Vom Walfänger FLORA zur "Roten Flora" (1)
Zur Abwechslung mal etwas regionale Geschichte. Es gibt eine Verbindung vom legendären Walfänger zur nicht weniger legendären "Roten Flora" im Schanzenviertel - und diese Verbindung liegt nicht nur im Namen.
Teil 1: Der Walfänger
Walfänger "FLORA VON ELMSHORN"
Die Bark hat, vor einem Sturm Schutz suchend, einen Fjord in Nord-Norwegen angelaufen. Da es im tief eingeschnittenen Fjord fast windstill ist, wird die „Flora“ von dreien ihrer Fangschaluppen in die offene See geschleppt.
Gemalt nach dem Modell im "Internationalen Maritimen Museum", Hamburg.
Länge über alles: 45 m
Länge über Deck 32 m
Breite über alles: 10,60 m
Tiefgang maximal: 6,50 m
Besatzung: ca. 50 Mann
Den Bug ziert die Galionsfigur „Flora“, eine Blumenmaid.
Seit eh und je jagten Küstenbewohner mit Handharpunen vom Boot aus Wale und Robben. Aber erst relativ spät, im 16. Jahrhundert, begann der Walfang auf hoher See, zuerst im Baskenland und in der Bretagne, später in Holland und Friesland. Der deutsche Nordmeer-Walfang begann im Jahr 1644 in der Stadt Hamburg. 1675 gingen bereits 75 Hamburger Schiffe auf "Grönlandfahrt". Entgegen dem Namen wurde das blutige Handwerk vor allem in den Gewässern bei Spitzbergen betrieben. Bis heute gibt es dort eine Hamburger Bucht.
Nach Hamburg begann die damals dänischen Städte Glückstadt und Altona mit dem Aufbau einer Walfang-Flotte. 1671 lief das erste Glückstädter Fangschiff aus, 1685 wurde die erste Grönlandkompanie in Altona gegründet. Begünstigt durch dänische Prämien und Privilegien blühte der holsteinische Walfang und erreichte um 1770 herum seinen Höhepunkt. Die Besatzungen der Walfänger, die manchmal jahrelang auf Fangreise waren, waren größtenteils Inselfriesen - auf den friesischen Inseln gab es damals nur wenige Möglichkeiten, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Friesen galten als hervorragende Seeleute und Harpuniere, einige kamen zu Wohlstand - prachtvolle Häuser, etwa auf der nordfriesischen Insel Amrum oder der ostfriesischen Insel Borkum künden davon, wie auch einige erhaltene Zäune und Tore aus Walknochen, viele kamen auf diesen gefährlichen Reisen um - Gedenksteine auf friesischen Friedhöfen erinnern an die vielen Männer, die auf See geblieben sind.
Die englische Kontinentalblockade und die französische Kontinentalsperre während der napoleonischen Kriege brachten den deutschen und dänischen Walfang fast zum Erliegen. Nach dem Ende der Besetzung durch Napoleon erholte sich die Wirtschaft in der Unterelberegion sehr schnell - der Grund lag in der beginnenden "industriellen Revolution". Damals diente Walöl nämlich als Maschinenöl. Waltran wurde außerdem zur Seifenherstellung, zum Gerben von Fellen und zur Beleuchtung von Haus und Stall („Tranfunzel“) verwendet, Robbenfelle für wetterfeste Kleidung.
Um den steigenden Bedarf an Walöl zu befriedigen, und um den sich erholenden Walfang nicht allein den Hamburger Walfängern zu überlassen, subventionierte Dänemark die schleswig-holsteinischen „Grönlandfahrer“ mit 10 Reichstalern für jeden „Commandeur“.
"Commandeur" eines Walfängers ist nicht etwa "nur" Kapitän. Walfänger wurden meisten als Partenreedereien betrieben, als Genossenschaften - jeder, der auf einem Walfänger fuhr, war Anteilseigner an seinem Schiff und war am Gewinn beteiligt. Der Commandeur wurde von der Besatzung / Genossenschaft gewählt.
Auch wegen dieses demokratischen Vorgehens galten Walfänger bei Seeleuten der Kriegsmarinen, aber auch denen der Fernhandelsgesellschaften, als undisziplinierter, wilder Haufen.
Nach 1815 begannen wegen der Subventionen auch kleinere Städte mit Elbzugang (Itzehoe, Brunsbüttel, Elmshorn, Uetersen) eigene Schiffe auszurüsten.
