Kulturgut Segelschiff
Sie trug 3047 Quadratmeter Segeltuch an ihren Rahen. Ironischerweise bedeutete ihr Name "Cutty Sark" im Schottland des 18. Jahrhunderts "kurzes Hemd". Doch der Name paßt. In Robert Burns 1791 geschriebenen Gedicht Tam o' Shanter gerät der Tam, als er betrunken nach hause reitet, in einen Ceilidh (keltisches Musik- und Tanzfest), auf dem Hexen tanzten. Unter ihnen war eine besonders schöne junge Hexe namens Nannie, bekleidet mit einem (zu) kurzem Hemd:
Clipper "Cuttty Sark" im Trockendock, Greenwich - Foto:pixelio.de
Bilder zum Brand der "Cutty Sark" vom "Guardian": Cutty Sark fire
Die nun bei Restaurierungsarbeiten ausgebrannte "Cutty Sark" ist ein britisches Nationaldenkmal, und zwar eines der sperrigen Sorte. Der 1869 in Dumbarton, Schottland, erbaute Teeclipper ist in mancher Hinsicht ein Art Gegendenkmal zur Victorianische Denkmalskultur, die sehr auf England fixiert, deutlich militärisch, unverfroren imperialistisch, sehr pompös und stets aus "Upper Class"-Perspektive angelegt war. In Großbritannien sind viele faszinierende Schiffe als Denkmäler konserviert worden - aber die berühmstesten dieser historischen Schiffe, von Nelsons Admiralsschiff "H.M.S. Victory", über die hölzernen Fregatten "H.M.S.Trincomalee" und "H.M.S. Unicorn" und die stählerne Fregatte "H.M.S. Warrior" bis zum Kreuzer "H.M.S. Belfast" aus den 2. Weltkrieg, sind Kriegsschiffe.
Der Ruhm der "Cutty Sark" lag darin, empfindlichen Tee in Rekordzeit von China nach Großbritannien gebracht zu haben - viel schneller und wirtschaftlicher, als es kohlenfressenden Dampfer ihrer Zeit geschaft hätten. Weil sie sowohl den amerikanischen wie den englischen Clippern davonsegelte, wurde sie zum Symbol schottischen Nationalstolzes. Nicht zufällig trug sie den Namen einer Gestalt aus einem Gedicht des "schottischen Nationaldichters" Burns, und in einer extrem "verklemmten" Zeit, in der es sogar verpönt war, in der Öffentlichkeit das Wort Hose auszusprechen, muß es ausgesprochen provokativ gewesen sein, ein Schiff nach einer erotischen Hexe zu benennen - das als Gallionsfigur auch noch eine hölzerne Plastik diese knapp bekleideten jungen Dame trägt!
Ihre Dauerhöchstgeschwindigkeit war 15 Knoten (28 km/h), bei sehr gutem Wind 18 kn (33.3 km/h), die Strecke China-Großbritannien schaffte sie in durchschnittlich 110 Tagen.
Aber diese glorreiche Zeit war kurz - nach der Eröffnung des Suezkanals 1869 konnten Dampfschiffe auf der kürzeren Route über das Mittelmeer in den fernen Osten fahren, für Segler war diese Route wegen der widerigen Windverhältnisse ungünstig. Die Teefahrten mit Clippern wurde unwirtschaftlich, ihre letzte Teereise unternahm die "Cutty Sark" 1875-76.
Auf der Langstrecke von und nach Australien konnten die Segelschiffe den Vorteil ihrer nahezu unbegrenzten Reichweite beinahe ein letztes Mal ausspielen. Bis 1895 segelte die "Cutty Sark" im australischen Wollhandel, später führ sie, unter portugiesischer Flagge bis 1921 vor allem nach Südamerika. Seitdem war sie zunächst britisches Schulschiff, seit 1954 liegt sie als Museumsschiff in einem Spezialdock in Greenwich.
Kann ein altes Schiff, über seinen Wert als Denkmal einer bestimmten Phase der technischen Entwicklung hinaus einen eigenständigen kulturellen Wert haben?
