Happy Birthday, Charles Darwin!

Es gibt nur wenige Wissenschaftler, die die Welt grundlegend veränderten. Charles Darwin gehört dazu.
hpd-online: Charles Darwin

Obwohl das "runde" Jubiläum erst in zwei Jahren stattfinden wird - Charles Darwin wurde am 12. Februar 1809 in Shrewsbury, im westlichen Mittelengland, geboren - ist das Anlass zu einigen Gedanken.

Der "Darwin Day" ist in den USA ein beliebter Anlass, um mit Humor, Pop und guten Argumenten gegen Wissenschaftsfeindlichkeit zu streiten, die dort vor allem von einflußreichen christlichen Fundamentalisten verbreitet wird. Der Streit um den Kreationismus - das Wörtlichnehmen des biblischen Schöpfungsmythos - und um seinen pseudowissenschaftlichen Ableger "Intelligent Design" ist nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs. Wobei es ja kein Problem wäre, wenn die Kreationisten nur an die biblische Mythologie glauben würden - das Problem liegt darin, dass sie empirisch erhärtete Tatsachen, die im Widerspruch zu ihrer Interpretation des Mythos stehen (wohlgemerkt: nicht dem Mythos an sich) unterdrücken wollen.
In Deutschland ist das bisher zum Glück noch kein großes Problem. Obwohl Wissenschaftsfeindlichkeit des Typs "es kann nicht sein, weil es nicht sein darf, und wenn die bösen Wissenschaftler darauf hinweisen, dass es doch so ist, dann muß man ihnen den Mund verbieten" auch hierzulande sehr weit verbreitet ist.

Wenn sich der "Darwin Tag", so wichtig er auch bei uns wäre, in Deutschland bisher nicht durchgesetzt hat, so ist dies der deutschen Auffassung von Seriösität geschuldet. Im Gegensatz zur englischsprachigen Welt gilt, von zu wenigen Ausnahmen abgesehen: Wer ernsthaft Wissenschaft betreibt, der duldet keinen Spaß. Fröhliche Wissenschaft? Nein, bitte nicht - man könnte ja vielleicht nicht ernst genommen werden. (In Deutschland nimmt man bekanntlich sogar das Vergnügen ernst. Zur Zeit gerade wieder in den Karnevalshochburgen zu bestaunen.)

Prof. Ulrich Kutschera, Inhaber des Lehrstuhls für Pflanzenphysiologie und Evolutionsbiologie an der Universität Kassel, sieht zusätzlich tiefer liegende Gründe für die deutsche "Zurückhaltung":

In deutscher Sicht sei der "Darwinismus" zu sehr mit dem Nationalsozialismus verbunden - obwohl es keine einzige Erwähnung Darwins in den Schriften von Hitler und anderer NS-Größen gibt, da sie die Evolutionsbiologie einfach ignoriert hätten. Auch der Begriff des "Sozialdarwinismus" - als rassische "Auslese" - sei weder von Darwin geprägt, noch ließe er sich aus der Evolutionsbiologie ableiten. Gegen eine falsche Vereinahmung und Zitierung könne sich keine Wissenschaft schützen.

Zudem sei der Lehrinhalt der Evolutionsbiologie an den deutschen Universitäten immer noch unterrepräsentiert. Von den rund 50 Universitäten, an denen Biologielehrer und Biologen ausgebildet werden, hätten nur etwa fünf Universitäten explizit Evolutionsbiologie als Teilgebiet der Biologie und prüfungsrelevante Kenntnisse. So meint Prof. Kutschera: "Es ist manchmal haarsträubend, wie selbst gestandene ausgebildete Biologen falsche Vorstellungen von der Evolutionstheorie vertreten."

Darwins Lebenswerk wird oft auf seine revolutionäre Evolutionstheorie reduziert - womit man einem der vielseitigsten und produktivsten Naturforscher des 19. Jahrhunderts nicht gerecht wird. Der Universalgelehrte entdeckte z. B. auch die Umweltdynamik der Korallenriffe, die heute massiv gefährdet sind - Berliner Morgenpost: Klimawandel: Was wir von Darwin lernen können.

