weise erkrankte: Bruchstücke der Nazi-Ideologie passten zu ihrer immer stärker werdenden Angst vor gegen sie gerichteten Machenschaften.
Hingegen sind die Tierrechtler, mit denen ich mich unterhielt, wahrscheinlich nicht paranoid im klinischen Sinne, sie wirkten auch nicht naiv, und wie "klassische" Neonazis wirkten sie auch nicht - eher wie menschen- und tierfreundliche Spät-Hippies. Mit Hitler hatten sie allenfalls den Vegetarismus gemein.
Deshalb war ich über das große Lob für den "vorbildlichen Tierschutz der Nazis" doch leicht verwundert. Besonders erstaunlich aus dem Munde eines vegan lebenden Menschen fand ich das Lob für das Nazi-Verbot des "tierquälerischen" Schächtens (das andere Schlachtmethoden, auch brutale, ausdrücklich zuließ).
Das Schächten von Tieren - also das Schlachten mittels Durchtrennung der Halsschlagader, wie es Judentum und Islam vorschreiben - war schon im April 1933 verboten worden. Das Verfahren wirkt brutal, ist es aber nicht: korrekt ausgeführt, ist es ein da Leid des Tieres gering haltendes Verfahren. Der Schnitt muss durch Hin- und Herfahren ohne Druck und ohne die geringste Unterbrechung mit einem rasiermesserscharfen, glatten und schartenfreien Messer ausgeführt werden. Der Tod tritt innerhalb von 3-4 Sekunden ein. Das Tier muss, gemäß den religiösen Vorschriften, vollständig ausbluten.
Obwohl sachgemäßes Schächten also keineswegs grausamer ist als andere Schlachtmethoden, ist es immer noch unter Tierschützern umstritten, und in Deutschland nach wie vor nur mit Ausnahmegenehmigung möglich.
Unter Antisemiten und Moslemfressern ist das "grässliche Tieropfer" nach wie vor ein beliebtes "Argument".
Dass historische Sensibilität nicht gerade zu den Stärken radikaler Tierrechter zählt, ist spätestens seit der berüchtigten Werbekampagne der Tierrechtler von "PeTA" bekannt, die 2004 Massentierhaltung und Holocaust gleichsetzte ("KZ-Hühner").
Aber auch bei den weniger radikalen Tierfreunden gilt das Reichstierschutzgesetz von 1933 nach wie vor als Meilenstein des Tierschutzes. In der Bundesrepublik blieb es bis 1972 unverändert in Kraft - einschließlich seiner Präambel, in der es hieß:
Die überwältigende Mehrheit des Deutschen Volkes hat schon lange das Töten ohne Betäubung verurteilt, eine Praxis, die unter Juden allgemein verbreitet ist.Darüber, dass Menschenfeindllichkeit und Tierliebe bei den Nazis so gut zusammengingen, haben sich sich seit 1933 zahlreiche humanistische Denker die Köpfe zermartert. Zum Beispiel die Philosophen Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, anfangs der 1940-er Jahre in ihrer berühmten "Dialektik der Aufklärung". Sie erkannten, dass die Nationalsozialisten ihren Hass gegen Menschen als Barmherzigkeit gegen die Tiere verkleideten.
Das bedeutet, dass die "Tierliebe", anders als mutmaßlich bei den meisten Tierschützer, bei den Nazis nur eine sekundäre Erscheinung war. Was übrigens nicht bedeutet, dass die Tier- und Naturfreundlichkeit der Nazis nur gespielt war, schließlich wurzelte die "Bewegung" auch im "völkischen" Zweig der Lebensreform.
Adorno und Horkheimer erkannten, dass hinter der betonten Kinder- und Tierfreundlichkeit der "Faschisten" (womit sie in erster Linie Nazis meinten) wohl mehr steckte als der alter Werberspruch "Kinder und Tiere gehen immer":
Das lässige Streicheln über Kinderhaar und Tierfell heißt: die Hand kann vernichten. Sie tätschelt zärtlich das eine Opfer, bevor sie das andere niederschlägt, und ihre Wahl hat mit der eigenen Schuld des Opfers nichts zu tun. Die Liebkosung illustriert, dass alle vor der Macht dasselbe sind, dass sie kein eigenes Wesen haben. Dem blutigen Zweck der Herrschaft ist die Kreatur nur Material.Auch das Engagement der Nazis gegen Tierversuche war tief vom Antisemitismus durchdrungen - Tierversuche als Ausdruck und Symbol "jüdischer" Wissenschaft:
Weißt Du, dass Dein Führer schärfster Gegner jedweder Tierquälerei, vor allem der Vivisektion, der wissenschaftlichen Tierfolter ist, dieser entsetzlichen Ausgeburt der jüdischen Schulmedizin?(Aus der Propagandazeitschrift "Die Weiße Fahne", zitiert nach Tierliebe Menschenfeinde.) Tierquälern drohte Hermann Göring mit Konzentrationslager - und das war keine leere Drohung. "Selbstverständlich" galt das nicht für "kriegswichtige" Forschungsprojekte, die ohne weiteres auch mit einer großen Anzahl an Tierversuchen durchgeführt wurden.
Eine besondere Rolle im "Tierkult" der Nazis nahmen Hunde ein, "natürlich" besonders die "Gebrauchs-" und "Diensthund"-Rassen, allen voran der Deutsche Schäferhund. Nicht nur Hitler, Himmler und Göring liessen sich gern als Hundefreunde präsentieren (auch wenn viele der Filmaufnahmen, die Hitler mit seiner Schäferhündin Blondi zeigten, eher die Unbeholfenheit des Diktators dokumentierten). Heiko Gebhardt schrieb im damals Aufsehen erregendem Buch "Du armer Hund", in dem der engagierte Hundefreund 1978 die heile Welt der deutschen Hundehalter, -züchter und -vereine kritisch unter die Lupe nahm:
Noch heute schwärmt mancher alte Hundeverbandsfunktionär von der Hitlerzeit, nicht weil er ein unbelehrbarer Nazi wäre, sondern weil es den Hunden und den Verbänden, die dazu gehörten, damals so gut ging. Dem Hund erging es bald schlecht. Im Zweiten Weltkrieg schnallte man ihm Mienen auf den Rücken und hetzte ihn auf feindliche Panzer. Per Fernzündung jagte man ihn dann zusammen mit der Bombe in die Luft.Dem blutigen Zweck der Herrschaft ist die Kreatur nur Material.
MMarheinecke - Freitag, 16. Januar 2009
Kann ich so zwar nicht tolerieren, aber nen kleinen Funken Wahrheit seh ich schon drin. Ohne eine Entmenschlichung wäre der Massenmord so nicht möglich gewesen. Und der Respekt vor tierischem Leben ist in der Massentierhaltung gleich null.
Was ich bei menschenverachtenden Tierschützern besonders seltsam finde, ist dass die ja auch Menschen sind -und noch besser: Menschen sind - biologisch betrachtet - auch Tiere. Ein skurriles Weltbild steht da dahinter...
Grüße, Jari
Das Andorno zugeschriebene Zitat