Die Dreimastbark "Flora" wurde 1794 in Neustadt an der Ostsee gebaut und fuhr zunächst als Frachtsegler. 1816 wurde das Schiff in Flensburg zum Kauf angeboten und nach gründlicher Prüfung von 15 Elmshorner Bürgern, die eine Partenreederei gründeten, für 15000 Courant Mark gekauft.
Die "Flora" wurde im damals zu Elmshorn gehörenden Hafen beim Spiekerhörn zu einem "Grönlandfahrer" umgebaut. Neben Walfang sollte das Schiff in arktischen Gewässern auch der Robbenjagd dienen.
Das Schiff erhielt eine neue eichene Haut, um für stärkere Eispressungen gerüstet zu sein. Außerdem wurden sieben Fangschaluppen gebaut. (Später auf fünf reduziert.) Durch den Umbau verteuerte sich das Schiff um weitere 14000 Courant Mark.
Außer den für den Walfang und die Robbenjagd benötigten Waffen wurde die "Flora" auch mit acht kleinen Kanonen ausgerüstet - in und kurz nach den napoleonischen Seekriegen erlebten Freibeuterei und Piraterie eine kurze, aber heftige "Blüte".
Die schwarz bemalten Stückpforten, die man auf dem Bild erkennt, waren zum großen Teil "blind", d. h. es standen keine Kanonen hinter ihnen. Sie gaben der Bark auf einige Entfernung das Aussehen eines Kriegsschiffes und schreckten so Kaperfahrer ab. Ab den 1820 Jahren wurden Zeiten ruhiger. Die Kanonen wurden entfernt, um mehr Laderaum zu schaffen. Die „Flora“ behielt ihr kriegerisches Aussehen dennoch bei.
Zur Aufnahme des Robben- und Walspecks wurden 450 Fässer und zur Reserve noch mehrere hundert Fassdauben geladen.
So ausgerüstet trat die Flora Ende April 1817 ihre erste Reise in die arktischen Gewässer an.
Zur Zeit der Elmshorner Grönlandfahrten war der Höhepunkt der Wal- und Robbenjagd vor Grönland und Spitzbergen längst überschritten, denn infolge der rücksichtslosen Nachstellung war der Bestand dieser Tiere schon stark verringert. Immerhin erlegte die Mannschaft der "Flora" im Jahre 1831 noch 9.000 Robben und sechs Grönlandwale.
Über 50 Jahre fuhr die "Flora" nach Grönland, um die begehrten Seesäuger zu erjagen. Mit ihr fuhren von Elmshorn noch drei weitere Fangschiffe, die im Laufe der Jahre erworben wurden. Über 50 Jahre lang waren diese Schiffe ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor und ein wichtiger Teil des Lebens in Elmshorn.
Zu Beginn der 1870er Jahre wurden die Fangergebnisse immer geringer und die Verluste immer größer. Die Grönlandfahrten hörten allmählich auf. Hinzu kam, dass Erdölprodukte das Walöl als Schmierstoff und Lampenöl (Petroleumlampe) verdrängten. Nur der aufwändige Walfang auf den Pottwal lohnte sich noch. Bis zur Einführung des industriellen Walfangs mit Harpunenkanonen, schnellen Fangbooten mit Dampf- und später Motorantrieb und ab den 1920er Jahre Fabrikschiffen hatte die großen Wale einige Jahre trügerischer Ruhe, bis dann fast alle Großwalarten bis an den Rand der Ausrottung gejagt wurden.
Im Jahre 1872 ging die "Flora" auf ihre letzte Fahrt. Danach wurde sie abgetakelt. Auch die anderen Fangschiffe wurden außer Dienst gestellt und verkauft. Die Zeit der Grönlandfahrten war vorbei.
Die Stadt Elmshorn hält die Erinnerung an diese Zeit lebendig. Das Stadtwappen, das ein Segelschiff zeigt (das aber nur wenig Ähnlichkeit mit der "Flora" hat) und der Springbrunnen auf dem Bahnhofvorplatz, der einen stilisierten Walfänger zeigt, erinnern an diese Zeit. Der Anker der "Flora" liegt bei der Gaststätte "Sibriren" am See, einem noch heute beliebten Ausflugsziel.
Das Schiff wurde abgetakelt und diente dann bei der Bergung eines Dampfers auf der Unterelbe als Wohn-und Materialschiff. Später wurde es in Hamburg, in Steinwerder an der Norderelbe, gegenüber von St. Pauli, fest verankert, und diente als Bier-und Tanzlokal. 1888 kam das Ende dieses Schiffes, es wurde abgewrackt.
