Summer of Love III - 1967 - Die Hippies waren mehr als nur "Blumenkinder"

In lockerer Folge schreibe ich im Laufe der Sommermonate über den "Sommer of Love" 1967, der in Wirklichkeit ein politisch, gesellschaftlich und kulturell "heißer" Sommer war, schreiben. Bisher gab es schon einen kleinen ironischen Text zum "Sommer of Love" und einen Artikel zum "heißen Frühsommer" im West-Berlin des Jahres 1967.

1967 - Das Jahr des originalen Summer of Love, des Sommers des Jahres 1967. In diesem Sommer wurde eine Gegen- bzw. Untergrundkultur zum Massenphänomen und zur Mode - die Hippies Als deren "heimliche Hauptstadt" galt der Haight-Ashbury district in San Francisco, wo tausende junger Menschen friedlich und fröhlich ein Leben nach ihren Vorstellungen ausprobierten.
Die "Hippies" waren Anfangs keineswegs die harmlosen, versponnenen und naiv pazifistischen "Blumenkinder", als die sie später gern karikiert wurden.

Die "klassischen" oder "echten" Hippies der 60er Jahre, waren überwiegend (aber nicht nur) junge, überwiegend (aber nicht ausschließlich) aus der "Mittelschicht" stammende Menschen, und Teil einer bereitere Prostestbewegung, die von der Bürgerrechtsbewegung in den USA bis zu den rebellischen Studenten in Westeuropa reichte. Ihre (oft unbewußten) Vorbilder lagen in der "Lebensreform" des frühen 20. Jahrhunderts, ihre direkten Nachfolger fanden sie in der "Alternativ-Szene" der späten 70er und 80er Jahre.
Hippies misstrauten den etablierten staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen und Institutionen. Sie lehnte die überkommenen Werte des Kleinbürgertums ebenso ab wie die Hohlheit und Verlogenheit der "besseren Leute" und den "Proletenkult" traditionsbewußter Arbeiter - aus Hippie-Perspektive waren das alles "Spießer". (Schon hieraus kann man erkennen, wieso die "harmlosen Blumenkinder" sich jede Menge Feinde machten.)
Sie waren für den Schutz von Natur und Umwelt (in den 60ern noch ein echtes Randthema), waren gegen Atomwaffen, gegen den Vietnam-Krieg, interessierten sich für "östliche" Spiritualität - Buddhismus, Hinduismus, Daoismus und für Esoterik, waren Vorkämpfer der Sexuellen Befreiung, experimentierten unbefangen zwecks Bewußtseinserweiterung mit psychedelischen Drogen, wobei das Spektrum von Marihuana über "Zauberpilze" bis zu synthetischen Halluzinogenen wie LSD reichte. Sie gründeten kleine, selbstorganisierte Gemeinschaften, ihr politisches Spektrum reicht von durchaus bürgerlichen "Graswurzeldemokratie" bis zum gewaltfreien Anarchismus. Orthodoxe Marxisten waren unter ihnen eher selten zu finden - weshalb schon die links politisierten "´68er" und unter ihnen besonders die Maoisten dazu neigten, die Hippies fälschlicherweise für "wenig politisch" zu halten. (Wobei diese Aussagen alle für "echte Hippies" gelten - angesichts der "Hippie-Mode" der späten 60er gingen die Begriffe munter durcheinander.)
Ob der "Sommer" schon im Januar mit dem Human Be-In Happening im Golden Gate Park begann, oder doch "erst" im Juni mit dem legendären Monterey Pop Festival begann, ist im Grund genommen egal - letztes Endes ging es dabei um ein nicht näher bestimmbares "Summer Feeling" zwischen barfuß im Gras Gras rauchen und Freiluft-Sex in lauer Luft.
Mit der Berichterstattung über den "Sommer of Love" wandelten sich das Image der Hippies weg von "Bürgerschreck" zum unter als modern gelten wollenden Menschen angesagten" Lebensstil und damit zur Massenbewegung. Damit einher ging eine Verflachung der ursprünglichen Ideale.
Zum Symbol dieses Zeitgefühls der Hoffnung auf "Love and Peace" wurde der Beatles-Song All You Need Is Love", der eigens für die erste per Satellit weltweit ausgestrahlten Live-Fernsehsendung Our World am 25. Juni 1967 geschrieben wurde.
Der "Psychedelic Rock" gilt als heute als charakteristische Musik dieser Zeit - auch wenn er tatsächlich in den Hitparaden eher spärlich vertreten war, bzw. nur dadurch "mainstream media"-fähig wurde, das etablierte Bands wie die Beatles Songs in diesem Stil produzierten. "Psychedelic music" stand - wohl zurecht - im Ruf, drogeninspiriert zu sein, weitere, im Nachhinein gern übersehene Einflüsse waren die "Entdeckung" der indischen Musik durch "westliche" Musiker und neue technische Entwicklungen: direkt durch die Einführung elektronischer Musikinstrumente, die "nie gehörte" Töne hervorbrachten, indirekt vor allem durch die Raumfahrt. Die nun möglich gewordenen weltweiten Satelliten-Übertragungen beflügelten Ideen eines "globalen Dorfes", in dem die Möglichkeiten der Telekommunikation politische Grenzen überwinden würden.
Titel wie "Interstellar Overdrive" von Pink Floyd oder ""2000 Light Years From Home" von den Stones zeigen, dass der "Trip" sowohl in den "Inner Space" wie den "Outer Space" führte. Pioniergeist: "To boldly go where no man has gone before!" Bis zum Absturz von diesen Höhenflügen mit Drogenantrieb dauerte es keine vier Jahre. Immerhin "schaffte" es "Psychedelic Music" bis etwa 1974 und bis zu einem kleinen Revival in den 90ern.

Zurück zu den Hippies: die Hippiebewegung war wie das wahre Leben: voller Widersprüche. Sie trug meines Erachtens mehr zum rapiden kulturellen Wandel in den 60er und frühen 70er Jahren bei, als die viel geschmähten Lieblingssündenböcke alter und neuer Konservativer, die "´68er". Weil sie das Lebensgefühl veränderten.
Um 1970 war vieles aus dem Lebensstil der Hippies endgültig "Mainstream" geworden, es regte sich kaum noch jemand über lange Haare oder kurze Röcke auf. In (West-)Deutschland war das gegenüber der "Nachkriegszeit" (bis ca. 1962), aber auch gegenüber den "wilden" 60ern tolerantere und entspanntere gesellschaftliche Klima der 70er und 80er Jahre besonders auffällig. Dieses gelassen-lässiger, aber auch autonomere und individualistischere Lebensgefühl wurde sicher mehr vom "Hippie-Lifestyles" und der "Hippie-Mode" angestoßen, als von der (relativ kleinen) Minderheit der "´68er". Ohne die Hippies hätte es weder die Öko- noch die Friedensbewegung der 80er Jahre gegeben; selbst in der Hausbesetzerszene ging es deutlich "hippiesk" zu, auch wenn man sich (rein verbal) gern über "Althippies" lustig machte. Tatsächlich waren die Hippies die Wegbereiter sogar jener, die sie verachteten und kritisierten: der Skinheads und der Punks.

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