Ich erinnere mich an entsprechende Diskussionen, als in Hamburg der Verein "Windjammer für Hamburg" gegründet wurde. Als der Verein schließlich die "Rickmer Rickmers" auftriebt und aufwendig restaurieren ließ, da gab es heftige Kritik, weil der "rostige alte Kahn" zuwenig historischen Bezug zu Hamburg und zuwenig Originalität als technisches Denkmal hätte. Auch heute werde ich den Verdacht nicht los, dass viele Hamburger Kommunalpolitiker die Bedeutung dieses Schiffes ausschließlich in seinem Wert als Touristenattraktion sehen.
Und was schon für Hamburg gilt, das gilt erst recht für die "meerfernen" Teile Deutschlands. Alte Schiffe - ganz hübsch, aber keinesfalls mit historischen Bürgerhäusern, Kirchen, Schlössern zu vergleichen. Allenfalls Zeitdokumente, wie alte Fabriken eben.
In der alten Seefahrtsnation Großbritannien sieht man das glücklicherweise anders.
Zum Brand des Schiffes: BBC NEWS
Cutty Sark fire remains a mystery
Ananova: Cutty Sark probe 'inconclusive'
The Guardian: Police declare burned Cutty Sark stern a crime scene.
Allerdings rückt durch den - hoffentlich reparablen - Brand der "Cutty Sark" die Rettung des einzigen anderen erhaltenen Composite-Clippers, der 1864 gebauten "City of Adelaide", stärker ins öffentliche Bewußtsein. Diesem historischen Großsegler droht nämlich die Abwrackwerft: "A campaign to raise funds for a full restoration has so far failed to gain much ground with a final decision on whether or not to demolish the vessel expected later this month." The Age: Campaign to save Cutty Sark sister ship.
Ich habe gezögert, dieses Thema hier zu bloggen. Weil ich Angst hatte. Angst vor dem aus humanistischer Sicht allzu berechtigten Vorwurf, es sei zynisch, angesichts der Brandes eines alten Schiffs sozusagen in Tränen auszubrechen, wenn anderswo Menschen getötet, gefoltert, verfolgt, um elementare Menschenrechte betrogen werden - letzteres auch in Deutschland.
Überzeugt, es doch zu bloggen, hat mich eine kurze Notiz bei Che2000: Flames over Greenwich.
Her cutty sark, o' Paisley harn,
That while a lassie she had worn,
In longtitude tho' sorely scanty,
It was her best, and she was vauntie.
Ah! little kend thy reverend grannie
That sark she coft for her wee Nannie
Wi' twa pund Scots ('twas a' her riches)
Wad ever graced a dance of witches!
Clipper "Cuttty Sark" im Trockendock, Greenwich - Foto:pixelio.de
Bilder zum Brand der "Cutty Sark" vom "Guardian": Cutty Sark fire
Die nun bei Restaurierungsarbeiten ausgebrannte "Cutty Sark" ist ein britisches Nationaldenkmal, und zwar eines der sperrigen Sorte. Der 1869 in Dumbarton, Schottland, erbaute Teeclipper ist in mancher Hinsicht ein Art Gegendenkmal zur Victorianische Denkmalskultur, die sehr auf England fixiert, deutlich militärisch, unverfroren imperialistisch, sehr pompös und stets aus "Upper Class"-Perspektive angelegt war. In Großbritannien sind viele faszinierende Schiffe als Denkmäler konserviert worden - aber die berühmstesten dieser historischen Schiffe, von Nelsons Admiralsschiff "H.M.S. Victory", über die hölzernen Fregatten "H.M.S.Trincomalee" und "H.M.S. Unicorn" und die stählerne Fregatte "H.M.S. Warrior" bis zum Kreuzer "H.M.S. Belfast" aus den 2. Weltkrieg, sind Kriegsschiffe.
Der Ruhm der "Cutty Sark" lag darin, empfindlichen Tee in Rekordzeit von China nach Großbritannien gebracht zu haben - viel schneller und wirtschaftlicher, als es kohlenfressenden Dampfer ihrer Zeit geschaft hätten. Weil sie sowohl den amerikanischen wie den englischen Clippern davonsegelte, wurde sie zum Symbol schottischen Nationalstolzes. Nicht zufällig trug sie den Namen einer Gestalt aus einem Gedicht des "schottischen Nationaldichters" Burns, und in einer extrem "verklemmten" Zeit, in der es sogar verpönt war, in der Öffentlichkeit das Wort Hose auszusprechen, muß es ausgesprochen provokativ gewesen sein, ein Schiff nach einer erotischen Hexe zu benennen - das als Gallionsfigur auch noch eine hölzerne Plastik diese knapp bekleideten jungen Dame trägt!