(Teil 2: Die "Flora"-Tradition geht weiter. Demnächst in diesem Blog.)
Teil 1: Der Walfänger
Walfänger "FLORA VON ELMSHORN"
Die Bark hat, vor einem Sturm Schutz suchend, einen Fjord in Nord-Norwegen angelaufen. Da es im tief eingeschnittenen Fjord fast windstill ist, wird die „Flora“ von dreien ihrer Fangschaluppen in die offene See geschleppt.
Gemalt nach dem Modell im "Internationalen Maritimen Museum", Hamburg.
Länge über alles: 45 m
Länge über Deck 32 m
Breite über alles: 10,60 m
Tiefgang maximal: 6,50 m
Besatzung: ca. 50 Mann
Den Bug ziert die Galionsfigur „Flora“, eine Blumenmaid.
Seit eh und je jagten Küstenbewohner mit Handharpunen vom Boot aus Wale und Robben. Aber erst relativ spät, im 16. Jahrhundert, begann der Walfang auf hoher See, zuerst im Baskenland und in der Bretagne, später in Holland und Friesland. Der deutsche Nordmeer-Walfang begann im Jahr 1644 in der Stadt Hamburg. 1675 gingen bereits 75 Hamburger Schiffe auf "Grönlandfahrt". Entgegen dem Namen wurde das blutige Handwerk vor allem in den Gewässern bei Spitzbergen betrieben. Bis heute gibt es dort eine Hamburger Bucht.
Nach Hamburg begann die damals dänischen Städte Glückstadt und Altona mit dem Aufbau einer Walfang-Flotte. 1671 lief das erste Glückstädter Fangschiff aus, 1685 wurde die erste Grönlandkompanie in Altona gegründet. Begünstigt durch dänische Prämien und Privilegien blühte der holsteinische Walfang und erreichte um 1770 herum seinen Höhepunkt. Die Besatzungen der Walfänger, die manchmal jahrelang auf Fangreise waren, waren größtenteils Inselfriesen - auf den friesischen Inseln gab es damals nur wenige Möglichkeiten, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Friesen galten als hervorragende Seeleute und Harpuniere, einige kamen zu Wohlstand - prachtvolle Häuser, etwa auf der nordfriesischen Insel Amrum oder der ostfriesischen Insel Borkum künden davon, wie auch einige erhaltene Zäune und Tore aus Walknochen, viele kamen auf diesen gefährlichen Reisen um - Gedenksteine auf friesischen Friedhöfen erinnern an die vielen Männer, die auf See geblieben sind.
Die englische Kontinentalblockade und die französische Kontinentalsperre während der napoleonischen Kriege brachten den deutschen und dänischen Walfang fast zum Erliegen. Nach dem Ende der Besetzung durch Napoleon erholte sich die Wirtschaft in der Unterelberegion sehr schnell - der Grund lag in der beginnenden "industriellen Revolution". Damals diente Walöl nämlich als Maschinenöl. Waltran wurde außerdem zur Seifenherstellung, zum Gerben von Fellen und zur Beleuchtung von Haus und Stall („Tranfunzel“) verwendet, Robbenfelle für wetterfeste Kleidung.
Um den steigenden Bedarf an Walöl zu befriedigen, und um den sich erholenden Walfang nicht allein den Hamburger Walfängern zu überlassen, subventionierte Dänemark die schleswig-holsteinischen „Grönlandfahrer“ mit 10 Reichstalern für jeden „Commandeur“.
"Commandeur" eines Walfängers ist nicht etwa "nur" Kapitän. Walfänger wurden meisten als Partenreedereien betrieben, als Genossenschaften - jeder, der auf einem Walfänger fuhr, war Anteilseigner an seinem Schiff und war am Gewinn beteiligt. Der Commandeur wurde von der Besatzung / Genossenschaft gewählt.
Auch wegen dieses demokratischen Vorgehens galten Walfänger bei Seeleuten der Kriegsmarinen, aber auch denen der Fernhandelsgesellschaften, als undisziplinierter, wilder Haufen.
Nach 1815 begannen wegen der Subventionen auch kleinere Städte mit Elbzugang (Itzehoe, Brunsbüttel, Elmshorn, Uetersen) eigene Schiffe auszurüsten.
Die Dreimastbark "Flora" wurde 1794 in Neustadt an der Ostsee gebaut und fuhr zunächst als Frachtsegler. 1816 wurde das Schiff in Flensburg zum Kauf angeboten und nach gründlicher Prüfung von 15 Elmshorner Bürgern, die eine Partenreederei gründeten, für 15000 Courant Mark gekauft.