Auch in der "Berliner Morgenpost" gibt es seit einiger Zeit die erfreulich amüsante und leicht verständliche Kolumne Fragen an die Evolution.
Zwei Artikel möchte ich "wissenschaftlich" daherkommenden Rassenquasslern besonders ans Herz legen:
Was ist dran an dem Gerücht, dass die Blonden aussterben? und
Wie wir die Sonne mit unserer Hautfarbe austricksen.
Chat Atkins (Gast) - 14. Feb, 11:35

Das Problem mit Darwin hierzulande ist wohl ein Missverständnis - dass er nämlich vom "Überleben der Stärksten" gesprochen haben soll, was dann als Rechtfertigung für den Sozialdarwinismus etc. herhalten muss. Dabei hat Darwin vom "survival of the fittest" gesprochen, dem "Überleben des Passendsten", so wie in "the key fits the door".

Das Plankton wäre dementsprechend evolutionär höchst erfolgreich, auch der Kaiserpinguin, der sein Junges einen ganzen langen arktischen Winter hindurch auf den Füßen trägt. Dinosaurier, Mammuts, Eisbären, Wale - all das große Viehzeug zählt dagegen evolutionär eher zum Loser-Typus. Vielleicht ließe sich das Prinzip des Darwinismus einfach klarer übersetzen mit: "Was überlebt, hat überlebt". Viele Missverständnisse wären aus dem Weg geräumt.

MMarheinecke - 14. Feb, 16:00

Noch nicht einmal die Redensart "Survival of the fittest" geht auf Darwin direkt zurück

Die geht auf Darwins weniger vorsichtigen Mitstreiter Alfred Russel Wallace zurück, Darwin sprach lieber vom "struggle for existence".

Das größte Missverständnis, ist es, Darwin mit dem "Sozialdarwinismus" in Verbindung zu bringen - oder auch "nur" mit der Beurteilung menschlichen Sozialverhaltens nach "natürlichen", sprich biologischen, Maßstäben. (Wie da wären "Homosexualität ist widernatürlich", "die Familie ist die natürliche Form der Lebensgemeinschaft", "die Klassengesellschaft ist leider naturgegeben" usw. usw..)
In "Die Abstammung des Menschen" schrieb er eindeutig, dass
moralische Fähigkeiten höher einzustufen sind als intellektuelle. Moralische Eigenschaften erleben einen direkten oder indirekten Fortschritt weit mehr durch das Einwirken von Gewohnheit, Vernunft, Anleitung, Religion etc. als durch die natürliche (biologische) Auslese. (Typisch für seine Zeit war allerdings, dass er am Gedanken des "Fortschritts", einer Bewegung in Richtung steter Verbesserung festhielt. Richtiger wäre "Wandel".)

"Losertypen" gibt es in Evolution übrigens gar nicht - und schon gar nicht die Dinosaurier, die ein ausgeprochenes "Erfolgsmodel" waren und wohl noch heute die dominierende Landwirbeltierordnung wären - wäre da nicht irgendwann ein Asteroid dazwischengekommen. Und direkte Dinosauriernachkommen, nämlich Vögel, gibt es noch heute in reicher Auswahl. (Die genetische Verwandschaft zwischen einem Wellensittich und einem Tyrannosaurus ist weitaus größer als die zwischen Tyrannosaurus und Eidechse.)

Die Mammuts gäbe es unter Umständen noch heute - möglicherweise war nämlich der vorgeschichtliche Mensch an ihrem Verschwinden nicht ganz unbeteiligt. Der Eisbär ist als recht stark spezialisierte Art mehr gefährdet als ein "Generalist" wie z. B. der Waschbär, hat aber immerhin als Spezies schon ein paar "Warmzeiten" überstanden. Er ist in seiner Lebensweise übrigens weniger spezialisiert als der Kaiserpinguin.
Es gibt eben ein paar Spezies, die sind wegen ihre Anpassungsfähigkeit nicht "totzukriegen", Kakerlaken z. B. - andere sind "Überlebenskünstler" über die Jahrmillionen hinweg, gerade weil sie "ihre" ökologische Nische gefunden haben, in der ihren keine andere Art Konkurrenz macht. Solange es die "Nische" gibt, gibt es auch die da hinein passende Art. (Das ist das Geheimnis der "lebenden Fossilien", wie z. B. dem Quastenflosser.)

Also, ob eine Spezies im ewigen Spiel der Evolution "Gewinner" oder "Verlierer" ist, hängt ganz entscheidend von den Umweltbedingungen ab - und vom Zufall.
Wir können bei den meisten Spezies nicht annähernd sagen, ob sie in Zukunft "Loser" oder "Winner" sein werden - von bewährten "Erfolgsmodellen" wie Kakerlaken, Fadenwürmern und Schleimpilzen vielleicht mal abgesehen.

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