Ihre Dauerhöchstgeschwindigkeit war 15 Knoten (28 km/h), bei sehr gutem Wind 18 kn (33.3 km/h), die Strecke China-Großbritannien schaffte sie in durchschnittlich 110 Tagen.
Aber diese glorreiche Zeit war kurz - nach der Eröffnung des Suezkanals 1869 konnten Dampfschiffe auf der kürzeren Route über das Mittelmeer in den fernen Osten fahren, für Segler war diese Route wegen der widerigen Windverhältnisse ungünstig. Die Teefahrten mit Clippern wurde unwirtschaftlich, ihre letzte Teereise unternahm die "Cutty Sark" 1875-76.
Auf der Langstrecke von und nach Australien konnten die Segelschiffe den Vorteil ihrer nahezu unbegrenzten Reichweite beinahe ein letztes Mal ausspielen. Bis 1895 segelte die "Cutty Sark" im australischen Wollhandel, später führ sie, unter portugiesischer Flagge bis 1921 vor allem nach Südamerika. Seitdem war sie zunächst britisches Schulschiff, seit 1954 liegt sie als Museumsschiff in einem Spezialdock in Greenwich.
Kann ein altes Schiff, über seinen Wert als Denkmal einer bestimmten Phase der technischen Entwicklung hinaus einen eigenständigen kulturellen Wert haben?
Ich erinnere mich an entsprechende Diskussionen, als in Hamburg der Verein "Windjammer für Hamburg" gegründet wurde. Als der Verein schließlich die "Rickmer Rickmers" auftriebt und aufwendig restaurieren ließ, da gab es heftige Kritik, weil der "rostige alte Kahn" zuwenig historischen Bezug zu Hamburg und zuwenig Originalität als technisches Denkmal hätte. Auch heute werde ich den Verdacht nicht los, dass viele Hamburger Kommunalpolitiker die Bedeutung dieses Schiffes ausschließlich in seinem Wert als Touristenattraktion sehen.
Und was schon für Hamburg gilt, das gilt erst recht für die "meerfernen" Teile Deutschlands. Alte Schiffe - ganz hübsch, aber keinesfalls mit historischen Bürgerhäusern, Kirchen, Schlössern zu vergleichen. Allenfalls Zeitdokumente, wie alte Fabriken eben.
In der alten Seefahrtsnation Großbritannien sieht man das glücklicherweise anders.
Zum Brand des Schiffes: BBC NEWS
Cutty Sark fire remains a mystery
Ananova: Cutty Sark probe 'inconclusive'
The Guardian: Police declare burned Cutty Sark stern a crime scene.
Allerdings rückt durch den - hoffentlich reparablen - Brand der "Cutty Sark" die Rettung des einzigen anderen erhaltenen Composite-Clippers, der 1864 gebauten "City of Adelaide", stärker ins öffentliche Bewußtsein. Diesem historischen Großsegler droht nämlich die Abwrackwerft: "A campaign to raise funds for a full restoration has so far failed to gain much ground with a final decision on whether or not to demolish the vessel expected later this month." The Age: Campaign to save Cutty Sark sister ship.
Ich habe gezögert, dieses Thema hier zu bloggen. Weil ich Angst hatte. Angst vor dem aus humanistischer Sicht allzu berechtigten Vorwurf, es sei zynisch, angesichts der Brandes eines alten Schiffs sozusagen in Tränen auszubrechen, wenn anderswo Menschen getötet, gefoltert, verfolgt, um elementare Menschenrechte betrogen werden - letzteres auch in Deutschland.
Überzeugt, es doch zu bloggen, hat mich eine kurze Notiz bei Che2000: Flames over Greenwich.
MMarheinecke - Mittwoch, 23. Mai 2007
Und das sehr grundlos! Sich von einem Thema nicht bewegen zu lassen, weil es weit schlimmere ist, ist imo durch und durch falsch verstandene Höflichkeit (um nicht zu sagen: P.C.)
Danke für die Überwindung, das tröstet mich ein wenig darüber hinweg, dass ich das Schiff noch nie live gesehen hab.