Die "Flora" wurde im damals zu Elmshorn gehörenden Hafen beim Spiekerhörn zu einem "Grönlandfahrer" umgebaut. Neben Walfang sollte das Schiff in arktischen Gewässern auch der Robbenjagd dienen.
Das Schiff erhielt eine neue eichene Haut, um für stärkere Eispressungen gerüstet zu sein. Außerdem wurden sieben Fangschaluppen gebaut. (Später auf fünf reduziert.) Durch den Umbau verteuerte sich das Schiff um weitere 14000 Courant Mark.
Außer den für den Walfang und die Robbenjagd benötigten Waffen wurde die "Flora" auch mit acht kleinen Kanonen ausgerüstet - in und kurz nach den napoleonischen Seekriegen erlebten Freibeuterei und Piraterie eine kurze, aber heftige "Blüte".
Die schwarz bemalten Stückpforten, die man auf dem Bild erkennt, waren zum großen Teil "blind", d. h. es standen keine Kanonen hinter ihnen. Sie gaben der Bark auf einige Entfernung das Aussehen eines Kriegsschiffes und schreckten so Kaperfahrer ab. Ab den 1820 Jahren wurden Zeiten ruhiger. Die Kanonen wurden entfernt, um mehr Laderaum zu schaffen. Die „Flora“ behielt ihr kriegerisches Aussehen dennoch bei.
Zur Aufnahme des Robben- und Walspecks wurden 450 Fässer und zur Reserve noch mehrere hundert Fassdauben geladen.
So ausgerüstet trat die Flora Ende April 1817 ihre erste Reise in die arktischen Gewässer an.
Zur Zeit der Elmshorner Grönlandfahrten war der Höhepunkt der Wal- und Robbenjagd vor Grönland und Spitzbergen längst überschritten, denn infolge der rücksichtslosen Nachstellung war der Bestand dieser Tiere schon stark verringert. Immerhin erlegte die Mannschaft der "Flora" im Jahre 1831 noch 9.000 Robben und sechs Grönlandwale.
Über 50 Jahre fuhr die "Flora" nach Grönland, um die begehrten Seesäuger zu erjagen. Mit ihr fuhren von Elmshorn noch drei weitere Fangschiffe, die im Laufe der Jahre erworben wurden. Über 50 Jahre lang waren diese Schiffe ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor und ein wichtiger Teil des Lebens in Elmshorn.
Zu Beginn der 1870er Jahre wurden die Fangergebnisse immer geringer und die Verluste immer größer. Die Grönlandfahrten hörten allmählich auf. Hinzu kam, dass Erdölprodukte das Walöl als Schmierstoff und Lampenöl (Petroleumlampe) verdrängten. Nur der aufwändige Walfang auf den Pottwal lohnte sich noch. Bis zur Einführung des industriellen Walfangs mit Harpunenkanonen, schnellen Fangbooten mit Dampf- und später Motorantrieb und ab den 1920er Jahre Fabrikschiffen hatte die großen Wale einige Jahre trügerischer Ruhe, bis dann fast alle Großwalarten bis an den Rand der Ausrottung gejagt wurden.
Im Jahre 1872 ging die "Flora" auf ihre letzte Fahrt. Danach wurde sie abgetakelt. Auch die anderen Fangschiffe wurden außer Dienst gestellt und verkauft. Die Zeit der Grönlandfahrten war vorbei.
Die Stadt Elmshorn hält die Erinnerung an diese Zeit lebendig. Das Stadtwappen, das ein Segelschiff zeigt (das aber nur wenig Ähnlichkeit mit der "Flora" hat) und der Springbrunnen auf dem Bahnhofvorplatz, der einen stilisierten Walfänger zeigt, erinnern an diese Zeit. Der Anker der "Flora" liegt bei der Gaststätte "Sibriren" am See, einem noch heute beliebten Ausflugsziel.
Das Schiff wurde abgetakelt und diente dann bei der Bergung eines Dampfers auf der Unterelbe als Wohn-und Materialschiff. Später wurde es in Hamburg, in Steinwerder an der Norderelbe, gegenüber von St. Pauli, fest verankert, und diente als Bier-und Tanzlokal. 1888 kam das Ende dieses Schiffes, es wurde abgewrackt.
(Teil 2: Die "Flora"-Tradition geht weiter. Demnächst in diesem Blog.)
MMarheinecke - Dienstag, 12. August 2008
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